03
Feb 2013

Zur Steuerbarkeit von Pokergewinnen - Eine Bewertung der Entscheidung FG Köln, Urt. v. 31.10.2012, 12 K 1136/11

Problemstellung

In Pokerkreisen war lange auf eine erste Entscheidung in Sachen Steuerbarkeit von Pokergewinnen gewartet worden. Hunderte deutscher Pokerspieler sind seit Anfang 2009 verunsichert, waren die Finanzbehörden der Länder neben den Spielbanken, dem Fernsehen und der Werbeindustrie ebenfalls auf den Siegeszug des Pokerns weg von den Hinterzimmern der Illegalität, hin zu „sportlichen" Großereignissen aufgesprungen und hatten seitdem die Pokerspieler (als vermeintliche Steuersünder) ins Visier genommen. Poker sollte fortan aus finanzrechtlicher Sicht nicht mehr als Glücksspiel, sondern als Geschicklichkeitsspiel gelten, aus deren Teilnahme sich steuerrelevante Gewinne erzielen lassen. Damit aber wichen die Finanzbehörden von der einhelligen Linie der deutschen Verwaltungs- und Strafrechtspraxis ab, die - auch heute noch - der Ansicht ist, dass das Pokerspiel ein Glücks- und kein Geschicklichkeitsspiel dar. Diese Einordnung teilten auch die Finanzämter über lange Jahre und ließen die Pokerspieler und ihr Gewinne unangetastet. Das Glück unterfällt nicht der Steuer, der Glückliche konnte seine Gewinne behalten. Was für Lotteriegewinne und andere klassische Casino-Spiele, wie Roulette und Black-Jack, weiterhin Geltung beansprucht, soll nunmehr für das Pokerspiel nicht mehr gelten: „Die Einkünfte des Klägers aus den Pokerturnieren sind als gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar.", so der Tenor der - nunmehr auch in den Entscheidungsgründen vorliegenden - Entscheidung des Finanzgerichtes Köln vom 31.10.2012.

Der Verfasser ist als Prozessbevollmächtigter des Klägers, dem ehemaligen Berufspiloten Eduard Scharf, am Verfahren beteiligt Die zugelassene Revision zum BFH wurde - nach Urteilszustellung kurz vor Weihnachten - noch im Jahre 2012 eingelegt und wird demnächst begründet. Es versteht sich von selbst, dass der Unterzeichner der Urteilsfindung des Finanzgerichtes Köln und der für den Entscheidungstenor gefundenen Begründung schon von Hause aus nicht viel abgewinnen vermag; weder der Unterzeichner, noch sein Mandant rechneten ernsthaft mit einer derartig oberflächlichen Entscheidung des erkennenden Senates, der sich - offenbar dem Druck des öffentlichen Interesses geschuldet - mit einer schnellen Entscheidung des ungeliebten Themenkomplexes entledigen wollte. Nachdem seit der Urteilsverkündung und der Zustellung der vollständigen Urteilsgründe einige Wochen vergangen sind, scheint die Zeit reif, für eine erste ausführlichere Bewertung der Entscheidung.

A. Der Tatbestand des Urteils

Bereits der Tatbestand des Urteils des FG Köln wirft für den Unterzeichner zahlreiche Fragen auf und legt eine nur unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch den erkennenden Senat nahe. So finden sich hier zahlreiche Feststellungen, die aus der Aktenlage nicht getroffen werden können. Obgleich das FG Köln einen entsprechenden Tatbestandsberichtigungsantrag bereits als unbegründet zurückgewiesen hat, seien daher an dieser Stelle einige Klarstellungen erlaubt und getroffen.

I. „Hendon Mob Poker Database"

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH hat das Gericht die Frage der Steuerbarkeit bestimmter Tätigkeiten „nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall" zu beurteilen. Diese Prüfung setzt jedoch voraus, dass sämtliche das Gesamtbild prägenden Umstände im Tatbestand des Urteils zutreffend festgestellt werden (st. Rspr. z.B. BFH, Beschl. vom 17.07.2007 - II R 5/04, BeckRS 200725012371). Dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall, vielmehr zeigen sich schon im Rahmen der Tatbestandsaufbereitung zahlreiche Fehler, die sich in der eigentlichen Urteilsbegründung ungemindert fortsetzen.

So heißt es im Tatbestand, der Kläger selbst habe die sog. „Hendon Mob Poker Database" (abrufbar unter: www.thehendonmob.com) zu Darlegung seiner Spieltätigkeit vorgelegt und hierauf Bezug genommen. Diese Annahme des Gerichts ist fehlerhaft. Zum einen wurde von dieser Seite aus, die betreffende Seite nicht in das Verfahren eingeführt, zum anderen fragt sich bereits, ob es sich bei der hier zu findenden Zusammenstellung tatsächlich um eine „offizielle Gewinnliste" handelt, wie es von Seiten des beklagten Finanzamtes immer wieder vorgetragen worden war. Der Kläger selbst hatte dies stets bestritten und die Aussagekraft der Liste mehrfach in Frage gestellt. Die Zweifel an der „Hendon Mob Poker Database" als Erkenntnisquelle werden vom erkennenden Senat gleichwohl nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt. Im hier vorliegenden Beschluss des Gerichts über den Tatbestandsberichtigungsantrag heißt es zwar insoweit:

„Dass der Kläger die Aussagekraft der Hendon Mob Datenbank angezweifelt hat, ergibt sich deutlich aus den Entscheidungsgründen, wo es auf Seite 17 am Ende des letzten Absatzes heißt: "Zwar hat der Kläger mehrfach die Aussagekraft der "Hendon Mob Poker Database" angezweifelt und auf ihre Manipulierbarkeit hingewiesen. Er hat jedoch nie substantiiert bestritten, an den dort gelisteten Turnieren teilgenommen zu haben. Die Datenbank war Entscheidungsgrundlage des Beklagten und dauerndes Diskussionsthema im Einspruchs- und Klageverfahren. Der Kläger hat jedoch zu keinem Zeitpunkt abweichend davon Turniere benannt, an denen er teilgenommen bzw. nicht teilgenommen haben will. Erst in der mündlichen Verhandlung hat er behauptet, an manchen der gelisteten Turniere "nachweislich" nicht teilgenommen zu haben." Das Gericht hat damit den Inhalt der Hendon Mob Datenbank entgegen der Ansicht des Klägers nicht als unstreitigen Vortrag behandelt."

Bereits der Umstand, dass der erkennende Senat einen Halbsatz in den Urteilsgründen als maßgeblichen Anhaltspunkt einer umfassenden Sachverhaltswürdigung wertet, erscheint fragwürdig; die Aussagen dahingehend, der Kläger habe die „Manipulierbarkeit" der Hendon Mob Datenbank nie substantiiert bestritten, ist schlicht unzutreffend. Auch die im Rahmen dieser Aussage immanent getroffene Feststellung, dass es sich bei den dem Beklagten vorliegenden Gewinnlisten um „offizielle" und damit amtliche Listen  handelt, ist bereits dem Grunde nach falsch und unzutreffend. So war schriftsätzlich mehrfach vorgetragen worden, dass es sich bei der Hendon-Mob-Liste keinesfalls um eine „offizielle Gewinnliste" handelt und es allgemein bekannt ist, dass es ein Leichtes ist, unbeteiligte Dritte, bspw. den Oberbürgermeister der Stadt Köln, mit einem nicht unbeträchtlichen Pokergewinn in diese Liste eintragen zu lassen; Eine Überprüfung dieser Meldungen findet nachweislich nicht statt. Der Oberbürgermeister der Stadt Köln wird wohl kaum als professioneller Pokerspieler einzustufen sein. Das von ihm angeblich mit dem 1. Platz abgeschlossene 300,00 Euro-No limit-Hold'em Pokerturnier, die Casino Kiel Open, in Kiel existiert nicht. Bereits dieses einfach gelagerte Beispiel zeigt eindeutig, dass es sich bei der durch den Beklagten (und das Gericht) als „offiziell" eingestuften Gewinnliste keinesfalls um ein offizielles Dokument handelt, auf welches behördliche Ermittlungen auch nur im Ansatz gestützt werden können. Gleichwohl zweifelt das Gericht die Tauglichkeit der Datenbank als Entscheidungsgrundlage nicht an und hält - insoweit rechtsfehlerhaft - weitere Ermittlungen für nicht angezeigt.

