VG Würzburg: Internetpranger für die Gastronomie teilweise rechtswidrig
Nach § 40 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFBG) sind die Behörde gehalten die Öffentlichkeit bei Verstößen gegen die Bestimmungen des Gesetzes unter Nennung des Namens oder Firma desjenigen bei dem ein Verstoß festgestellt wurde, zu informieren. Wie diese Information genau erfolgen soll, sagt das Gesetz nicht. Gleichwohl haben die zuständigen Behörden im gesamten Bundesgebiet das Internet als geeignete Informationsquelle endeckt und veröffentlichen seit geraumer Zeit fleißig festgestellte Hygienemängel. Jedenfalls in der Gastronmie hat sich hierfür die Bezeichung "Internet Pranger" eingebürgert; verständlich, dass sich die betroffenen Gastronomen hiergegen zur Wehr setzen. Ein Gastronom aus Bayern hatte nunmehr Erfolg (Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 12.12.2012, AZ. W 6 E 12.99.
Hintergründe:
Den Verbraucherschutz vor Augen haben zahlreiche Gemeinden im gesamten Bundesgebiet Informationsportale geschaffen, die den Konsumenten darüber informieren sollen, wie es mit der Hygiene in seinem Lieblingsrestaurant steht. Der Hygiene Pass oder dar NRW-Smiley geben darüber Auskunft, ob ein Betrieb bei den regelmäßigen amtlichen Betriebskontrollen gut oder sehr gut abgeschnitten hat. Andere Gemeinden gehen dabei sogar noch einen Schritt weiter und veröffentlichen neben diesen Positiv-Listen auch Negativ-Testate, so beispielsweise einige Berliner Bezirke. Verständlich, dass gerade die Negativ-Testate für erheblichen Unmut bei den Betroffenen sorgen. Gerichtsverfahren sind daher seit einigen Jahren an der Tagesordnung. So wurde dem Bezirk Berlin Tempelhof-Schöneberg unter dem 28.11.2012 (Az. 14 K 79.12) durch das Verwaltungsgericht (VG) Berlin beispielsweise untersagt, die die Bewertung von Gaststätten in der im Internet geführten „Liste der kontrollierten Gaststätten und Schankwirtschaften" aufrechtzuerhalten. Der Gastronom müsse - so die Berliner Richter - die mit einer schlechten Beurteilung (hier: "zufriedenstellend") verbundene Prangerwirkung nicht hinnehmen. Für eine Bewertung von Gaststätten in dieser Form fehle die erforderliche gesetzliche Grundlage. Jedenfalls dürften aber nur Informationen über festgestellte Verstöße veröffentlicht werde, nicht bloße „Zensuren". Ende 2012 hat auch das VG Karlsruhe (VG Karlsruhe Beschluß vom 7.11.2012, 2 K 2430/12) der Klage eines Gastronomen gegen eine auf § 40 LFGB gestützte Veröffentlichung seines Namens im Zusammenhang mit festgestelten generellen Hygienemängel in seiner Gaststätte stattgegegeben.
In diese Richtung tendiert nun auch das VG Würzburg in seiner vorliegenden Entscheidung.
Der Fall:
Die Lebensmittelüberwachung des Antragsgegners nahm am 6. November 2012 eine planmäßige Routinekontrolle des Betriebes des Antragstellers (Speisegaststätte) vor. Der Antragsgegner stellte - zusammengefasst - folgende Mängel fest: Die Salatette und die Kühlung gegenüber der Spüle seien unzureichend sauber gereinigt. Salatdressing sei am Vortag nicht in sauberes Geschirr umgeleert worden. Teile des Salats seien überlagert und wertgemindert. Eis in der Eistruhe sei nicht abgedeckt. Die Eistruhe sei verunreinigt gewesen. Der Fliesenbereich um das Fenster habe deutliche Ablagerungen von Staub gezeigt. Ein Regal sei verschmutzt gewesen. Unter der Spüle seien verschiedene Töpfe gelagert; sowohl Töpfe und Deckel, aber auch das gesamte Regal seien stark verunreinigt gewesen. Die Ablagefläche der Bratpfannen sei stark verschmutzt gewesen. Bei der Überprüfung der Pfannen seien in verschiedenen Pfannen Altfett und Wasserrückstände vorgefunden worden. Im Regal mit verschiedenen Gewürzen und anderen Zutaten sei eine Wollsocke vorgefunden worden. Für das Handwaschbecken seien keine Mittel zum hygienischen Trocknen der Hände vorhanden gewesen. Am Ventilatorengitter seien Schimmelflusen vorgefunden worden. An einem Thermometer seien Staubanhaftungen gewesen. Im Küchenkühlraum seien verschiedene leicht verderbliche Lebensmittel (Fleisch, fertige Produkte) gelagert worden. Gleichzeitig hätten Obst und Gemüse in Kartons gelagert. Verschiedene Eimer mit vorgekochten Produkten hätten direkt auf dem Kühlraumboden gelagert. Verdorbene, und damit nicht sichere Lebensmittel seien im Kühlraum vorrätig gehalten worden. [...] DasDiese Festellungen solten auf der Internetplattform des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit folgendem Text veröffentlicht werden:
„Einstellende Behörde: Landratsamt ...
