Rosinenpickerei geht weiter - Erst gewerbetreibend, jetzt Gewerbeuntersagung, die neuen LUGAS-Dateien und ihre (negativen) Folgen für professionelle Pokerspieler in Deutschland
Auf den ersten Blick mag man „Halleluljah!“ rufen, denn nach Jahrzehnten heftigster Auseinandersetzungen und konsequenter Verteidigung des staatlichen Glückspielmonopols in Deutschland, zeichnet sich eine (partielle) Öffnung des Online-Glückspielmarkes ab. Der sog. Glückspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021) öffnet das virtuelle Deutschland für private Lizenznehmer. Auch für Online-Poker werden Lizenzen vergeben und stehen z.T. auch bereits kurz vor ihrer Erteilung. Die Teilnahme an Online-Pokerspielen wird so aus dem Graubereich der Legalität in unstreitig zulässige Gefilde gehoben. Sicherlich ein Erfolg für die Glückspielindustrie, aber auf den ersten Blick auch ein Erfolg für alle Spieler. Gedanken zur etwaigen Strafbarkeit der Teilnahme an Online-Glücksspielen aus Deutschland heraus gehören so der Vergangenheit an. So gut dies klingt, Euphorie ist fehl am Platze, denn der GlüStV 2021 sieht zahlreiche Einschränkungen für den „legalen“ Spielbetrieb vor, die vor allem das professionelle Pokerspiel nahezu unmöglich machen.
Besonderes Augenmerk gilt dabei der anbieterübergreifenden Limit- und Aktivitätsdatei, kurz LUGAS. Regelungen hierzu finden sich in §§ 6c und 6h GlüStV 2021.
6c GlüStV 2021 beschränkt die Möglichkeiten zur Einzahlung auf Spielkonten auf einen Betrag von maximal 1000 EUR pro Monat und zwar nicht pro Portal, sondern anbieterübergreifend. Wer seine Bankroll erst aufbauen oder Gelder zwischen Portalen zu Spielzwecken transferieren will, ist daher auf eben diesen, für das Pokern schon ohne professionellen Bezug äußerst geringen Betrag beschränkt. Wie insoweit eine Turnierteilnahme mit BuyIns über 1000 EUR möglich sein sollen, bleibt fraglich. Jedenfalls derjenige, der nicht schon jetzt über eine entsprechende Bankroll verfügt, guckt da ins Leere. Der Gesetzgeber lässt in einem aktuellen Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit dieses Einzalungslimits zwar ausführen, es gehe ja nur um Einzahlungen und es werde kein Einsatzlimit etabliert. Dort, wo keine oder eine zu kleine Bankroll vorhanden ist, läuft dies indes faktisch auf dasselbe hinaus. Und die lizensierten Anbieter werden nicht nur gesetzlich verpflichtet, die Einhaltung des Einzahlungslimits zu kontrollieren, nein, sie werden verpflichtet, jede Einzahlung an eine zentrale, derzeit von Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, zukünftig von der zentralen Glücksspielaufsichtsbehörde der Länder betriebene sog. Limitdatei zu übertragen. Gemäß § 6c Abs. 5 GlüStV besteht für die Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen bei jeder Festlegung und Änderung des anbieterübergreifenden Einzahlungslimits eine Übermittlungspflicht hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Spielers sowie der Höhe des neuen Einzahlungslimits. Zudem sind gemäß § 6c Abs. 6 Satz 1 GlüStV durch die Veranstalter und Vermittler vor Abschluss jedes Einzahlungsvorgangs die zur eindeutigen Identifizierung des Spielers erforderlichen Daten sowie die Höhe der beabsichtigten Einzahlung an die Limitdatei zu übermitteln.
Über diese Informationen kontrolliert der Staat, ob ein Spieler bereits das maximal Limit oder ein selbst gesetztes niedrigeres Limit in einem Monat verbraucht hat. Ist dies der Fall dürfen Einzahlungen nicht angenommen und verarbeitet werden. In der Limitdatei werden umfassende personenbezogene Daten über den einzelnen Spieler verarbeitet, zu deren Übermittlung die Glückspielanbieter ebenso verpflichtet werden. Der Spieler wird hierüber durch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt nicht aktiv informiert, sog. Pflichtinformationen nach Art. 14 DSGVO sind nicht vorgesehen, obwohl sie datenschutzrechtlich verpflichtend wären. Ein Schelm, der dabei daran denkt, dass man den Umfang von Spielerbeschwerden oder nur von Auskunftsansprüchen möglichst gering halten will. Ebenso sei der Gedanke, es könne hier darum gehen, Kritik aus dem Wege zu gehen und zu hoffen es merke keiner, an dieser Stelle verworfen.
Neben der Begrenzung der Einzahlungen pro Monat sieht der neue GlüStV 2021 auch eine Begrenzung der Spielaktivitäten dergestalt vor, dass ein Spieler stets nur bei einem Glückspielanbieter spielen darf; paralleles Spiel bei verschiedenen Anbietern ist untersagt. Zur Kontrolle dieser Einschränkung dient die sog. Aktivitätsdatei. Beginnt ein Spieler eine Spieltätigkeit bei einem Anbieter, ist dieser verpflichtet, diesen Umstand, zusammen mit weiteren personenbezogenen Daten an LUGAS zu übermitteln. Dies hat zur Folge, dass der Spieler für die Teilnahme bei weiteren Anbietern gesperrt ist, solange seine Aktivitäten auf der meldenden Plattform andauern. Dies funktioniert deshalb, weil jeder weitere Anbieter vor Ermöglichung der Spielteilnahme verpflichtet ist, die Aktivitätsdatei abzufragen. Meldet diese eine Aktivität bei einem Anbieter, müssen alle anderen Anbieter die Spielteilnahme unterbinden bzw. dürfen diese gar nicht erst gestatten. Endet die Aktivität auf einem Portal, bleibt der Spieler für jedenfalls 5 Minuten weiterhin für die Teilnahme am nächsten Portal gesperrt. Wie im Rahmen der Limitdatei, werden auch an die Aktivitätsdatei zahlreiche personenbezogene Spielerdaten übermittelt.
Die Regelungen im GlüStV 2021 stehen in krassem Widerspruch zu den Feststellungen des BFH und der Qualifizierung zahlreicher (Online-)Pokerspieler als Gewerbetreibende. Denn über die Limit- und die Aktivitätsdatei werden sie in der Ausübung ihres (steuerbaren) Gewerbes behindert. In Einzelfällen dürfte es gar einer gänzlichen Gewerbeuntersagung gleichkommen. Diese indes wäre an den Grundrechten des Spielers, insbesondere aus Art. 12 DSGVO zu messen. Der Gesetzgeber hat dies nicht bedacht und wiederum unterschiedslos die Regelungen des Glückspielwesens auf alle Spieler angewendet. Entweder ist die ein Zeichen, dass Poker weiterhin als Glücksspiel angesehen wird, dann aber stellt sich die Frage, der Vereinbarkeit dieser Feststellung mit der Bewertung durch die Finanzgerichte und den BFH. Oder aber es gibt den „professionellen“ Gewerbetreibenden Pokerspieler wirklich. Auf diesen aber dürfte das Einsatzlimit dann nicht angewendet werden. Wer weiterhin in Deutschland spielen will, der sollte sich hierüber Gedanken machen und möglichst zeitnah Befreiung aus der Verarbeitung seiner Daten in LUGAS einfordern.
Dr. Robert Kazemi