18
Apr 2013

VG Berlin: 1-Euro-Wertgutscheine für Rezepteinlösung unzulässig

Erst im Jahre 2010 hat der BGH in einer Reihe von Entscheidungen die Rabattmöglichkeiten auf verschreibungspflichtige Medikamente erheblich eingeschränkt, diese jedoch nicht gänzlich verboten. Die obersten Zivilrichter stellten vielmehr eine sog. Spürbarkeitsschwelle auf; jedenfalls bei Zugaben  in einem Rahmen von bis zu 1,00 EUR soll diese noch nicht überschritten sein, während Zugaben über 2,50 EUR die Spürbarkeisschwelle in aller Regel überschreiten und damit unzulässig sind. Vor diesem Hintergrund überraschend hat das VG Berlin einer Pressmitteilung vom 17.04.2013 zur Folge (Pressemitteilung Nr. 10/2013 vom 17.04.2013) gleichwohl die Werbung verschiedener Berliner Apotheken mit 1-Euro-Wertgutscheinen für die Einlösung von Rezepten als berufsrechtswidrig eingestuft.

„Nach Auffassung des Berufsgerichts für Heilberufe haben die in Rede stehenden Werbemaßnahmen jeweils eine Bagatellgrenze überschritten; daher habe Anlass zur Pflichtenmahnung durch berufsgerichtliche Maßnahmen bestanden. Das Gericht hat daher in den meisten Fällen Warnungen - die mildeste berufsgerichtlich zulässige Maßnahme - verhängt, und in drei weiteren Fällen wegen der Schwere des jeweiligen Verstoßes auch Geldbußen ausgesprochen. Lediglich in einem Fall sprach das Berufsgericht eine Apothekerin mangels berufsrechtlicher Relevanz ihres Verhaltens frei."

Bewertung:

Die hier streitgegenständliche Zugabe von einem Euro ist nach Ansicht des BGH grundsätzlich  zulässig. Gleichwohl - dies zeigen die Urteile des VG Berlin - sind hier nach wie vor zahlreiche Einzelfragen unbeantwortet. Erst kürzlich hatte beispielsweise das Oberlandesgericht Jena zu klären, ob die Spürbarkeitsschwelle medikamenten- oder rezeptbezogen ist (OLG Jena, Urt. v. 04.04.2012 - 2 U 864/11). Das Gericht entschied sich für eine medikamentenbezogene Anwendungspraxis und findet damit eine überzeugende Lösung, die sowohl die Interessen der Apotheker an einer Kundenbindung, als auch die über das arzeneimittelrechtliche Rabattverbot geschützten Patienteninteressen in einen angemessenen und interessengerechten Ausgleich bringt. Wie das OLG zutreffend ausführt, wäre es willkürlich, ein System für lauterkeitsrechtlich unbedenklich zu halten, wenn der Kunde, dem mehrere Medikamente auf verschiedenen Rezepten verschrieben wurden, die er einzeln einlöst, einen Bonus für jedes verschriebene Medikament erhält, das Bonussystem aber für unlauter zu halten, wenn er alle verschriebenen Medikamente „auf einmal" einlöst. Das OLG führt aus, dass „nur bei einer ganz zweifelsfrei an das verschriebene Medikament anknüpfenden Sichtweise" auch die gewünschte Rechtssicherheit hergestellt und ein „Graubereich" vermieden wird. Hierin ist dem OLG Jena uneingeschränkt zuzustimmen.  Warum das VG Berlin gleichwohl eine andere Ansicht vertritt bleibt offen. Die genaue Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

Dr. Robert Kazemi

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