16
Mär 2013

OLG Wien: Pressegeheimnis erstreckt sich auch auf die Identität von Foren-Postern

Einem aktuellen Pressebericht der österreichischen Zeitung der Standart.at zufolge hat das Oberlandesgericht Wien entschieden, dass sich das Redaktionsgeheimnis der Zeitung auch auf das von ihr unterhaltene Webportal erstrecke, weswegen die Zeitung der Staatsanwaltschaft auch keine Userdaten preisgeben müsse. Nach Zeitungsangaben hat das OLG Wien Poster und Posterinnen in moderierten Medien-Foren Autorinnen und Autoren von Leserbriefen gleich. Hintergrund des Rechtsstreits war eine Anzeige des Verteidigungsministeriums gegen einen unbekannten Beamten, der das Amtsgeheimnis als "Kreativer", "Manfred Verwegener" und "Schlapphut" verletzt habe sollte. Zu Unrecht. Die Zeitung zitiert das OLG Wien mit der Ausssage: "Der Rechtsstaat muss in Kauf nehmen, dass die Effizienz der Strafrechtspflege eingeschränkt wird, weil etwa ein Beamter, der einem Journalisten ein Amtsgeheimnis verraten hat, nicht verfolgt werden kann, wenn das Medium nicht bereit ist, seine Informationsquelle offenzulegen."

Bewertung:

Den Mitarbeitern der Presse steht auch in der Bundesrepublik ein Zeugnisverweigerungsrecht insoweit zu, als es sich Informationen über Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt (§ 53 Abs. 1 S. 3 StPO). Üblicherweise wird hier zwischen dem Anzeigenteil und dem redaktionellen Teil einer Zeitung unterschieden. Während  nach allgemeiner Auffassung das Zeugnisverweigerungsrecht nicht für den Anzeigenteil gilt, werden Leserbriefe dem redaktionellen Teil zugeordnet mit der Folge, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht auch insoweit besteht. Die Zuordnung zum redaktionellen Teil ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 53 Abs. 1 S. 3 StPO im Lichte des grundgesetzlichen Schutzes der Pressefreiheit. Die Funktion der Presse, öffentliche Gewalt zu kontrollieren und an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken, erfordert es, das ein Informant auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses vertrauen kann. Denn ohne ein solches Vertrauen würde die Presse kaum solche Informationen erhalten, derer sie zur Wahrnehmung ihrer Kontroll- und Meinungsbildungsfunktion bedarf (BVerfG 36,193, 204 und Kammergericht a. a. O. m.w.N.). Auch die in Leserbriefen veröffentlichten Tatsachen und Meinungen dienen diesen Funktionen. Dies entspricht auch der vom Bundesgerichtshof (BGHSt 28, 240) geforderten pressefreundlichen Auslegung des § 53 StPO Abs. 1 S 3 StPO. Soweit ein Internetforum daher redaktionell betreut wird, dürfte sich ein Schweigerecht der Presse auch für deutsche Internetforen ergeben. Dies ist nicht der Fall, wenn jeder Nutzer zu jeder Zeit elektronisch einen Beitrag in einem frei zugänglichen Diskussionsforum platzieren kann, ohne dass dieser Beitrag inhaltlich einer irgendwie gearteten Filterung unterliegt (LG Oldenburg, 3. Große Strafkammer, Urteil vom 22.09.2010, 3 Qs 263/10).

Dr. Robert Kazemi

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