16
Jan 2013

OLG Koblenz: „Stubbi“ als Marke nicht unterscheidungskräftig - Bitburger Braugruppe unterliegt im Unterlassungsrechtsstreit mit der „Koblenzer“

(OLG Koblenz, Urt. v. 20.12.2012, Az.: 6 W 615/12, „Stubbi"; MarkenG §§ 14, 23 Nr. 2 MarkenG)

Problemstellung:

Bereits unter dem 27.12.2001 hatte sich die Bitburger Braugruppe GmbH die Wortmarke Nr. 30172411 „STUBBI" für die Warenklassen 32 und 21 bei DPMA unter anderem für Glaswaren, einschließlich Glasflaschen, Bier und bierähnliche Getränke ohne Widerspruch eintragen lassen. Die in Koblenz ansässige Privatbrauerei „Koblenzer" warb im Jahr 2012 mit der Kampagne „Probieren Sie das neue Koblenzer Radler in der Stubbi-Flasche". Dies sah die Bitburger Braugruppe als unzulässige Verwendung ihrer Marke an und forderte Unterlassung. Zu Unrecht, wie das OLG Koblenz nunmehr zu Recht bestätigte.

Die Entscheidung:

Die Klägerin kann der Beklagten die Verwendung des Begriffs „Stubbi" in der beanstandeten Verwendungsform jedenfalls nach § 23 Nr. 2 MarkenG nicht verbieten. § 23 Nr. 2 MarkenG ist Ausprägung des Freihaltebedürfnisses an beschreibenden Angaben. Durch die Vorschrift soll allen Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit erhalten bleiben, beschreibende Angaben zu benutzen. Durch sie soll daher ausgeschlossen werden, dass der Markenschutz zu einem Verbot der Verwendung beschreibender Angaben führen kann, die Wettbewerber zur Bezeichnung von Merkmalen ihrer Waren oder Dienstleistungen verwenden wollen (BGH, Urteil vom 2. April 2009 - I ZR 209/06 - POST/RegioPost, GRUR 2009, 678, Tz. 27 m. w. Nachw., zitiert nach juris).

Die Anwendung des § 23 Nr. 2 MarkenG ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn beim angegriffenen Zeichen die Voraussetzungen einer markenmäßigen Verwendung vorliegen. Im Rahmen des § 23 Nr. 2 MarkenG kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob derjenige, der das fremde Zeichen beschreibend benutzt, auf diese Benutzung angewiesen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob das angegriffene Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften der Dienstleistungen verwendet wird und die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe oder Handel entspricht (Art. 6 Markenrichtlinie) oder - mit den damit inhaltlich übereinstimmenden Worten des § 23 MarkenG - nicht gegen die guten Sitten verstößt (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - I ZR 42/07 - DAX, BGHZ 181, 77, Tz. 27 m. w. Nachw., zit. nach juris). Eine solche, lediglich beschreibende Verwendung der Klagemarke liegt hier vor. Die Beklagte hat die Marke der Klägerin als Angabe über Merkmale des von ihr im geschäftlichen Verkehr angebotenen Biermischgetränks „Koblenzer Radler" benutzt. Die hat in der beanstandeten Werbung den Begriff „Stubbi" nicht markenmäßig benutzt, sondern den Begriff lediglich als beschreibenden Hinweis auf die abgefüllte Menge und die Flaschenform ihres Radler-Getränks verwendet. Diese Beschreibung ermöglicht den angesprochenen Verkehrskreisen ein Verständnis von bestimmten Merkmalen des angebotenen Produkts, nämlich die Abfüllung in einer 0,33 Liter-Flasche mit einer charakteristischen, gedrungenen Form, die in Fachkreisen als „Steinie"-Flasche bezeichnet wird, in der Region Koblenz (und darüber hinaus) aber umgangssprachlich als „Stubbi" bekannt ist. [...] Maßgebend für die Frage, welchen Inhalt der Begriff „Stubbi" hat, ist das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise in diesem Verbreitungsgebiet. Abzustellen ist auf das Verständnis eines Durchschnittskunden. [...] Zumindest in den Kreisen der Endverbraucher besteht in der Region Koblenz (aber auch darüber hinaus) weithin die Vorstellung, dass es sich bei der Bezeichnung „Stubbi"-Flasche um eine bestimmte Flaschenform für Bier handelt. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Region Koblenz versteht den Begriff - ohne Zuordnung zu bestimmten Brauereien - herkömmlich als umgangssprachliche Bezeichnung für die charakteristische, gedrungene 0,33 Liter-Flaschenform, in der Biergetränke abgefüllt werden. [...] Die beschreibende Benutzung der Marke der Klägerin verstößt auch nicht im Sinne des § 23 Nr. 2 MarkenG gegen die guten Sitten. Das Tatbestandsmerkmal des Verstoßes gegen die guten Sitten im Sinne dieser Bestimmung ist richtlinienkonform auszulegen. Danach ist von einer Unlauterkeit der Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen auszugehen, wenn die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel widerspricht (Art. 6 Abs. 1 Markenrichtlinie). Der Sache nach darf der Dritte den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderhandeln. Um dies beurteilen zu können, ist eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erforderlich (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - DAX, a. a. O., Tz. 29 m. w. Nachw.). Eine solche unlautere Benutzung der Marke der Klägerin durch die Beklagte hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht [...].

Bewertung:

Die Entscheidung des OLG ist zutreffend und reiht sich nahtlos in die Entscheidungen anderer Gerichte zu ähnlichen Fragestellungen ein. Das Gericht stellt klar, dass das Interesse von Wettbewerbern, einen beschreibenden Begriff für konkurrierende Dienstleistungen zu verwenden, im Rahmen des § 23 Nr. 2 MarkenG berücksichtigt werden kann. Eine Benutzung kann dann nicht untersagt werden, wenn die Bezeichnung als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen, wie insbesondere ihre Art, ihre Beschaffenheit und ihre Bestimmung verwendet wird. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass § 23 Nr. 2 MarkenG im Unterschied zu § 23 Nr. 3 MarkenG nicht voraussetzt, dass die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware erforderlich ist. Es kommt also auch nicht darauf an, ob andere Bezeichnungen unter Verwendung der geschützten Marke denkbar sind, sondern allein darauf, ob die streitige Bezeichnung untersagt werden kann oder nicht. Ungeachtet dessen hätte das Gericht den vorliegenden Unterlassungsanspruch unter Zugrundelegung seiner eigenen Argumentation wohl auch ohne Rückgriff auf die Bestimmung des § 23 Nr. 2 MarkenG ablehnen können. So hat der BGH in seiner Entscheidung Regiopost (BGH, GRUR 2004, 949, 950 - Regiopost/Regional Post) ausgeführt, dass auch zu würdigen ist, ob sich die Klagemarke für die Ware „Bier" nicht als rein beschreibend darstellt, so dass sie mangels Unterscheidungskraft sowie wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG für diese Waren und Dienstleistungen nicht eingetragen werden durfte. Wenn aber für bestimmte Waren- und Dienstleistungsgruppen ein Freihaltebedürfnis besteht, kann dieses Freihaltebedürfnis nicht dadurch umgangen werden, dass nunmehr die Unterlassung der Benutzung eines an sich für eine bestimmte Ware (hier: Bier) freihaltebedürftigen Zeichens verlangt wird (so auch: LG HH, Urt. v. 25.10.2011, 312 O 118/11).

Dr. Robert Kazemi

Zurück