Dabei verkennt das Gericht, dass im Steuerprozess die sog. Verhandlungsmaxime nur eingeschränkt Geltung beansprucht und hier für die Ermittlung des Prozessstoffs der sog. Untersuchungsgrundsatz (Inquisitionsmaxime) gilt. Danach jedoch obliegt es dem Gericht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Der Steuerprozess dient in diesem Sinne nicht der Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs, sondern dem Individualrechtsschutz des Einzelnen, auf den die in § 76 FGO normierte Sachaufklärungspflicht des Gerichts gerichtet ist. Hiernach hat das Gericht unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel den Sachverhalt nach allen Seiten so vollständig wie möglich aufzuklären und dabei grundsätzlich allen sich aus dem Vortrag der Beteiligten und aus den Akten ergebenden Zweifeln nachzugehen (BFH, Beschluss v. 27.10.2011, VI B 79/11, BFH/NV 2012, 235). Betrachtet man in diesem Zusammenhang beispielsweise (nur) den Umstand, dass der Oberbürgermeister der Stadt Köln in der entscheidungserheblichen Liste mit einem nicht unbeträchtlichen Pokergewinn verzeichnet ist, muss an dieser Liste bereits ernsthaft gezweifelt werden. Der Oberbürgermeister der Stadt Köln wird wohl kaum als professioneller Pokerspieler einzustufen sein.

Der Umstand, dass es derartige Nachforschungen unterlassen und diesseitiges gegenteilige Vorbringen außer Acht gelassen hat, führt zweifelsfrei zu einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (vgl. BFH, Urt.  v. 25.5.2004, VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498; BFH, Beschluss v. 12.1.2011, VI B 97/10, BFH/NV 2011, 640). Ein solcher Verstoß ist hier evident, hat das FG Köln doch die konkrete Möglichkeit, den von seinem Rechtsstandpunkt aus entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, nicht genutzt, obwohl sich ihm die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung nach Lage der Akten und dem Ergebnis der Verhandlung hätte aufdrängen müssen. Das FG hätte ohne weitere Ermittlungen nicht dem unbelegten Vorbringen des Finanzamtes folgen dürfen, welches im finanzgerichtlichen Verfahren streitig geblieben war. In einem solchen Fall wäre den aufgeworfenen Zweifeln vielmehr von Amts wegen nachzugehen gewesen, ohne dass es hierfür etwa eines förmlichen Beweisantritts des Klägers bedurft hätte (vgl. BFH, Beschluss v. 14.4.2011, X B 112/10, BFH/NV 2011, 1376 m. w. N).

Der Senat vermag sich auch durch die (im Übrigen unzutreffende) Aussage „Erst in der mündlichen Verhandlung hat er behauptet, an manchen der gelisteten Turniere "nachweislich" nicht teilgenommen zu haben" der gebotenen Sachverhaltsaufklärung nicht zu entledigen. Vielmehr hätte der Senat, hätte er das Vorbringen des Klägers für unzureichend gehalten, dazu auffordern müssen, Beweismittel zu benennen und zu Tatsachen oder Beweismitteln Stellung zu nehmen (vgl. nur BFH, Urt. v. 23.01.1991, V R 32/88 BFH/NV 1990, 688 m.w.N). Weiterhin hätte der Senat den Kläger vor Urteilsfindung (!) i.R.d. § 76 II FGO darauf hinweisen müssen, dass seine Angaben nicht ausreichend substantiiert sind (so zu Recht Stapperfend, in: Gräber (Hrsg.), FGO, 7. Auflage 2010, § 76 Rn. 20). Die Ausführungen in den Urteilsgründen sind insofern nicht nur überraschend, sondern auch rechtsfehlerhaft.

II. Keine Nachforschung zu tatsächlichen Erfolgen

Weiterhin fehlerhaft sind die Feststellungen des Gerichtes zu den vermeintlichen Erfolgen des Klägers als Pokerspieler. Auch hier spielt die einseitige Betrachtung der „Hendon Mob Database" eine nicht unerhebliche Rolle. Nachweislich fanden sich hier, wie auch im Tatbestand des Urteils des FG Köln, schon Turnierteilnahmen, die tatsächlich gar nicht stattgefunden haben. Dieser - auch schriftsätzlich vorgebrachte - Umstand, wird durch den erkennenden Senat in seinem Beschluss über den Tatbestandsberichtigungsantrag mit nachfolgender Aussage gewürdigt:

„Ob der Kläger auch an einem Turnier in Schweden teilgenommen hat, ob vor ihm bereits ein anderer Deutscher Turniere der WSOP gewonnen hat und wann die WSOP zur wichtigsten Wettkampfserie geworden ist, war für die Entscheidung des Senats angesichts der Vielzahl der vom Kläger besuchten Turniere und seiner Erfolge nicht erheblich."

Weiter heißt es:

„Ob der Kläger ein Turnier in Cardiff gewonnen hat oder nur eine Vorrunde dieses Turniers war bei der Entscheidung des Senats angesichts der Vielzahl der erfolgreichen Turnierteilnahmen des Klägers nicht entscheidungserheblich."

Und weiter:

„Soweit der Kläger darauf hinweist, dass es das Turnier in Maidstone nur einmal gebe und er entgegen den Ausführungen auf Seite 3 f. des Tatbestands daran nicht zweimal in einem Jahr teilgenommen haben könne, ist dies richtig. Die Unrichtigkeit im Tatbestand ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Sie beruht auf der Darstellung des Inhalts der Hendon Mob Datenbank [...]"

Das Gericht spricht hier - wie auch in den Urteilsgründen - vermehrt von den „Erfolgen" des Klägers und/oder seinen „erfolgreichen" Turnierteilnahmen. Die erkannten offensichtlichen Unrichtigkeiten sollen dabei „für die Entscheidungsfindung" des Gerichts keine Rolle gespielt haben. Doch wie kann dies sein?

Der Begriff „Erfolg" bezeichnet die allgemeine Folge, Konsequenz oder den Effekt eines Handelns in der Bedeutung eines wertfreien, neutralen Resultats. Es geht hier also um die valide Diagnose und Entwicklung operationalisierter und somit messbarer Kompetenzen. Im betriebswirtschaftlichen Kontext wird dementsprechend nur dann von Erfolg gesprochen, wenn eine positive Ausprägung einer oder mehrerer Kennzahlen in einer bestimmten Periode festgestellt werden kann. Typische Kennzahlen sind hier der Gewinn oder auch der sog. „Return on Investment", die in der Betriebswirtschaftslehre beispielsweise in einer summarischen Betrachtung von Ertrag und Aufwand gemessen wird.

Soweit das Gericht also gerade den „Erfolg" des Klägers zur Entscheidungsgrundlage macht, hätte es sich nicht darauf beschränken dürfen, allein die vermeintlich positiven Geschäftsvorfälle (erfolgreiche Pokerturniere) zu ermitteln, sondern es hätte diese den tatsächlich zahlreich vorhandenen negativen Geschäftsvorfällen entgegen halten müssen. Auch insoweit verkennt der Senat jedoch die Reichweite der „Hendon Mob Database", die keinesfalls als „Turnierübersicht" aller Turniere an denen der Kläger jemals teilgenommen hätte, sondern lediglich als „Gewinnliste" fungiert. Soweit hier also vermeintliche Turniererfolge des Klägers ausgewiesen werden, sind diese Angaben allein vollkommen ungeeignet, eine Erfolgsaussage zu begründen! Vielmehr wäre eine Gesamtschau der Verhältnisse des Streitfalls über Jahre hinweg indiziert gewesen; eine solche hat aber tatsächlich nicht stattgefunden.

III. Bewertung

Der Tatbestand des Urteils des FG Köln in der Rechtssache „Eddy Scharf" zeigt damit erhebliche Unsauberkeiten und belegt das - auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Tage getretene - Desinteresse des erkennenden Senats sowohl am konkret zu entscheidenden Sachverhalt, als auch an den dahinter stehenden materiellen Rechtsfragen, die - anders als es das Gericht ausführt - nicht nur für den Kläger dieses Verfahrens, sondern für alle Pokerspieler und den Glücksspielmarkt an sich von erheblicher Bedeutung sind.

