30
Mär 2016

Wann hafte ich für die Inhalte fremder und verlinkter Webseiten?

Der Hinweis „jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung von Links oder dem Vertrauen auf deren Richtigkeit ist ausgeschlossen“  kann zwischenzeitlich – in den verschiedensten Ausprägungen – als Standard angesehen werden. Über ihn suchen Webseitenbetreiber doch der Verantwortung für Hyperlinks auf fremde Internetangebote zu entledigen. Ganz aus dem Schneider ist man jedoch auch im Rahmen der Nutzung des Hinweises nicht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) im Rahmen einer aktuellen Entscheidung (BGH, Urt. v. 18.06.2015, I ZR 74/14) noch einmal deutlich hervorhebt.

So stellt der I. Zivilsenat zunächst heraus, dass auch das bloße Setzen eines Hyperlinks eine geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellen könne, soweit „die fremde Internetseite für den eigenen werblichen Auftritt genutzt“ wird. Konkret hatte ein Facharzt für Orthopädie auf seiner Internetseite unter der Überschrift "Implantat-Akupunktur" für eine Behandlung, bei der dem Patienten im Bereich der Ohrmuschel winzige Nadeln subkutan implantiert werden, geworben. Am Ende des Textes befand sich für "weitere Informationen auch über die Studienlage" ein elektronischer Verweis (Link) zur Startseite des Internetauftritts des Forschungsverbands Implantat-Akupunktur e.V. Im Rahmen des dortigen Angebotes fanden sich – jedenfalls nach Ansicht des klagenden Verbraucherverbandes – irreführende Angaben, die sich der Arzt zurechnen lassen müsse. Der BGH bestätigt hier zunächst, die grundsätzliche Möglichkeit einer derartigen Haftung für fremde Internetangebote und hebt hervor, dass sich der geschilderte Fall von den Sachverhalten, in denen Online-Medien zur Erläuterung redaktioneller Beiträge elektronische Verweise setzen, die allein der Information und Meinungsbildung ihrer Nutzer dienen sollen, erheblich unterscheide. Dennoch sei eine Haftung für den Inhalt der verlinkten Internetseite im konkreten Fall nicht gegeben.

In den Gründen heißt es hierzu:

„Wer sich die fremden Informationen zu Eigen macht, auf die er mit Hilfe eines Hyperlinks verweist, haftet dafür wie für eigene Informationen (vgl. BGH, GRUR 2008, 534 Rn. 20 ueber18.de). Maßgeblich für die Frage, ob sich der Unternehmer mit seinem eigenen Internetauftritt verlinkte Inhalte zu Eigen macht, ist die objektive Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 I ZR 166/07, GRUR 2010, 616 Rn. 23 = WRP 2010, 922 marions-kochbuch.de). Darüber hinaus kann derjenige, der seinen Internetauftritt durch einen elektronischen Verweis mit wettbewerbswidrigen Inhalten auf den Internetseiten eines Dritten verknüpft, im Fall der Verletzung absoluter Rechte als Störer und im Fall der Verletzung sonstiger wettbewerbsrechtlich geschützter Interessen aufgrund der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Anspruch genommen werden, wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat.

Danach begründet auch eine als geschäftliche Handlung zu qualifizierende Linksetzung als solche noch keine Haftung für die verlinkten Inhalte. Das Setzen eines Links kann eine geschäftliche Handlung darstellen, ohne dass dadurch eine wettbewerbsrechtliche Haftung desjenigen begründet wird, der den Link gesetzt hat. […]

Der Beklagte hat sich die unter der Internetseite " .de" hinter-legten Inhalte nicht in einer Weise zu Eigen gemacht, dass der Verkehr sie ihm zurechnet. Der elektronische Verweis ist nicht wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells des Beklagten. Über ihn sind auch keine Inhalte zugänglich, in denen offen oder versteckt für die Produkte des Beklagten geworben wird. Der Link dient ferner weder zu einer Vervollständigung des eigenen Behandlungsangebots des Beklagten, noch ist er so in einen redaktionellen Beitrag auf der Internetseite des Beklagten eingebettet, dass er für das weitergehende Verständnis dort geäußerter Meinungen oder Ansichten erkennbar von Bedeutung und dadurch Bestandteil der vom Beklagten auf seiner Internetseite bereitgestellten Inhalte geworden ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang maßgebliche Bedeutung dem Umstand beigemessen, dass es sich bei dem vom Beklagten gesetzten elektronischen Verweis nicht um einen sogenannten Deeplink handelt, der direkt zu allen oder einzelnen der vom Kläger beanstandeten Aussagen führt, sondern lediglich um einen Link zu der als solcher unbedenklichen Startseite des als Forschungsverband bezeichneten Vereins Implantat-Akupunktur e.V.. Die beanstandeten Inhalte werden dem Internetnutzer also nicht schon durch einfaches Klicken auf den vom Beklagten bereitgestellten Link zugänglich, sondern erst durch weiteres unabhängiges und vom Beklagten nicht gelenktes Navigieren innerhalb des Internetauftritts " .de". Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, entspricht der Link im Streitfall somit einem Hinweis auf weiterführende Literatur am Ende eines Aufsatzes oder Beitrags, über den sich der interessierte Internetnutzer zusätzliche Informationsquellen zu einem bestimmten Thema selbständig erschließen kann.“