Datum der Betriebskontrolle: 06.11.2012
Beanstandungen:
Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel, Inverkehrbringen von nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln
Betrieb: ...Grund der Beanstandungen:
1. Mängel in der Betriebshygiene:
Kühlraum: Gemeinsame Lagerung von verdorbenen Lebensmitteln mit anderen zum Verzehr geeigneten, leicht verderblichen Lebensmitteln, Lagerung von offenen Behältnissen mit vorgekochten Lebensmitteln direkt
auf dem Fußboden, unsachgemäße Lagerung von Frischfleisch im Fleischsaft in geöffneten Vakuumverpackungen,
- Küche: Verschmutzte Speisetruhe, Lagerung von betriebsfremden Gegenständen (Wollsocke im Gewürzregal), altverunreinigte Töpfe und Pfannen
2. Vorrätighalten von nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln (verschimmelte Himbeersauce, sauere Nudeln und Pilzgerichte).Bemerkung: Die Mängel waren am 09.11.2012 beseitigt."
Hiergegen wendet sich der Antragsteller.
Die Entscheidung:
Der Antragsgegner hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht; Letzterer wird auch vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt. Es liegt auf der Hand, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für den Antragsteller ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
[...] Der Antragsteller hat auch [..] einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.Die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der als alleinige Rechtsgrundlage hier in Betracht kommt, sind gegeben.[...] Der durch die beabsichtigte Veröffentlichung des Antragsgegners möglicherweise hervorgerufene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ist hier nach derzeitiger Lage der Dinge rechtswidrig.[...]
Angesicht der schwerwiegenden Folgen einer Veröffentlichung überwiegt das Interesse des Antragstellers an einer vorläufigen Untersagung der Internetveröffentlichung bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage lässt sich das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB nicht zweifelsfrei feststellen. Das Gericht hat zwar keine Zweifel, dass im Betrieb des Antragsgegners gegen Vorschriften des Lebensmittelrechts verstoßen wurde. Offen und im vorliegenden Eilverfahren letztlich nicht zu klären, ist jedoch der konkrete Umfang und das Ausmaß der Verstöße, gerade der Verstöße, die im Rahmen des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB relevant sind. Hinzu kommt, dass zahlreiche Verstöße sowie die näheren Umstände zwischen den Beteiligten streitig sind, ohne dass sich dies im summarischen Verfahren zweifelsfrei aufklären ließe. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB trägt der Antragsgegner.
Über das Vorstehende hinaus und vor allem bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken gegen den Inhalt der vom Antragsgegner angekündigten Veröffentlichung im Internet. Denn § 40 Abs. 1a LFGB befugt bei summarischer Prüfung nur zur Nennung von konkret zu bezeichnenden Lebensmitteln bzw. einer Gruppe von Lebensmitteln, auf die sich der hinreichend begründete Verdacht bezieht, dass gegen sonstige Vorschriften des Lebensmittelrechts in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde und insoweit ein Bußgeld von mindestens 350,00 EUR zu erwarten ist. Zwingende gesetzliche Voraussetzung für eine Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB ist die Nennung des Lebensmittels oder einer Gruppe von Lebensmitteln, bei denen gegen sonstige Vorschriften des Lebensmittelrechts verstoßen wurde. § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB befugt hingegen nicht zur Information über allgemeine Hygienemängel einer Gaststätte ohne Bezug auf ein bestimmtes Lebensmittel oder eine bestimmte Gruppe von Lebensmitteln.[...] Der Antragsgegner listet in seine Unterlagen eine Reihe von Verstößen hygienerechtlicher Art ohne Bezug zu konkreten Lebensmitteln auf bzw. bezieht sich nur ganz allgemein gehalten auf Lebensmittel. [...] Das Gericht hält es bei summarischer Prüfung als für mit dem Gesetze nicht vereinbar, die Öffentlichkeit losgelöst von einem bestimmten Lebensmittel generell über hygienische Mängel in Betrieben, die Lebensmittel verarbeiten und/oder in Verkehr bringen wie eine Gaststätte, über das Internet zu informieren. Nicht von der Befugnisnorm gedeckt ist die Veröffentlichung von Beanstandungen, bei denen nicht ersichtlich ist, auf welches Lebensmittel sich diese Angaben konkret beziehen. Dies gilt gerade für die bei der geplanten Veröffentlichung im Vordergrund stehende Beanstandung der Mängel bei der Betriebshygiene sowie der Reinigungsmängel. [...] Gegen eine extensive Auslegung des § 40 Abs. 1a LFGB bzw. eine ausweitende Handhabung dieser Vorschrift in der Praxis sprechen neben seinem Wortlaut weitere gewichtige Gründe. [...]
Bewertung:
Die Entscheidung ist angesichts der erhblichen Konsequenzen, die derartige Veröffentlichungen im Internet für den Betroffenen zeichnen können, richtig und auch unter Abwägung mit den Interessen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Die Kammerentscheidung fügt sich in diesem Sinne nahtlos in die bisherige Enstcheidungspraxis anderer Verwaltungsgerichte ein. Betroffenen Gastronomen ist daher in jedem Fall anzuraten, sich gegen geplante Veröffentlichungen zu Wehr zu setzen bzw. diese auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.
Dr. Robert Kazemi