B. Die Entscheidungsgründe

I. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr

„Der Kläger hat sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.", heißt es in den Urteilsgründen. Auch mit dieser Aussage macht es sich das Gericht zu leicht und weicht von bestehenden Prüfungsmaßstäben zu Lasten des Klägers ab.

Nicht jedes - auch nicht jedes auf Gewinnerzielung gerichtete - Handeln, gleichgültig ob innerhalb oder außerhalb des Rahmens eines Gewerbebetriebs gelegen, muss auch zugleich einkommen- und gewerbesteuerrechtlich relevant sein. Das zeigt zum einen die Begrenzung der Einkommensteuer auf Einkünfte der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Art (vgl. dazu BFH, Urt. v. 04.03.1970, BFH 98, 259, BStBl II 1970, 470), zum anderen das Abstellen der gewerblichen Betätigung auf das Moment der Nachhaltigkeit, welches dort nicht erwartet werden kann und in der Regel auch nicht gegeben ist, wo eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auf Dauer nur Verluste generiert. Nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte sind daher Einnahmen aus Glücksspielen, wie Rennwetten (RFH, Urt. v.  30. 06.1927, VI A 261/27, RFHE 21, 244; BFH, Urt. v. 24.10.1969, IV R 139/68, BFHE 98, 494, BStBl II 1970, 411) und Lotteriespielen (RFH, Urt. v. 14.03.1928, VI A 783/27, RStBl 1928, 181; BFH, Urt. v. 16.09.1970, I R 133/68, BFHE 100, 199, BStBl II 1970, 865) nicht steuerbar, weil sich Spieler mangels Leistungs- und Güteraustauschs nicht am Wirtschaftsverkehr beteiligten.

Der Senat weicht von dieser Einschätzung ab und führt aus, der Kläger habe eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten, indem er seine spielerischen Fähigkeiten als Dienstleistung gegenüber dem Veranstalter bei Pokerturnieren öffentlich dargeboten habe und ihm hierfür ein vorher feststehendes oder von der Höhe der Antrittsgelder („Buy-Ins") abhängiges Preisgeld für den Fall des Siegs oder einer Platzierung in den mit Preisgeldern belegten Rängen in Aussicht gestellt worden sei. Auch diese Feststellungen gehen an der Realität und dem tatsächlichen Spielablauf vorbei.

Beim sog. Cash-Game könnte die Leistung des Pokerspielers in der Teilnahme an dem Spiel und in der Zusage, bei verlorenem Spiel den jeweiligen Einsatz zu erbringen gesehen werden. Die Gegenleistung der anderen Spieler bestünde darin, dass der Leistende im Gewinnfalle den Einsatz der Mitspieler für sich beanspruchen kann.  Bei Turnierpoker ist dies hingegen anders. Hier dient der jeweilige Einsatz, das Buy-In des Spielers, in aller Regel nicht der unmittelbaren „Ausspielung", sondern dem Erhalt virtueller Chips (ohne direkten Geldwert). Jeder Spieler erhält vom Veranstalter eine bestimmte Anzahl an Chips. Der Sieger erhält ein vorher festgelegtes Preisgeld und profitiert von den einzelnen - während des Turnierverlaufs gewonnenen - Chips grundsätzlich nicht.  Diese können nicht ausgecashed, sondern nur zum Weiterspielen verwendet werden. Der Spieler tritt hier also nicht als Leistender, sondern als bloßer Konsument des Spielangebotes auf. Es ist daher verfehlt, wenn das Finanzgericht Köln ausführt, der Kläger habe seine spielerischen Fähigkeiten als Dienstleistung gegenüber dem Veranstalter bei Pokerturnieren öffentlich dargeboten. Anders als beispielsweise der Veranstalter eines Pferderennens, „lebt" der Pokerturnierveranstalter auch nicht von Zuschauern, sondern erwirtschaftet seine Gewinne (als sog. Rake) unmittelbar von den Turnierteilnehmern, die ihrerseits lediglich Konsumenten der angebotenen Dienstleistungen, die sie sich durch die Zahlung ihres Einsatzes erkaufen, sind; und zwar auch dann, wenn sie sich mit besonderen Vorkenntnissen oder Erfahrungen an dem angebotenen Turnier beteiligen. Ein etwaiger Gewinn ist daher niemals ein Entgelt für eine vom Spieler angebotene Leistung, sondern lediglich die Realisation der als Konsument durch die Zahlung des Spieleinsatzes (Buy-In) erworbenen Gewinnchance.  Entgegen der Auffassung des Senats sind die Einnahmen aus der Teilnahme am Pokerspiel daher bereits deshalb nicht steuerbar, weil sie kein Entgelt für eine Leistung des Spielers darstellen. Dieser setzt nur einen Geldbetrag ein und erhält aufgrund dieses Einsatzes die Chance, einen Gewinn zu erzielen. Er nimmt daher nicht durch eine entgeltliche Tätigkeit am Wirtschaftsleben teil. Er "kauft" mit seinem Einsatz lediglich eine Gewinnchance.

Da ein Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG jedoch nicht nur eine selbstständige, nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen, erfordert, sondern kumulativ zwingend die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraussetzt, kann die Entscheidung des FG Köln bereits aus diesem Grunde nicht überzeugen.

II. Abstellen auf die „individuellen" Fähigkeiten

Das FG führt aus: „Ob steuerlich ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gegeben ist, kann jedoch nicht abstrakt und durch Betrachtung eines Durchschnittsspielers beurteilt werden, sondern nur aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalles." Denn das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG (insbes. Selbständigkeit, Nachhaltigkeit und Gewinnerzielungsabsicht) könne nur unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten in Person des Steuerpflichtigen geprüft werden. Auch diese Annahme erscheint fehlerhaft und greift nach hiesiger Ansicht zu kurz. Sie findet auch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung keine Grundlage.

Nach § 2 Abs. 1 EStG unterliegen der Steuerpflicht grundsätzlich nur bestimmte Einkünfte. Anders als noch im REStG 1920 vorgesehen, stellt sich damit nicht jeder Zugang von Reinvermögen (in Geld oder Geldeswert) als Einkommen dar. Vielmehr sind nur solche  Vermögenszuwächse, die auf eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG normierten Einkunftsarten zurückzuführen sind, von der Steuerpflicht umfasst. Ob im Einzelfall steuerbare oder nicht steuerbare oder steuerfreie Einkünfte erzielt worden sind, hängt damit von der Auslegung und Abgrenzung der in Betracht kommenden Einkunftstatbestände und nicht vom Begriff des Einkommens ab.  Ob einzelne Einnahmen zu einer Einkunftsart gehören, entscheidet der BFH nach dem Veranlassungsprinzip, also danach, ob sie bei wertender Beurteilung des die Vorteilszuwendung auslösenden Moments der Erwerbssphäre zuzuordnen sind oder nicht.

Nicht steuerbar, weil keiner Einkunftsart unterfallend, sind danach insbesondere Vermögenszugänge aufgrund von Schenkung, Preise aber auch Gewinne aus Spiel oder Wette. Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommensteuer sind zudem nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, deren ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen.  Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs. 1 EStG einordnen ließen.

Es ist daher zu fragen, ob eine Tätigkeit nach ihrer Wesensart und der Art ihrer Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen objektiv dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten. Für die Beurteilung der steuerlichen Behandlung von Pokergewinnen stellt sich mithin - entgegen der Ansicht des FG Köln - zunächst die Frage, ob das Pokerspiel grundsätzlich und damit unabhängig von der Person des jeweiligen Spielers objektiv dazu geeignet sein kann, mit Gewinn zu arbeiten oder ob auf Dauer gesehen nachhaltig Verluste erwirtschaftet werden müssen, was bei einem Glücksspiel zwangsläufig der Fall ist.

