SG Düsseldorf: Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis
Das Sozialgericht Düsseldorf hat sich in einem aktuellen (noch nicht rechtskräftigen) Urteil vom 01.07.2009 (Az. S 2 (14) KA 173/07) mit der Frage auseinandergesetzt unter welchen Voraussetzungen einem niedergelassenen Arzt (hier: Gynäkologen) der Betrieb einer Zweigpraxis zu genehmigen ist.
Der Fall:
Der Kläger ist als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Neuss niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er beantragte bei der für ihn zuständigen Kreisstelle der KV die Genehmigung, spezielle Ultraschalluntersuchungen außerhalb seiner Praxisräume erbringen zu dürfen. Er verfüge über die Qualifikation "DEGUM II", d.h. die Befähigung zur Ultraschalldiagnostik in der Schwangerschaft zur Erkennung von Fehlbildungen und Durchblutungsstörungen bei ungeborenen Kindern. Diese Leistungen biete er derzeit in seiner Praxis an. Auf Initiative des Chefarztes der Frauenklinik am K-F-Krankenhaus O, H, plane er, in Räumen des Krankenhauses zwei Stunden pro Woche eine Spezial-Ultraschall-Sprechstunde anzubieten. Dabei sollen Risiko-Schwangerschaften, speziell Diabetikerinnen, untersucht werden hinsichtlich kindlicher Fehlbildungen und Versorgungsproblemen durch vorzeitiges Verkalken der Placenta. Diese Sprechstunde werde eingebunden in ein Konzept zur Betreuung diabetischer Schwangerer in Zusammenarbeit mit der Frauenklinik sowie je einem niedergelassenen Neonatologen und einem niedergelassenen Diabetologen. Spezielle Ultraschalluntersuchungen dieser Art würden in O nur von X1 angeboten, der jedoch aus Kapazitätsgründen die Sprechstunde nicht übernehmen könne.
Die Kreisstelle der KV stimmte dem Antrag zu. Demgegenüber sah die Kreisstelle O [Standort des KKH] keinen Bedarf für eine Zweigpraxis des Klägers. Mit Bescheid vom 24.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2007 lehnte die KV den Antrag ab: Unabhängig von der Frage, ob die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes durch die beantragte Zweigpraxistätigkeit beeinträchtigt werde, sei festzustellen, dass im Planungsbereich Neuss - und hier speziell in der Stadt Neuss - die beantragten speziellen Ultraschall-Leistungen zur Fehlbildungsdiagnostik zusätzlich zu X1 von einem ortsansässigen Gynäkologen mit einer Wartezeit von ein bis zwei Tagen angeboten werden könnten. Die spezielle Leistung nach Nr. 01774 EBM falle selten an und werde von einem in Korschenbroich niedergelassenen Gynäkologen erbracht. Korschenbroich liege im Planungsbereich Neuss und grenze an diese Stadt an. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Zweigpraxis sei auf den Planungsbereich abzustellen. Die beantragte Sprechstunde von zwei bis vier Stunden stelle keine nennenswerte Verbesserung der Versorgung dar.
Die Entscheidung:
Das Gericht stellt zunächst klar, dass § 24 Abs. 3 Sätze 1, 2 Ärzte-ZV mit Wirkung vom 01.01.2007 jedem zugelassenen Vertragsarzt die Möglichkeit eröffnet, vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb seines Vertragsarztsitzes an weiteren Orten auszuüben, wenn und soweit (1) die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und (2) die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern - wie hier - der weitere Ort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung liegt, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen sogar einen Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung.
Nach ihrem Wortlaut erlaubt die Vorschrift die Leistungserbringung an weiteren Orten nur, "wenn und soweit" die vorgenannten Kriterien erfüllt sind. Hiernach kann eine Verbesserung der Versorgung hinsichtlich eines Leistungsangebotes grundsätzlich dann nicht angenommen werden, wenn eine Überversorgung mit der Leistung besteht. Die Genehmigung einer Zweigpraxis innerhalb eines gesperrten Gebietes ist daher nach Auffassung des SG Düsseldorf nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein solcher Ausnahmefall kann dann bestehen, wenn in der Zweigpraxis lediglich Teile des Gebietsspektrums bzw. bestimmte Leistungen angeboten werden sollen und insoweit keine Zuvielversorgung besteht bzw. ein höherer Qualitätsstandard ausnahmsweise eine Verbesserung begründet.
Im vorliegenden Fall war zwar der Planungsbereich Rhein-Kreis Neuss für Frauenärzte gesperrt, gleichwohl sieht die Kammer in der begehrten Filialtätigkeit unter qualitativen - und hinsichtlich der Nr. 01774 EBM auch unter quantitativen - Gesichtspunkten eine Verbesserung der Versorgung.
Der klagende Frauenarzt verfügte über eine Zertifizierung nach DEGUM, die - obwohl es sich bei dieser nicht um eine staatlich vorgeschriebene Weiterbildung handelt - eine in der medizinisch-wissenschaftlichen Fachwelt anerkannte Qualifikation hoher Güte einer ärztlichen Eigeneinrichtung darstellt. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass entsprechend zertifizierte Ärzte gegenüber nicht zertifizierten Ärzten und Ärzte mit einer höheren Zertifizierungsstufe gegenüber solchen mit einer geringeren Zertifizierungsstufe über eine höhere Qualifikation bei der Ultraschalldiagnostik in dem Sinne verfügen, dass ihre Tätigkeit als Verbesserung der Versorgung im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV angesehen werden kann.
Auch, dass die Leistung nach Nr. 01774 EBM von einem in Korschenbroich niedergelassenen Gynäkologen erbracht wird, steht der Annahme einer Verbesserung der Versorgung der Versicherten in Neuss nach Ansicht des SG nicht entgegen. Denn der Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV stelle auf die Situation an bestimmten "Orten" ab, nämlich auf den "Ort des Vertragsarztsitzes" und die "weiteren Orte". Dies führt dazu, dass nicht nur die in anderen Planungsbereichen vorgehaltenen Leistungsangebote außer Betracht zu bleiben haben, sondern auch innerhalb eines Planungsbereiches eine kleinzelligere Bewertung erforderlich ist, um die konkreten Verhältnisse "vor Ort" zu erfassen. Die Erbringung der Leistung nach Nr. 01774 EBM durch einen in Korschenbroich niedergelassenen Gynäkologen vermag daher eine Verbesserung der Versorgung in Neuss nicht auszuschließen.
Bewertung:
Die Entscheidung des SG Düsseldorf ist ein weiterer Mosaikstein auf dem Weg zur endgültigen Klärung der höchst umstrittenen Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Zweigpraxis zu genehmigen ist. Die restriktive Genehmigungspraxis der KVen hat hier zu Recht wieder einmal einen Dämpfer erfahren. Ärzte, die mit dem Gedanken spielen, eine Zweigpraxis zu eröffnen, sollten sich daher in keinem Fall mit einer Auskunft der KV zufrieden geben, sondern in jedem Fall anwaltlichen Rat einholen, bevor sie von dem Zweigpraxisgedanken vorschnell wieder Abstand nehmen.
Dr. Robert Kazemi