VG Trier: Pflichtmitgliedschaft im (ärztlichen) Versorgungswerk entsteht dort, wo der Beruf schwerpunktmäßig ausgeübt wird
Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hat sich in einem aktuellen Urteil vom 24.06.2009 (Az. 5 K 185/09.TR) mit der Frage beschäftigt, nach welchen Kriterien sich die Entstehung der Pflichtmitgliedschaft im (ärztlichen) Versorgungswerk bestimmt. Der klagende Chefarzt vertrat die Auffassung, die Pflichtmitgliedschaft entstehe - in Anlehung an die Bestimmungen zur gesetzlichen Rentenversicherung in § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI - am Wohnsitz des Arztes, die beklagte Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Trier hingegen war der Ansicht, die Pflichtmigliedschaft entstehe grundsätzlich dort, wo der Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit liege.
Das VG Trier entschied nun im Sinne der beklagten Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Trier und wies die gegen die Heranziehung zu Leistungen in die Versorgungseinrichtung erhobene Verpflichtungsklage des Chefarztes als unbegründet ab.
Der Fall:
Der Kläger teilte der Bezirksärztekammer Trier mit, dass er ab dem 01.10.2008 als Chefarzt in einem Krankenhaus im ihrem Einzugsgebiet tätig sein werde. Zuvor war der designierte Chefarzt auch in Koblenz (Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz) und Berlin (Berliner Ärzteversorgung - BÄV) tätig gewesen und hatte hier offensichtlich bereits über mehr als 60 Monate Beiträge an die BÄV entrichtet (vgl. § 19 der Satzung der BÄV), weswegen eine Überleitung von Versorgungsabgaben ausschied.
Vermutlich auch aus diesem Grunde hatte sich der klagende Arzt bereits im Rahmen der Tätigkeitsaufnahme in Koblenz dazu entschieden, weiterhin "freiwilliges" Mitglied der BÄV zu bleiben, um seine Versorgungsbezüge/Anwartschaften zu sichern. Die zuständige Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz erteilte ihm auf seinen Antrag hin auch die nötige Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft während seiner Tätigkeit im Bezirk der Bezirksärztekammer Koblenz.
Da der klagende Arzt seine Chefarztstelle jedoch nicht in Koblenz, sondern im Zuständigkeitsbereich der Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Trier antrat, half ihm diese "koblenzer" Befreiung nicht. Vielmehr sah die Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Trier nunmehr die Pflichtmitgliedschaft in ihrer Einrichtung als begründet an und verwies insoweit auf die Satzungsbestimmun (§ 2 Abs. 1) sowie §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 5 Abs. 2 HeilBG RP.
Obwoh der designierte Chefarzt vortrug, durch er wolle unbedingt Mitglied der BÄV bleiben, weil er bei einem Wechsel in das Versorgungswerk der Beklagten Rentenanwartschaften in Höhe von 1.400,00 € monatlich verliere, lehnte die Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Trier eine Befreiung von der nach ihrer Ansicht mit Aufnahme der Chefarzttätigkeit begründeten Pflichtmitgliedschaft ab.
Zu Recht, urteilte nun das VG Trier.
Die Entscheidung:
Das Gericht stellt zunächst klar, dass es für das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der Bezirksärztekammer nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht darauf an,komme wo der Arzt wohnhaft ist, sondern ausschließlich darauf, wo er seinen Beruf als Arzt schwerpuntkmäßig ausübe. Da die Chefarzttätigkeit nicht als geringfügige, gelegentliche Tätigkeit angesehen werden könne, sei der Kläger daher verpflichtet, seine Versorgungsbeiträge numehr an die Verorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Trier abzuführen.
Insoweit sei zunächst zu berücksichtigen, dass dem Satzungsgeber in den Fällen, in denen eine Pflichtmitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung besteht, ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, inwieweit er Befreiungsmöglichkeiten vorsieht. Der Durchbrechung des Prinzips der Pflichtmitgliedschaft durch Normierung von Befreiungstatbeständen seien lediglich durch den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG Grenzen gesetzt. Dieser ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die rechtliche Differenzierung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich erscheinen muss. Insoweit müsse allerdings vor allem Berücksichtigung finden, dass die Erreichung des mit einer berufsständischen Altersversorgung gesetzten Ziels einer angemessenen Versorgung aller Ärzte und deren Hinterbliebener es regelmäßig erforderlich mache, alle praktizierenden Ärzte in die Versicherungspflicht einzubeziehen, denn bei der Einführung einer berufsständischen Pflichtversicherung dürfe der Mitgliederkreis grundsätzlich so abgegrenzt werden, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist. Die Einführung einer auf dem Versicherungsprinzip beruhenden kollektiven Versorgung der Ärzte sei nämlich in aller Regel nur dann wirtschaftlich durchführbar, wenn ihr grundsätzlich alle Ärzte angehören.