Es kommt daher auch im Streitfall entscheidend darauf an, ob das vom Kläger durchgeführte Pokerspiel objektiv dazu geeignet ist, dauerhaft mit Gewinn betrieben zu werden. Dabei kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß jede Nutzbarmachung beruflicher Erfahrungen, Kenntnisse und Verbindungen genügt, um sonst nicht steuerbare Tätigkeiten zu gewerblichen zu machen (vgl. BFH, Urt. v. 12.03.1964,  IV 136/61 S = BFH 79, 366, BStBl III 1964, 364). Geht man bei der Beurteilung des Streitfalles von diesen Grundsätzen aus, so hätte das FG Köln die Pokergewinne des Klägers nicht einfach als auf gewonnenen „beruflichen" Erfahrungen beruhend, dem Geschicklichkeitsspiel zuschlagen dürfen. Allein diese genügen vielmehr nicht, um einen unmittelbaren Zusammenhang der Spieltätigkeit des Klägers mit etwaigen Gewinnen zu rechtfertigen (auch der BFH verweist in diesem Zusammenhang mehrfach auf die Legaldefinition des Glücksspiels in § 3 GlüStV, so beispielsweise BFH, Urt. v. 24.04.2012, IX R 6/10 mit ausdrücklichem Hinweis auf Ismer, FR 2007, 235; Theisen/Raßhofer, Festschrift für Spindler, 2011, S. 819 und § 3 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrags NRW). Maßstab kann für den Einzelnen nie der Ausnahmefall sein. Gerade dadurch, dass beim Vorliegen einer Vielzahl ähnlicher Tatbestände nicht in jedem Einzelfall über ein und dieselbe Begrifflichkeit entschieden werden kann oder soll, wird bei der Festlegung rechtlicher Normen häufig auf Verallgemeinerungen  (Pauschalierungen) zurückgegriffen. Auch im Steuerrecht findet dies häufig Anwendung. Wenn aber die Pokertätigkeit als Glücksspiel einzuordnen ist, dann scheidet auch nach dem Verständnis des FG Köln für diese Tätigkeit die Annahme eines gewerblichen Unternehmens generell aus Über eine Einzelfallbeurteilung kann indes keine andere Definition des Glückspielbegriffs hergeleitet werden.

Eine derartige Vorgehensweise wäre auch mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Klarheit von Rechtsnormen zu stellen seien, nicht vereinbar. Rechtsnormen müssen von Verfassungs wegen vielmehr so klar sein, dass sie für Verwaltung und Gerichte (nach-)vollziehbar und ihre Anwendung für den Betroffenen vorhersehbar sind.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss eine Norm so bestimmt und klar sein, dass der Betroffene die Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Speziell im Bereich des Steuerrechts muss der Steuerpflichtige daher in der Lage sein, die auf ihn entfallende Steuerlast vorauszuberechnen. Außerdem dienen die Anforderungen an Bestimmtheit und Klarheit dazu, das Verhalten der Verwaltung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen, und die Gerichte in die Lage zu versetzen, dies zu kontrollieren. In Bezug auf die Besteuerung von Pokergewinnen ist daher zunächst allgemein auf das Spiel und nicht auf den Spieler abzustellen und die Anforderungen an Klarheit, Verständlichkeit, Praktikabilität und Justiziabilität zu erfüllen.

Gleichsam führt auch der BFH aus:

„Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung ist zu unterscheiden zwischen reinen Glücksspielen, die nicht oder nur in geringem Maße durch das besondere Geschick des jeweiligen Spielers beeinflusst werden können (so der Fall des FG Nürnberg in EFG 1979, 339), und solchen, die zwar auch von Zufällen bestimmt sind, bei denen aber ein begrenztes und überschaubares Verlustrisiko um des Entgelts Willen in Kauf genommen wird und bei denen über eine gewisse Dauer letztlich der gewinnt, der über die besseren Fähigkeiten verfügt."

Fest steht damit, dass es für die Beurteilung der Frage, ob ein steuerbarer Gewinn vorliegt oder nicht maßgeblich darauf ankommt, ob ein Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel vorliegt. Nur dann, wenn „über eine gewisse Dauer letztlich der gewinnt, der über die besseren Fähigkeiten verfügt", kommt eine Steuerpflicht überhaupt in Betracht.

Letzteres ist nicht neu, sondern durchzieht die finanzgerichtliche Rechtsprechung bereits seit jeher. Nachdem der RFH die Gewinne aus Rennwetten, die nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebes anfallen, als nicht unter eine der Einkunftsarten des EStG fallend angesehen hatte (RFH, Urteil vom 30.06.1927, VI A 261/27, zitiert nach Juris), hatte er in einem weiteren Urteil auch die Einkommenssteuerpflicht eines Spielers mit einem im Jahr 1925 erzielten, sehr beachtlichen Spielgewinn von 45.000,00 RM abgelehnt (RFH, Urteil vom 14.03.1928, VI A 783/27, RStBl. 1928, 181). Der RFH hat dabei ausgesprochen, dass entscheidend sei, dass die Einnahmen Entgelt für irgendeine Tätigkeit seien, dies aber für Spielgewinne schlussendlich verneint. Auch sonstige Einkünfte aus (damals) Tätigkeiten (jetzt Leistungen) hat der RFH in diesem Urteil ausdrücklich nicht als gegeben angesehen.

Mit Urteil vom 24.10.1969 hat der BFH Wettgewinne eines Trabrenntrainers als steuerfrei qualifiziert (BFH, Urteil vom 24.10.1969, IV R 139/68, DB 1970, 110).

Nach Ansicht des FG Nürnberg (FG Nürnberg, Urteil vom 17.01.1979, V 121/78 - Juris) stellt die ständige Beteiligung an Rennwetten für sich allein gesehen auch dann keine gewerbliche Tätigkeit dar, wenn der Steuerpflichtige die durch das Spiel erzielten Geldbeträge benötigt, um seinen Lebensunterhalt, seine sonstigen Ausgaben und seine Geldanlagen zu bestreiten. Auch der sogenannte berufsmäßige oder gewerbsmäßige Spieler betreibt mithin kein Gewerbe und keinen Beruf im einkommensteuerrechtlichen Sinne. Es handelt sich auch nicht um sonstige Einkünfte aus Leistungen, denn die Spielgewinne bei einem Glücksspiel stellen kein Entgelt für eine Gegenleistung dar. Für die Beantwortung der Frage, ob Pokergewinne, anders als Rennwett- und Lotteriegewinne, als steuerbares Einkommen qualifiziert werden können, kommt es daher - neben den allgemeinen Besteuerungsgrundlagen - entscheidend auf die Qualifikation des Spieles an. Nur dann, wenn das Pokerspiel ein Geschicklichkeits- und kein Glücksspiel wäre, könnten hieraus erzielte Gewinne einer Steuerpflicht unterliegen.

Für die Beurteilung der steuerrechtlichen Behandlung von Pokergewinnen stellt sich mithin die Frage, ob das Pokerspiel objektiv dazu geeignet sein kann, mit Gewinn zu arbeiten oder ob auf Dauer gesehen nachhaltig Verluste erwirtschaftet werden müssen, was bei einem Glücksspiel zwangsläufig der Fall wäre (so.). Insoweit führt das FG München in Bezug auf das Roulettespiel zutreffend aus (FG München, Urteil vom 17.01.1995, 12 K 89/92): „Für den Streitfall ergibt sich hierzu aus der Auskunft der Staatlichen Lotterieverwaltung, dass auf Dauer gesehen jeder Spieler sein Kapital nach exakt berechenbaren Prozentsätzen verringert. Ist somit davon auszugehen, dass sich beim regelmäßigen Spielen in einer Spielbank kein Totalüberschuss erreichen lässt, sind auch einzelne Gewinne nicht der Einkaufssphäre zuzuordnen." Daher kann es nicht darauf ankommen, ob der Kläger zeitweilig Gewinne erzielt hat, denn dass es zu (auch größeren) Gewinnanfällen kommen kann, ist dem Glücksspiel immanent; allein auf die durch den Kläger erwirtschafteten Gewinne abzustellen, geht mithin an der Sache vorbei (s.o.).

In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung findet sich bislang keine Entscheidung, die sich mit der Einordnung des Pokers beschäftigt. Es sind vielmehr die ordentliche, die verwaltungsrechtliche und die strafrechtliche Gerichtsbarkeit, die sich in der Vergangenheit mit der glückspielrechtlichen Einordnung des Pokers auseinandergesetzt haben. Die einheitliche Marschrichtung der deutschen Gerichtsbarkeit lautet dabei dahingehend, Poker grundsätzlich als Glücksspiel zu qualifizieren (vgl. bereits RG, Urteil des 1. Strafsenats vom 11.06.1906 - Rep. 1443/05, JW 1906, 789; OVG NW, Beschluss vom 10.06.2008, GewArch 2008, 407; HessVGH, Beschluss vom 07.08.2008, 8 B 552/08; OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.08.2009, 11 ME 67/09).