Festzuhalten bleibt damit zunächst, dass eine Haftung für die Inhalte verlinkter Internetseiten in der Regel nur bei einen „Zueigenmachen“ angenommen werden kann. Ein solches ist umso wahrscheinlicher, je konkreter die jeweilige Linksetzung erfolgt. So wird der Linksetzende im Rahmen eines allgemeinen Links auf ein Internetangebot in der Regel nicht verpflichtet, das gesamte Angebot auf seine rechtliche Zulässigkeit hin zu überprüfen, etwas anderes könnte sich jedoch im Rahmen des Setzens eines sog. Deeplinks ergeben.

Weiter führt der BGH aus, könne sich eine Rechtspflicht zur Prüfung des fremden Internetinhaltes aus dem Gesamtzusammenhang, „in dem der Hyperlink verwendet wird, dem Zweck des Hyperlinks sowie danach, welche Kenntnis der den Link Setzende von Umständen hat, die dafür sprechen, dass die Webseite oder der Internetauftritt, auf die der Link verweist, rechtswidrigem Handeln dienen, und welche Möglichkeiten er hat, die Rechtswidrigkeit dieses Handelns in zumutbarer Weise zu erkennen, ergeben. Auch dann, wenn beim Setzen des Hyperlinks keine Prüfungspflicht verletzt wird, kann eine Haftung begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrechterhalten bleibt, obwohl eine nunmehr zumutbare Prüfung, etwa nach einer Abmahnung oder Klageerhebung, ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird.

Wenn Hyperlinks nur den Zugang zu ohnehin allgemein zugänglichen Quellen erleichtern, dürfen allerdings im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) an die nach den Umständen erforderliche Prüfung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im Internet ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien weitgehend eingeschränkt wäre (vgl. BGHZ 158, 343, 352 f. Schöner Wetten).

Zwar gilt für das Setzen eines Hyperlinks bei der Werbung für eigene Waren oder Dienstleistungen nicht die Privilegierung des § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG, wonach Diensteanbieter nicht verpflichtet sind, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten, so dass ihnen grundsätzlich nicht zuzumuten ist, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Der im Internet tätige Unternehmer wird nicht dadurch zum Anbieter von Telediensten, dass er bei der Werbung für seinen Geschäftsbetrieb einen Hyperlink setzt. Allerdings sind Hyperlinks aus der Sicht der Internetnutzer unerlässlich, um die unübersehbare Informationsflut im Internet zu erschließen. Es ist daher gerechtfertigt, regelmäßig auch für einen Unternehmer eine proaktive Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihm verlinkten Inhalte zu verneinen.

Sofern ein rechtsverletzender Inhalt der verlinkten Internetseite nicht deutlich erkennbar ist, haftet derjenige, der den Link setzt, für solche Inhalte grundsätzlich erst, wenn er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte selbst oder durch Dritte Kenntnis erlangt.“

Eine Haftung für einen gesetzten Link setzt deshalb voraus, dass der Linksetzende - etwa durch einen Hinweis Dritter - Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten erhält, die über diesen Link erreichbar waren. Dabei reicht indes der bloße Hinweis, es muss sich nicht um eine offensichtliche Rechtsverletzung handeln. „Es ist deshalb sachgerecht, das Risiko der rechtlichen Beurteilung, ob eine beanstandete Äußerung auf dem durch den Link erreichbaren Internetauftritt tatsächlich rechtswidrig ist oder nicht, demjenigen zuzuordnen, der den Link setzt. Dadurch werden die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen Dritter angemessen gegen die Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Internet durch Hyperlinks geschützt.

Der Unternehmer, der den Hyperlink setzt, ist also bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der verlinkten Internetseite zur Prüfung verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, ob die Rechtsverletzung klar erkennbar ist.

Praxishinweis:

Für die Praxis bedeutet dies, dass das Setzen von Hyperlinks weiterhin grundsätzlich zulässig ist. Der Linksetzer muss –  jedenfalls im Rahmen einer Linksetzung auf ein allgemein zugängliches Drittangebot – zunächst nicht in eine tiefgreifende Prüfung der Rechtsmäßigkeit der dortigen Inhalte einsteigen. Wird er jedoch von Dritter Seite auf vermeintlich rechtswidrige Inhalte im verlinkten Drittangebot hingewiesen, so ist er verpflichtet, die Inhalte auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Tut er dies nicht oder fehlerhaft, so haftet er für die Drittinhalte wie für das eigene Webangebot. Wer mit Hinweisen auf vermeintlich rechtswidrige Inhalte verlinkter Internetseiten konfrontiert wird, tut daher gut daran, die Links einfach zu entfernen.

Dr. Robert Kazemi

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