Auch sei die Verorgungseinrichtung nicht verpflichtet, bei solchen Ärzten, die nunmehr in ihrem Zuständigkeitsbereich eine ärztliche Tätigkeit aufnehmen, in der Vergangenheit aber bereits im Bezirk einer anderen Ärztekammer tätig waren und anderen Versorgungseinrichtung angehören, Befreiungsmöglichkeiten hinsichtlich der Pflichtmitgliedschaft in ihrer Versorgungseinrichtung vorzusehen. Eine derartige Verpflichtung kontakatiere nach Ansicht der Kammer die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der schwächeren Versorgungswerke. Bestünde nämlich ein solches Wahlrecht, würde jeder Berufsangehörige für immer in dem für ihn günstigsten Versorgungswerk bleiben, in dem er im Laufe eines Berufslebens einmal Mitglied wurde. Der Mitgliederbestand der Werke mit einer ungünstigeren Mitgliederstruktur würde dadurch zwangsläufig mit der Zeit immer mehr zurückgehen.
Bewertung:
Die Entscheidung des VG überzeugt nicht in allen Punkten. Insbesondere die Argumentation mit Blick auf die notwendigkeit einer Befreiungsmöglichkeiten hinsichtlich solcher Ärzten, die nunmehr in ihrem Zuständigkeitsbereich eine ärztliche Tätigkeit aufnehmen, in der Vergangenheit aber bereits im Bezirk einer anderen Ärztekammer tätig waren, erscheint aus hiesiger Sicht zu einseitig an den Interessen der jeweiligen Versorgungseinrichtung orientiert. Ob die Annahme, eine derartige Befreiungsmöglichkeit führe zwangsläufig zu einem ungünstigen Mitgliederbestand in den einzelnen Versorgungseinrichtungen, tatsächlich zutrifft, muss bezweifelt werden. Insoweit scheien die Argumente des Gerichts doch eher spekulativ.
Des Weiteren stellt das Gericht die Interessen der betroffenen Ärzte vollkommen hintenan und lässt eine aus hiesiger Sicht gebotene Interessenabwägung vermissen. Das BVerfG hat entschieden, dass der im Versorgungswerk erworbene Anwartschaft auf Leistungen grundsätzlich Eigentumsschutz zukommt. Insoweit könnte die Argumentation des klagenden Arztes in Bezug auf die mit einem Wechsel einhergehenden Verluste in Höhe von immerin 1400,00 €/Monat bereits mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG beachtlich sein. Ob dies jedoch zutrifft, ist fraglich, denn das BVerfG führt aus:
Dass ein Betroffener möglicherweise nach Beendigung einer Befreiung wegen nicht erfüllter und nicht erfüllbarer Wartezeiten nicht mehr in der Lage ist, sie zum Vollrecht erstarken zu lassen, bewirkt keinen Eigentumseingriff (vgl. BVerfGE 98, 365 [401]). Die Aussicht durch Zahlung weiterer Beiträge und Zurücklegung weiterer Versicherungszeiten eine besonders ertragsreiche Altersversorgung zu erlangen, ist eigentumsrechtlich nicht geschützt.
Ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG des klagenden Arztes scheidet also (wohl) aus. Dennoch können der Nichtgewährung einer Befreiungsmöglichkeit nach hiesiger Sicht im Einzelfall verfassungsrechtliche Gründe entgegenstehen. So ist durchaus möglich, dass Ärzte, ob der Fehlenden Befreiungsmöglichkeit wegen, von der Aufnahme bestimmter beruflicher Tätigkeiten gänzlich Abstand nehmen und damit ein faktischer Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 GG einhergeht. Ebenso könnten Ärzte wegen der seitens des VG Trier gewählten Argumentation gänzlich davon abgehalten werden, sich - nach erstmaliger Begründung von Anwartschaften in einem Versorgungswerk - im Bundesgebiet nicht mehr frei zu bewegen, was auch mit Blick auf Art. 11 GG ("Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.") Bedeutung erlangen könnte
Es bleibt als abzuwarten, ob die Entscheidung des VG Trier rechtskräftig wird oder ob - was zu hoffen ist - der Sachverhalt in der Berufungsinstanz nochmals unter vorgenannten Gesichtspunkten beleuchtet wird.
Dr. Robert Kazemi