Diese Einordnung des Pokerspieles wird auch in der internationalen Gerichtsbarkeit nicht ernsthaft in Zweifel gezogen:

  • In dem Verfahren Commenwealth vs. Dent (Pennsylvania Superior Court, Decision of March 25, 2010, Commenwealth vs. Dent, Dkt. Mos. 167, 168, MDA 2009) befand der Pensylvania Superior Court Poker in der Variante Texas Hold'em als Glücksspiel ("Game of a Chance").
  • Der schwedische Obergerichtshof in Zivil- und Strafsachen "Högsta Domstolen" hat sich kürzlich zwar für eine differenzierte Sichtweise entschieden, dennoch klargestellt, dass Poker in der Cash Game-Variante als reines Glücksspiel zu qualifizieren sei (abrufbar unter: http://www.thelocal.se/33040/20110406).
  • Im Februar 2008 hatte sich auch der Court of Appeal of England in Wales mit der (straf-) rechtlichen Einordnung des Pokers zu befassen. In seiner Entscheidung „Regina and Kelly" (Case No. 2007/00990/C1/3, abrufbar unter: http:://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Crim/2008/137.html) qualifizierte das Gericht Poker als Glücksspiel.
  • Das Schweizer Bundesgericht entschied mit Urteil vom 20.05.2010 (Schweizer BG, Urteil vom 20.05.2010, BGE 2C_694/2009), dass Poker in der Schweiz gänzlich als Glücksspiel gelte. Nach Ansicht des BG überwiege das Glücksmoment insofern, da das Pokern im Wesentlichen durch die Verteilung der Karten und durch das auf nur beschränkten Kenntnissen (eigene und aufgedeckte Karten, allenfalls Blaff) beruhende Setzverhalten der Gegner, also durch kaum kontrollierbare, zufallsabhängige Faktoren bestimmt werde.

Auch unter Berücksichtigung der Literatur (beispielsweise in: MMR 2008, S. 439-444 sowie GewArch 2007, S. 402-404) ergibt sich nichts Gegenteiliges:

Zunächst muss beachtet werden, dass es sich bei dem Aufsatz von Prof. Holznagel aus dem Jahr 2008 um einen Aufsatz handelt, der hinsichtlich der Einordnung des Pokers als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel lediglich Vermutung anstellt, ohne diese auch nur im Ansatz zu begründen. Fest steht, dies stellt auch Holznagel nicht in Abrede, dass das RG bereits unter dem 11. Juni 1906 festgestellt hat, dass es sich bei Poker um ein Glücksspiel handelt. Die weiteren Ausführungen von Holznagel, insbesondere dazu, dass es sich gerade beim Turnierpoker um ein Geschicklichkeitsspiel handeln soll, sind nicht nachvollziehbar. Der Beitrag von Holznagel zeichnet sich vielmehr durch eine rein wissenschaftlich, theoretische Betrachtung aus, die viel davon zeugt, dass Prof. Holznagel - mögen seine wissenschaftlichen Fähigkeiten und Qualifikationen auch außer Frage stehen - in seinem Leben sicherlich niemals an einem Pokertisch gesessen oder an einem Pokerturnier teilgenommen hat. Soweit Holznagel zur Rechtfertigung seiner Einordnung des Turnierpokerns als Geschicklichkeitsspiel auf eine Entscheidung des österreichischen unabhängigen Finanzsenates vom 24.07.2007, UFSW, GZ RV/0369-W/02, verweist, sei darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung zwischenzeitlich durch die aktuellen Rechtsprechungsentwicklungen auch in Österreich als überholt gelten muss (vgl. Urteil des unabhängigen österreichischen Finanzsenates in der Rechtssache RV/0499-I/10 vom 11. Mai 2010). Der unabhängige österreichische Finanzsenat kommt zu der zutreffenden Wertung, dass auch das in Turnierform durchgeführte Kartenspiel Poker in der Spielvariante Texas Hold'em ein Glücksspiel darstellt.

In dem Urteil heißt es:

„Der UFS hat bereits in der Entscheidung vom 24. Juli 2007, Zl. RV/0369-W/02, ausgesprochen, dass Poker samt der Spielvariante Texas Hold'em Poker der Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 7 lit b GebG unterliegt, da es ein Glücksspiel ist. Erhebungen und Beweisaufnahmen wie Einholung von Gutachten (der Universität Trabant), teilnehmende Beobachtungen zur Glücksspieleigenschaft des Kartenpokerspieles wurden bereits in dem gleichgelagerten Fall, der dem Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. RV/0421-W/02, zu Grunde gelegen war, durchgeführt ist. [...] Anhand eines Demonstrationsspiels (bei diesem „Spiel" spielt die „Sorge" um Geld überhaupt keine Rolle) wird der Blick auf die Abhängigkeit der Ergebnisse des Spiels in keiner Weise irritiert oder verdunkelt, sondern es zeigt sich eindeutig, dass im Grunde genommen das Ergebnis des Spiels - wer die höchstwertigsten Karten in den Händen hat (= Gewinner) und wer nicht (= wer eben all seine Einsätze verloren hat, der oder die Verlierer) - vom Zufallen der Spielkarten beim Austeilungsvorgang abhängt. Dieser Mechanismus wird ganz vom Zufall regiert. Der Gewinn und Verlust hängen bei diesem Blick ausschließlich vom Zufall ab. Bemerkt wird, dass das Aufdecken der Spielkarten zum Wesen des Spiels gehört. Eine Spielabfolge, bei welcher nie aufgedeckt würde, würde dem Wesen eines Pokerspiels nicht entsprechen. Diesen Überraschungseffekt wollen sich die Spieler nicht entgehen lassen. „Der Zufall über unsere Wetten entscheiden". Dahin tendiert das Spielgeschehen. Kommt es zum Verlassen des Spiels und ein Spieler bleibt als „Gewinner" übrig, so ist das Abhängigseins des Gewinnens von taktischem Verhalten (Blüffen im Einzelfall kaum feststellbar und äußert sich bloß in einer statistischen Größe). Der Verlust beim Verlassen des Spiels ist eben in den überwiegenden Fällen von freien Willensentscheidung abhängig, die wieder in der überwiegenden Anzahl der Fälle vom zugeteilten ungünstigen Kartenblatt abhängen. In nur ganz wenigen Fällen kommt ein Blüff wirklich an und stellt eine Abhängigkeit her. In der Beobachtung und Analyse des Pokerspiels kann nicht herausgefunden werden, die Ergebnisse des Spieles, Gewinn und Verlust seien vorwiegend von Aufmerksamkeiten, Fähigkeiten und Kenntnissen abhängig. Beim Kartenpokerspiel dominieren die Zufallskomponenten, während dessen die vom Spieler einzusetzende Geschicklichkeit in Bezug auf das Spielergebnis Gewinn oder Verlust eine zu vernachlässigende Größe darstellt. Das Pokerspiel ist daher aus all den vorher aufgeführten Gründen als Glücksspiel zu werten. [...] Der Einwand, es sei bislang die Glücksspieleigenschaft der Spielvariante Texas Hold'em noch nicht höchstrichterlich geklärt und obiges VWGH-Erkenntnis stütze sich auf ein Gutachten, dass sich nicht hinreichend mit den Eigenheiten des Kartenpokerspiels auseinandergesetzt habe, ist insofern verfehlt, als der VWGH ausdrücklich auch über das Pokerspiel Texas Hold'em abgesprochen hat und insgesamt zu dem Ergebnis gelangte, dass das Gutachten hinreichend und schlüssig aufzeige, dass es sich (auch) bei diesem Spiel um ein vom Zufall abhängiges Glücksspiel handelt. [...] Die Pokermeisterschaften oder Turnierspiele mit ihrer „Spezialregel" stellen auf eine Periodenbetrachtung ab. Die Spieler gehen mit gleich hohem Spielkapital ins Spiel. Ausschlaggebend ist nicht der Spielausgang des einzelnen Spieles nach der Spielregel, sondern der Blick auf den Saldo, gebildet aus Gewinn abzgl. Einsätzen und Verlusten. Wer im Vergleich mit anderen Spielern den höchsten Saldo hat, ist Gewinner, sofern er nicht schon mit einem Minus ausgestiegen ist. Bei den Turnierspielen und Pokermeisterschaften handelt es sich um einen „Nebenschauplatz" zu den einzelnen Pokerspielen, die nach einer anderen Spielregel gewöhnlich im Casino abgeführt werden. Wenn der „Pokermeister" von seinem Gewinn spricht, dann ist dies etwas anderes, als der Gewinn beim einzelnen Spiel „im Alltag". Der ökonomische Gewinn des Pokermeisters, den er bei einem Turnier nach Durchführung mehrerer Spiele erzielt hat, ist auch nicht Gegenstand der Besteuerung. Wenn im Laufe von mehreren Spielen ein Spieler die Tendenz zu erkennen glaubt, dass durch Verhalten, Aktionen letztlich ein Gewinn zu erzielen sei, „so färbt diese Erkenntnis" nicht zwingend auf die Eigenschaft des einzelnen Spieles ab, d. h., dass dieses Spiel, betrachtet nach der Spielregel, im Blick auf den Gewinner und Verlierer zwingend ein Geschicklichkeitsspiel sei. Wenn die Berufung hervorbringt, aus der Spielregel ergebe sich, dass die teilnehmenden Spieler über ein hohes Maß an Einsicht verfügen, so stellt dies eine Behauptung dar, die nicht nachvollziehbar ist, denn ihr fehlt die nähere Ausführung dahingehend, wie ein hohes Maß an Einsicht im Einzelspiel einen Gewinn herbeiführen sollte. Die Aussage, dass derjenige den Pott gewinne, der die richtige „Winning Strategy" habe, mag eine dynamische Einstellung zum Spiel wiedergeben, entspricht aber nicht der Tatsächlichkeit eines Einzelspieles. Wem absolut die schlechtesten Karten zugefallen sind, der kann nicht in jedem Fall, und das Wiederholen durch Strategie und taktisches Verhalten den Gewinn trotzdem herbeiführen. Auch „Pokermeister" geben zu, an manchen Spielabenden keinen Gewinn zu machen. Auch sie trifft eine „Pechsträhne", ihr Geschick kann ihnen gegen die Zufälle (Kartenkombinationen) nicht helfen. Das entspricht der Kernaussage im Kurzlehrbuch „Österreichisches Strafrecht, besonderer Teil, I §§ 75-168 a StGB, 6. Aufl. RZ I zu § 168 StGB, von Christian Berthel und Klaus Schweighöfer: „Glücksspiele sind so gut wie alle Kartenspiele, weil auch gute Spieler mit „schlechten Karten" nicht gewinnen können. [...] Tatsache ist aber, dass beim Einzelspiel der Zufall (das Glück) weitaus dominierender ist. So wie beim Roulettespiel aufmerksame, über lange Zeit spielende, erfahrende Spieler eine Tendenz erkennen und auf eine gewisse Dauer einen Überschuss erzielen, so ist, was wohl unbestritten ist, beim Einzelspiel das aleatorische Element überwiegend. Gewisse Beeinflussungen des Spielergebnisses sind nicht zu bestreiten. Sie wirken sich aber nur in einer großen Zahl von Spielen aus und bekommen dann lediglich eine statistische Relevant. Bei einem schlechten Blatt, in Betrachtung des Einzelspiels, kann nur zur vernachlässigen Fällen ein Spieler durch Blüffen zu einem positiven Ergebnis, zu gewinnen, gelangen. [...] Die Kartenzuteilung ist Zufall im wahrsten Sinne des Wortes!!! Auch der erfahrene Spieler kann nicht den Spielausgang des einzelnen Spieles für sich „erzwingen". [...] Es finden sich keine Anhaltspunkte, wonach die Erkenntnis gewonnen werden könnte, beim einzelnen Pokerspiel würde es nur von der Erfahrung und von der Geschicklichkeit der Spieler abhängen, um einen Gewinn (d. h., ausschließlich der Gewinn, von Verlust in diesem Zusammenhang nie die Rede, hängt von der Geschicklichkeit ab) zu lukrieren."

