OLG Schleswig: Empfehlung eines bestimmten Hörgeräteakustikers durch HNO-Arzt wettbewerbswidrig
Die Hörgeräteversorgung war schon zwei mal Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Mit Urteil vom 13.01.2011 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass eine Verweisung an bestimmte Hilfsmittelerbringer durch einen Arzt untersagt ist, wenn diese ohne hinreichenden Grund erfolgt.Nach Ansicht der Karlsruher Richter soll dieses Verbot zwar dann nicht greifen, wenn der Patient den Arzt um eine Empfehlung bittet. In diesem Fall soll der Arzt vielmehr berechtigt (!) sein, eine konkrete Empfehlung auszusprechen, um dem Leitbild des selbstbestimmten Patienten Genüge zu tun. Das „Empfehlungs- und Verweisungsverbot" greift jeodoch dort, wo der Arzt „eigenmächtig" empfiehlt, wo der Patient gerade nicht um eine konkrete Empfehlung gebeten hat. Dafür reicht es aus, dass der Arzt den Patienten von sich aus fragt, ob er einen geeigneten Leistungserbringer kennt und dann bei Verneinung dieser Frage nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benennt, sondern nur einen bestimmten unter ihnen, obwohl der Patient den Arzt nicht ausdrücklich zu einer solchen Empfehlung aufgefordert hat. In diesen Fällen ist eine Verweisung nur dann zulässig, wenn hierfür „hinreichende Gründe" angeführt werden können. An dieses Kriterium sind nach Ansicht der BGH hohe Anforderungen zu stellen. Jedenfalls die reichen die größere Bequemlichkeit eines bestimmten Versorgungsweges allgemein und für sich allein für die Annahme „hinreichender Gründe" ebenso wenig aus, wie die in langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit gewonnenen guten Erfahrungen oder die allgemein hohe fachliche Kompetenz eines Anbieters oder seiner Mitarbeiter.
Ein HNO-Arzt aus Schleswig-Holstein handelte deshalb wettbewerbswidrig, als er einem Patienten, ohne dass dieser nach einer Empfehlung gefragt hatte, zwei Hörgeräteakustiker in der räumlichen Nähe der Arztpraxis benannte. Dies hat der Wettbewerbssachen zuständige 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts nun entschieden (OLG Schleswig, Urt. v. 14.01.2013, 6 U 16/11).
Der Fall:
Ein Testpatient, der auf die Aufspürung wettbewerbswidrigen Verhaltens von HNO-Ärzten angesetzt ist, suchte den beklagten Arzt auf. Der Arzt diagnostizierte eine beidseitige Schwerhörigkeit und verordnete Hörgeräte. Sowohl der Arzt als auch seine Praxismitarbeiterin fragten den Testpatienten, ob er bereits einen Hörgeräteakustiker habe. Als der Patient die Frage verneinte, wiesen sie auf die beiden in derselben Gemeinde ansässigen Hörgeräteakustiker hin, ohne dass der Patient um eine Empfehlung gebeten hatte. Ein Hörgeräteakustiker hatte seinen Betrieb im selben Haus wie die Arztpraxis, für den anderen erhielt der Testpatient eine Karte mit Wegbeschreibung ausgehändigt.
Die Entscheidung:
In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:
Das Verhalten des Arztes verstößt gegen die Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein (§ 32 Absatz 2 BOÄ S-H). Hiernach darf der Arzt nicht ohne hinreichenden Grund seinen Patientinnen und Patienten bestimmte Hilfsmittelerbringer empfehlen oder an diese verweisen. Eine Verweisung bzw. Empfehlung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn der Arzt von sich aus und ohne Aufforderung oder Bitte des Patienten tätig wird und Anbieter gesundheitlicher Leistungen benennt. Dafür reicht es aus, dass der Arzt den Patienten von sich aus fragt, ob der Patient einen geeigneten Hörgeräteakustiker kenne, und dann bei Verneinung der Frage nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benennt, sondern nur bestimmte unter ihnen. Der beklagte Arzt hat nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benannt, zumal der Testpatient in Lübeck wohnte und so ohne weiteres auch Lübecker Betriebe in Betracht kamen. Für die Benennung der beiden Hörgeräteakustiker vor Ort gab es keinen hinreichenden Grund im Sinne der ärztlichen Berufsordnung.
Bewertung:
Die Entscheidung des OLG Schleswig reiht sich in die Entscheidungspraxis und die eindeutigen Vorgaben des BGH ein. Es überrascht, dass diese Vorgaben noch nicht von allen Ärzten befolgt werden. Dabei verkennt der Unterzeichner, als Berater von Ärztinnen und Ärzten im gesamten Bundesgebiet nicht, dass in den weitaus meisten Fällen derartiger "Empfehlungen" keinerlei böse Absicht bei den Ärzten vorhanden ist. Die Empfehlungen sind vielmehr von einem Servicegedanken getragen, man möchte dem Patienten etwas gutes tun. Gleichwohl, derartige Empfehlungen sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Jeder Arzt sollte dies wissen und auch seine Mitarbeiter dahingehend schulen. Wie das aktuelle Urteil des OLG Schleswig zeigt, ist dies auch deshalb besonders dringlich, weil die Verbraucher- und Wettbewerbsorganisationen gegenüber Ärzten vermehrt auf den Einsatz von Testpatienten bauen. Hier wird der Arzt oft sogar bewusst in die Empfehlungsrichtung geleitet.
Dr. Robert Kazemi