16
Jan 2013

SG Frankfurt a.M.: Datenmissbrauch im Jobcenter - Sperrfrist für ehemaligen Mitarbeiter, Verstoß gegen Datenschutzverpflichtung berechtigt zur außerordentlichen Kündigung

Problemstellung:

Personenbezogene Daten sind besonders schutzbedürftig; die Auswahl derjenigen, die hier Zugang erhalten sollte daher besonders Vorsichtig erfolgen, insbesondere dann, wenn es sich hier um Sozialdaten handelt. Dies ist - wie dem Sachverhalt eines sozialgerichtlichen Urteils des SG Frankfurt a.M. (Urt. v. 11.10.2012, S 15 AL 510/10) zu entnehmen ist - offenbar nicht in jeder Kommune der Fall. Der Kläger des dortigen Verfahrens hatte als Büroangestellter beim Jobcenter gearbeitet und für private Zwecke jedenfalls auf zwei Datensätze von Kunden des Jobcenters, die nicht seinem Zuständigkeitsbereich angehörten, zugegriffen, diese ausgedruckt und für private Zwecke verwendet. Nachdem dies der Polizei aufgefallen und der Mitarbeiter mit Handschellen aus dem Jobcenter abgeführt worden war, lies ihm sein Arbeitgeber die Möglichkeit die Wahl zwischen einer fristlosen Kündigung oder einem Auflösungsvertrag. Im Hinblick auf sein weiteres berufliches Fortkommen habe er sich für den Auflösungsvertrag entschieden.  Dies führte nunmehr dazu, dass er sich nunmehr einer 12-wöchigen Leistungssperre des Arbeitsamtes gegenüber sah. Die Verhängung der Sperre ist nach Ansicht des SG Frankfurt a.M. zulässig, da der Kläger seine Arbeitslosigkeit durch sein Handeln selbst herbeigeführt habe.

Die Entscheidung:

Die dem Kläger von der Stadt A-Stadt in Aussicht gestellte fristlose Kündigung wegen des Ausdruckens der Datensätze stellt sich nach Auffassung des Gerichts als rechtmäßig dar. Ein Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB).

Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Frist zu rechtfertigen. Danach ist in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob die konkrete Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt ist (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 17. Mai 1984, Az. 2 AZR 3/83).

Vorliegend ist das unstreitige Verhalten des Klägers in Gestalt des Missbrauchs von Daten der Leistungsbezieher seiner Arbeitgeberin an sich als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet, das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. [...] Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist sodann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum vereinbarten Beendigungstermin am 31. Dezember 2010 nicht als zumutbar anzusehen. Mit seinem Verhalten hat der Kläger nicht nur gegen die innerbetrieblichen Richtlinien der Stadt A-Stadt und des X-Jobcenter verstoßen, sondern auch die hier zu schützenden Interessen Dritter - in Gestalt der Leistungsempfänger - verletzt. Bei den vom X-Jobcenter erhobenen Daten handelt es sich um vertrauliche Daten, wobei die Leistungsempfänger ein begründetes großes Interesse daran haben, dass die Angaben, die sie gegenüber dem Leistungsträger im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses machen, vertraulich behandelt werden. Insoweit ist nicht lediglich der Schutzbereich der Arbeitgeberin des Klägers, sondern vielmehr auch schutzbedürftige Interessen Dritter verletzt, weswegen in der Gesamtschau eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheint. Nach Auffassung des Gerichts war eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung auch nicht erforderlich. [...] Denn der Kläger hat sich durch seinen Verstoß gegen die von ihm unterzeichneten Datenschutzbestimmungen grob arbeitsvertragswidrig verhalten und konnte unter keinen Umständen mit der Hinnahme seines Verhaltens durch die Stadt A-Stadt rechnen. Zwar berührte das monierte Verhalten des Klägers nicht seine Arbeitsleistung als Verwaltungsangestellter, jedoch hat er durch das Ausdrucken der Datensätze sich derart gravierend gegen die Bestimmungen seiner Arbeitgeberin zum Schutz der ihr anvertrauten Daten verhalten und damit seine arbeitsvertraglichen Obliegenheiten, denen er sich mit Abschluss des Dienstvertrages mit der Stadt A-Stadt selbst unterworfen hat, gravierend verletzt. Im Tätigkeitsbereich des Klägers werden in hohem Umfang sensible Daten der Leistungsempfänger aus dem Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gespeichert und verwaltet. Insoweit bestand in dem Verhalten des Klägers nicht lediglich eine Missbrauchshandlung gegenüber seiner Arbeitgeberin, sondern auch gegenüber den betroffenen Leistungsempfängern. Das Verhalten des Klägers hatte zur Folge, dass das Vertrauensverhältnis zu seiner Arbeitgeberin dauerhaft zerstört war. [...]

Bewertung:

Die Entscheidung des SG Frankfurt a.M. ist beachtlich, soweit es die Aussagen des Gerichts zur Relevanz eines Verstoßes gegen Datenschutzbestimmungen des Arbeitgebers angeht. Hierin sieht das Gericht einen Grund, der - sogar ohne vorherige Abmahnung - zur außerordentlichen fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber berechtigten soll. Das Gericht stellt hierbei darauf ab, dass ein Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen und -richtlinien des Arbeitgebers neben den Arbeitgeberinteressen, auch schutzbedürftige Interessen Dritter (hier der „Kunden" des Jobcenters) verletze, was sich als gravierende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstelle. Dies auch, weil durch den rechtswidrigen Zugriff auf die Kundendaten das Vertrauensverhältnis der Kunden zum Arbeitgeber erheblich verletzt werden könne; zudem handele es sich vorliegend um sensible Daten, was den Verstoß noch gravierender erscheinen lasse. Die Entscheidung lässt sich nach hiesiger Ansicht ohne weiteres auch auf andere Sachverhalte, beispielsweise Anwalts- und/oder Arzt-Patienten-Daten übertragen. Auch in diesem Fall sind die vorgehaltenen Kundendaten besonders schutzbedürftig. Hier sollten Mitarbeiter bei der Verpflichtung auf das Datengeheimnis besonders hingewiesen und im Falle von Verstößen entsprechend gehandelt werden.

Dr. Robert Kazemi

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