Vorstehendes Urteil des unabhängigen österreichischen Finanzsenates zeigt eindeutig, dass die Schlussfolgerungen, die das FG Köln gezogen hat tatsächlich fehlerhaft sind. Auch und vor allem das Turnierpokerspiel ist Glücks- und nicht Geschicklichkeitsspiel. Dies wird schlussendlich auch durch die tatsächlichen Gegebenheiten belegt.

Vor allem bei größeren Turnieren steigen die sog. Blinds von Runde zu Runde kontinuierlich an; gleiches gilt für die Pflichteinsätze („Antes"). Das Ansteigen der Grund- und Pflichteinsätze „zwingt" den Spieler dazu, nicht zuzuwarten, bis er „gute Karten" ausgeteilt bekommt, sondern von Anfang an aktiv am Turniergeschehen teilzunehmen. Der Spieler läuft ansonsten Gefahr, allein durch die Grund- und Pflichteinsätze mit seinen Chips leerzulaufen, ohne auf das Spielgeschehen in irgendeiner Art und Weise überhaupt Einfluss genommen zu haben. Mithin ist auch der „geübte" Spieler in einer Turniersituation vorwiegend vom Glück abhängig, nämlich - dies belegt schlussendlich auch die vorzitierte Rechtsprechung des unabhängigen österreichischen Finanzsenates - von den ihm zugeteilten Händen. Auf diese hat auch der „geübte" oder „professionelle" Pokerspieler keinerlei Einfluss. Die Dominanz dieses Glückselementes ist selbst für den „Pokerlaien" evident.

Unabhängig von der allgemeinen Blind-Struktur eines Turnieres und den „persönlichen Fähigkeiten" eines Spielers geraten alle Turnierteilnehmer früher oder später in eine sog. Coin-Flip-Situation, die in einer Vielzahl von Turnieren die Entscheidung über Gewinn und / oder Verlust bestimmt. Da die Blinds steigen und die Zahl der Chips nicht unendlich ist, ist es praktisch unmöglich, dass sich ein Pokerspieler durch ein Pokerturnier „arbeitet", ohne je einen sog. Coin-Flip wagen zu müssen. Unter einem Coin-Flip versteht man - anders als die wörtliche Übersetzung nahelegt - nicht wirklich einen Münzwurf, sondern eine Situation, in der zwei Spieler „all in" sind und etwa gleich große Chancen auf den Gewinn des „Pott" haben.

In einer solchen Situation riskiert der Pokerspieler das Turnier (oder zumindest einen beträchtlichen Teil seines Stacks) bei einer Gewinnchance von max. 50 %. In dieser Situation von einem „Geschicklichkeitsspiel" zu sprechen erscheint vollkommen fernliegend.

So zeigen auch die Ergebnisse einer experimentell angelegten Studie (Sévigny, S., Ladouceur, R., Lalande, D. & Dufour, J., Internet poker: Could skill be a matter of chance? Poster presented at the 8th Annual NCRG Conference on Gambling and Addiction, Las Vegas (Nevada), 2007) den Einfluss des Faktors „Zufall" auf das Ergebnis beim Pokern im Internet (Variante „Texas Hold'em"). 1580 Versuchspersonen bildeten insgesamt zehn Gruppen von jeweils acht Spielern. Die Spieler verfügten über eine durchschnittliche Pokerspielerfahrung von 1,9 Jahren; im Mittel spielten sie 9,5 Partien im Monat (78 Männer, 2 Frauen; Durchschnittsalter: 26,2 Jahre). Als Anreiz für die Teilnahme wurden Preise für das Erreichen der ersten drei Plätze in Aussicht gestellt. Die im Vorfeld festgelegte Verteilung der Karten verfolgte den Zweck, dass über alle zehn Gruppen jeder Platz am virtuellen Pokertisch die gleichen Karten erhielt, wobei die Zuweisung zu den Plätzen nach dem Zufallsprinzip erfolgte. Dem Experiment lag die Annahme zugrunde, dass der Einfluss des Zufalls auf das Spielergebnis größer ist als besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse der Spieler, sofern der gleiche Platz in allen Gruppen den Gewinner bestimmt. Im Einzelnen zeigen die Ergebnisse, dass Spieler auf Platz 7 an allen zehn Tischen einen der ersten drei Plätze erreichten und in 50 % der Fälle den Tisch sogar als Sieger verließen. Dagegen verloren Spieler, die auf den Plätzen 1 und 8 saßen, ohne Ausnahme. Die Prognose, dass sich der Gewinner auf den Plätzen 2, 3, 5 oder 7 befindet, wäre in 90% der Fälle korrekt gewesen. Auch diese Befunde sind Beleg für den maßgeblichen Einfluss des Zufallsfaktors auf das Pokerspielergebnis.

