OLG Köln: Kunden(ab)werbung im Strommarkt – Verwendung von Altdaten wettbewerbswidrig
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat mit Urteil vom 14.08.2009 (6 U 70/09) darüber entschieden, inwieweit Altkundendaten zu Werbezwecken genutzt werden dürfen.
Der Stromanbieter S führte Anfang 2009 eine Briefwerbeaktion durch. Dabei schrieb er gezielt Kunden, die von ihm zu dem Anbieter U gewechselt waren, an. Zumindest eines dieser Schreiben richtete sich an eine Kundin, deren Wechsel des Stromanbieters ca. 14 Monate zurücklag. In dem Schreiben hieß es:
Preiserhöhung bei U
S-Strompreise oftmals günstiger!
Sehr geehrte Frau O,
vor einiger Zeit sind Sie als unser Kunde zum Stromanbieter U. gewechselt. Diese Entscheidung haben wir sehr bedauert. Da sich in den vergangenen Wochen jedoch viele unserer ehemaligen Kunden mit Fragen zum Anbieter U an uns gewandt haben, möchten wir Sie heute kurz über die Strompreisentwicklung von U und eine mögliche Rückkehr zu S informieren.
Zahlreiche U-Kunden haben vor kurzem ein "Preisanpassungsschreiben" von U erhalten. Vielen dieser Kunden steht somit ein deutlicher Preisanstieg bevor. Diese Preise sind vielerorts höher als der Online-Tarif von S T-V.
Sind auch Sie betroffen?
Dann haben wir eine wichtige Information für Sie.
Die U Strompreiserhöhung räumt Ihnen ein gesondertes Recht zur Kündigung innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt des Schreibens ein. Nutzen Sie diese Frist, um sich über die günstigen Preise von S zu informieren. Im Internet finden Sie z.B. unseren günstigen Onlinetarif auf der Seite www.s.online. Ein Vergleich lohnt sich. Zudem können Sie hier Ihren Stromliefervertrag direkt online abschließen
S ist auch in Zukunft ein zuverlässiger Partner vor Ort- wir freuen uns, wenn Sie sich zu einer Rückkehr entscheiden!
Das OLG sieht hierin einen Verstoß gegen § 4 BDSG, den das Gericht als Markverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG qualifiziert.
Nach § 4 BDSG ist die Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Eine Einwilligung der beworbenen Kunden lag nicht vor, nach Ansicht des Senates konnte sich S hinsichtlich der konkreten Werbemaßnahme jedoch auch nicht auf den Ausnahmekatalog des § 28 BDSG berufen.
Insbesondere konnte sich S nicht auf das Vorliegen sog. „berechtigter Interessen" im Sinne des § 28 Abs. 2 BDSG berufen.
"Der Begriff berechtigte Interessen soll einen Kompromiss im Widerstreit zwischen der informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen und dem Informationsbedarf Dritter umschreiben. Er dient nicht dazu, einen Auffangtatbestand im Hinblick auf die sehr eng gefasste Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG zu schaffen. Vielmehr ist er im Lichte der Wertungen, die dieser Bestimmung zugrunde liegen, auszulegen. Der Nutzung von Daten, die der Verantwortliche im Rahmen einer vertraglichen Beziehung erhoben hat, sind daher enge Grenzen zu ziehen."
heißt es in den Urteilsgründen.
Das OLG geht zunächst davon aus, dass ein berechtigtes Interesse an der Datenspeicherung auch von Altkundendaten gegeben sein kann, um mit ehemaligen Kunden weiter Kontakt halten und diese durch werbliche Ansprachen zurückgewinnen zu können. Zu diesem Zweck ist die Nutzung der Information, dass ein Kunde nun Vertragspartner eines anderen Unternehmens ist, jedoch nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG erforderlich. Zur Verfolgung der berechtigen Interessen der s wäre es ausreichend (aber auch erforderlich), zum einen nicht nur Kunden der Antragstellerinnen anzuschreiben und zum anderen einen umfassenderen Preisvergleich unter Berücksichtigung der wichtigsten Mitbewerber aufzustellen.
Dr. Robert Kazemi