Die in letzter Konsequenz zur Negierung der Steuerbarkeit führende Glücksspieleigenschaft des Pokerns zeigt sich nicht zuletzt auch an den aktuellen Bestrebungen zur Neuregulierung des staatlichen Glücksspielwesens.

Hieran ändert auch der Umstand, dass über Poker medial berichtet und suggeriert wird, dass hier Einflussmöglichkeiten bestünden, nichts. Hintergrund der fehlerhaften Annahme eines Geschicklichkeitsspiels ist die Verkennung psychologischer Grundperspektiven. Gerade im Zusammenhang mit Glücksspielen, wie dem Pokern, muss darauf hingewiesen werden, dass vor allem der partielle Einfluss individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten auf den Spielausgang Vorschub für die Entwicklung kognitiver Verzerrungsmuster leistet. Ein prägnantes Beispiel für eine verzerrte Realitätswahrnehmung wird in Anlehnung an Langer als Kontrollillusion bezeichnet (Langer, E.J., The illusion of control, Journal of Personality and Social Psychology, 1975, 32, 311-328). Dieses allgemeinpsychologische Phänomen geht mit einer Überschätzung der eigenen Einflussnahme auf das Spielgeschehen bei gleichzeitiger Unterschätzung der Wirkung von unberechenbaren Zufallsprozessen einher. Bestimmte Rahmenbedingungen, wie die aktive Einbeziehung des Spielers in den Spielablauf, bestehende Handlungsoptionen oder das Vorliegen einer Wettbewerbssituation erhöhen die Empfänglichkeit für derartige fehlerbehaftete Urteile.

Weiterhin exemplarisch zu nennen sind Unterschiede in der Attribution von Gewinn- und Verlustsituationen: Während Erfolgserlebnisse eher auf die eigenen Kompetenzen zurückgeführt werden (z. B. „Ich wusste einfach, dass das Blatt meines Gegners schwächer war!"), dienen externale, nicht-beeinflussbare Faktoren als Erklärungsansätze für Niederlagen (z. B. „Mit diesen Karten hätte der Andere doch vorher aussteigen müssen!"). Gemäß den Gesetzen der operanten Konditionierung verfestigt die punktuelle Bestätigung individueller Handlungsstrategien das Vertrauen in das eigene Talent. Flexible Attributionsmuster erlauben es somit zum einen, am (Irr-)Glauben des maßgeblichen Einflusses strategischen Handelns festzuhalten; zum anderen lassen sich Verluste in einfacher Weise wegdiskutieren bzw. bagatellisieren und a posteriori unzählige Argumente anführen, warum bestimmte Spielausgänge eigentlich hätten antizipiert werden müssen.

Medial vermittelte Botschaften nach dem Motto „Spielend reich werden mit ein wenig Übung" oder die begleitenden Expertenkommentare bei Poker-Übertragungen im Fernsehen mögen den Eindruck, dass der Kompetenzanteil hauptverantwortlich für den Spielausgang bzw. das Zufallsmoment überwiegend zu vernachlässigen sei, verstärken, ändern aber an den tatsächlichen Gegebenheiten nichts. Generell verdeutlichen die vorgestellten Muster an Urteilsfehlern bzw. Urteilsverzerrungen vielmehr, dass das Bild eines ausschließlich rational handelnden Subjektes, das seine spieltaktischen Entscheidungen über sachgerechte Informationsbeschaffung und -verarbeitung deutlich verbessert, wesentliche kognitive, emotionale und motivationale Determinanten menschlichen Erlebens und Handelns verkennt. Hoffnungen, Ängste, Wunschvorstellungen und Aversionen beeinflussen das rationale, faktenbasierte Einschätzen relevanter Daten auf jeder Stufe der Informationsverarbeitung, was nicht zuletzt bei den komplexen Entscheidungsprozessen im Rahmen eines Pokerspiels zum Tragen kommt.

Vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse kann  daher nicht angenommen werden, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Spielausgang durch strategische Überlegungen oder elementare psychologische Variablen (z.B. das Trainieren der Aufmerksamkeitsfähigkeit oder der Emotionskontrolle) ausreichen, um das Pokerspiel als Geschicklichkeitsspiel zu qualifizieren.

In diesem Zusammenhang sei schließlich der Verweis auf das Internetportal www.spass-statt-sucht.de. Dieses Portal ist das Informationsmedium des bundesweiten Aktionstags "Glückspielsucht". Auch hier wird die Glücksspieleigenschaft des Pokerns ausdrücklich und wissenschaftlich bestätigt belegt. Wie das FG Köln vor diesem Hintergrund dennoch zu einer anderen Beurteilung kommen kann, erschließt sich nicht. Jedenfalls hätte die Frage, ob das Spiel des Klägers geeignet ist, nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften, aufgrund der objektiv dagegen sprechenden Umstände und Erkenntnisse und auf Grund der dem Gericht offensichtlich fehlenden eigenen Sachkunde,  nach pflichtgemäßem Ermessen über ein Sachverständigengutachten geklärt werden müssen (vgl. BFH, Beschluss v. 5.5.2004, VIII B 107/03, BFH/NV 2004, 1533 m. w. N.).

III. Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht

Nach Ansicht des Finanzgerichts habe der Kläger darüber hinaus mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Auch insoweit überzeugen die Ausführungen des erkennenden Senates nicht.

Die Gewinnerzielungsabsicht ist als innere Tatsache nur anhand äußerlicher Umstände zu beurteilen (vgl. BFH, Urt. v. 12.6.1978, GrS 1/77, BStBl II 1978, 620; BFH Urt. v. 24.2.1999, X R 106/95, BFH/NV 1999, 1081; BFH, Urt.  v. 31.7.2002, X R 48/99, BFH/NV 2003, 542, BStBl II 2003, 282).  Ein wesentliches Beweisanzeichen für bzw. gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht ist dabei, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und auf die Dauer geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten. Auch hier ergeben sich erhebliche Zweifel an den Feststellungen des erkennenden Senats, der - unter alleiniger Berücksichtigung einer Aufstellung von Turnierteilnahmen die mit „Gewinnen" endeten - von einem Totalgewinn des Klägers ausgeht.

Für die Beurteilung der steuerrechtlichen Behandlung von Pokergewinnen stellt sich zudem und bezogen auf das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht ebenso die Frage, ob das Pokerspiel objektiv dazu geeignet sein kann, mit Gewinn zu arbeiten oder ob auf Dauer gesehen nachhaltig Verluste erwirtschaftet werden müssen, was bei einem Glücksspiel zwangsläufig der Fall wäre. Insoweit führt das FG München in Bezug auf das Roulettespiel zutreffend aus (FG München, Urteil vom 17.01.1995, 12 K 89/92): „Für den Streitfall ergibt sich hierzu aus der Auskunft der Staatlichen Lotterieverwaltung, dass auf Dauer gesehen jeder Spieler sein Kapital nach exakt berechenbaren Prozentsätzen verringert. Ist somit davon auszugehen, dass sich beim regelmäßigen Spielen in einer Spielbank kein Totalüberschuss erreichen lässt, sind auch einzelne Gewinne nicht der Einkaufssphäre zuzuordnen." Daher kann es nicht darauf ankommen, ob der Kläger zeitwillig Gewinne erzielt hat, denn dass es zu (auch größeren) Gewinnanfällen kommen kann, ist dem Glücksspiel immanent; allein auf die durch den Kläger erwirtschafteten Gewinne abzustellen, geht mithin an der Sache vorbei.

IV. Verfassungsrechtliche Erwägungen

1. Verbotene Rückwirkung

Das Gericht führt aus, an der festgestellten Gewerblichkeit der Turnierpokertätigkeit des Klägers ändere auch das Schreiben des Finanzamtes „D" (gemeint ist das Finanzamt Bergisch Galdbach) vom 24.11.2006 nichts, in dem das Finanzamt einen Gewinn des Klägers von 63.600 $ nicht als einkommensteuerpflichtig einstuft. Zwar mag es grundsätzlich zutreffen, wenn das Gericht sich an eine einzelnen Wertung durch ein Finanzamt nicht gebunden fühlt,  gleichwohl verkennt der Senat, dass es sich bei dieser Ansicht nicht etwa um einen Einzelfall, sondern die - jedenfalls bis Ende 2008 - bundeseinheitliche Verwaltungspraxis sämtlicher deutscher Finanzämter handelt. Nach der bis dahin einhelligen Ansicht stellten Pokergewinne als Glücksspielgewinne keine steuerbaren Einkünfte dar. Von dieser Verwaltungspraxis soll jedoch nunmehr (rückwirkend) zu Lasten des Klägers und aller anderen deutschen Pokerspieler abgewichen und auch Gewinne aus den Veranlagungszeiträumen vor 2009 der Steuer unterworfen werden.

Ein solches Vorgehen erscheint auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen und unter Berücksichtigung der Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. hierzu BVerfGE 45, 142, 167 f.) unvertretbar. Beide Prinzipien schützen das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (vgl. BVerfGE 101, 239, 262). Wenn die Verwaltung die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies  einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte durch die Verwaltung „ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142, 167 f.; 63, 343, 356 f.; 72, 200, 242; 97, 67, 78 f.). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde Einzelne in ihrer Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten. Sofern die Auslegung einer Steuerrechtsnorm (hier § 15 EstG) nach diesen Grundsätzen über den Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum Rückwirkung entfaltet, müssen für deren Vereinbarkeit mit der Verfassung gesteigerte Anforderungen gelten und muss dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung getragen werden. Soweit daher an zurückliegende Sachverhalte innerhalb nicht abgeschlossener Veranlagungszeiträume angeknüpft wird, ist dies mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn es zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht der die Änderung einer bestehenden Verwaltungspraxis rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Steuerpflichtige müssen in diesem Sinne grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass die zum Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses eines steuerrelevanten Geschäftsvorgangs geltende Steuerrechtslage nicht ohne hinreichend gewichtigen Rechtfertigungsgrund rückwirkend geändert wird. Andernfalls wäre das Vertrauen in die Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit der Rechtsordnung als Garanten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ernsthaft gefährdet (vgl. BVerfGE 109, 133, 180; 126, 369, 393; 127, 1, 16). Das Anliegen, die notwendige Flexibilität der Rechtsordnung zu wahren, zielt insoweit allein auf künftige Rechtsänderungen und relativiert nicht ohne Weiteres die Verlässlichkeit der Rechtsordnung innerhalb eines zurückliegenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums.

Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Absatz II GG ist zwar im Steuerrecht nicht (entsprechend) anwendbar (BVerfGE 7, 89, 95); da jedoch Abgabengesetze vom Staatsbürger Geldleistungen fordern, wenn er bestimmte Tatbestände verwirklicht, orientiert er sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen an den jeweils geltenden Steuergesetzen und ihrer Handhabung durch die Verwaltung. Er muss daher darauf vertrauen dürfen, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. Soweit Steuertatbestände an Handlungen anknüpfen, muss also die Rechtsfolge bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich vorgesehen und durch die Finanzverwaltung angewandt worden sein. Durch die Nichtbeachtung der bisherigen bundeseinheitlichen Verwaltungspraxis greift der erkennende Senat des FG Köln mithin nicht nur (rückwirkend) in Dispositionen des Klägers ein, sondern verstößt zusätzlich auch gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtssicherheit. Dieses Gebot enthält als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Absatz III GG ein objektives Element und verlangt eine gewisse Rechtsbeständigkeit, Berechenbarkeit und die Verlässlichkeit der geltenden Rechtsordnung. In seinem Vertrauen auf die bestehende Rechtsordnung verdient der Bürger deshalb gegen den rückwirkenden Wegfall einer Steuervergünstigung (hier der Steuerfreiheit) den gleichen Schutz wie gegen die rückwirkende Belastung mit einem neu begründeten Steueranspruch. Dies muss dabei auch für die Aufhebung von „Freiräumen" gelten.

2. Einheitlichkeit der Rechtsordnung

„Das Rechtsstaatsprinzip und die bundesstaatliche Kompetenzordnung verpflichten alle rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht auf Grund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird" (BVerfGE 98, 83).

Dieser Topos wird gemeinhin als Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung bezeichnet. Auch in diesem Zusammenhang erweist sich das Urteil aus Köln als bedenklich.

Auch wenn sich zunächst hören lässt, dass dem Straf- und Ordnungsrecht und dem Steuerrecht unterschiedliche Eingriffsschwellen in denselben Lebenssachverhalt nicht unbekannt sind, kann nicht ohne ausdrückliche Klarstellung des Gesetzgebers unterstellt werden, dass er unter steuerlicher Betrachtung das Pokerspiel dem Glücksspielbegriff entziehen wollte und mithin das straf- und ordnungsrechtlichen Begriffsverständnis für die steuerrechtliche Entscheidung gänzlich unerheblich ist. Gegen einen in diesem Sinne rein steuerrechtlichen Glücksspielbegriff spricht vor allem das aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung folgende Gebot der Konsistenz und Kohärenz: Auch das Steuerrecht kann sich grundsätzlich nicht vollständig von den ungeschriebenen sozialen Regeln, Konventionen und Erwartungen der Gesellschaft lösen. Um ein derartiges - für den Laien schwer verständliches und vom Gesetzgeber nicht gewolltes - Ergebnis einer „Normspaltung" bei zivil-, straf-, ordnungs- und steuerrechtlichen Vorschriften zu vermeiden, müssen bei der Interpretation von Steuernormen (hier § 15 EStG) daher die allgemeine Auslegungsregelung im Interesse der „Einheit der Rechtsordnung" auch im Steuerrecht angewendet werden. Entfaltet Richterrecht auch keine normative Wirkung, so wird im Lichte der Vielzahl möglicher Auslegungs- und Rechtsfortbildungsergebnisse in diesem Sinne doch das Postulat der Rechtssicherheit virulent. Rechtssicherheit gründet in einem erheblichen Maße auf einer einheitlichen Rechtsprechung. Entsprechend verpflichtet Art. 3 Abs. 1 GG die Gerichte allgemein, die Gesetze gleich auszulegen und anzuwenden. Dem korrespondierend orientiert sich auch der Bürger an Urteilen; für ihn sind Präjudizien Planungsgrundlage. Die Einheit der Rechtsordnung gebietet daher, die unterschiedlichen Glücksspielbegriffe der einzelnen Rechtsgebiete aufeinander abzustimmen. Dies verkennt das FG Köln und schafft den Typus eines geschickten Glücksspielers, ohne auch nur im Ansatz darzulegen, worauf diese Annahme beruht. Damit aber greift das Gericht vornehmlich die Werbeaussagen der Glücksspielindustrie auf und konterkariert gleichsam das gesamtgesellschaftliche Ziel einer kohärenten und an den Zielen der Suchtvorbeugung orientierten Glückspielpolitik.

C. Gesamtbetrachtung

Auch in der eingehenderen Betrachtung stellt sich das Urteil des FG Köln in der Causa Scharf daher als mit gravierenden Rechtsmängeln behaftet dar. Die zahlreichen - ins Blaue hinein - getroffenen Feststellungen des Gerichts, das ganz offensichtlich nicht über eigene Sachkenntnis in Bezug auf das Pokerspiel verfügt, deuten auf eine mangelhafte bzw. fehlerhafte Sachverhaltsermittlung hin. Dies wird es dem Bundesfinanzhof hoffentlich leicht machen, das Urteil auf die Revision hin zu korrigieren. Poker ist Glückspiel, ganz gleich wer es spielt. So ist es manchmal (leider) auch vor Gericht. Solange und soweit der Gesetzgeber die Kehrtwende des Pokers vom Glücks- zum Geschicklichkeitsspiel jedoch nicht vollzogen und die Literatur diese auch nicht mit letzter Sicherheit belegt hat, muss Poker daher auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten als Glücksspiel qualifiziert werden.

Dr. Robert Kazemi

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