12
Jun 2013

OLG Hamm: Original Spiruletten mit Gerstengras - doch nicht das beste Lebensmittel der Welt

Mit der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 10.06.2013 hörte ich zum ersten Mal überhaupt von den als das „wohl beste Lebensmittel der Welt" beworbenen Spiruletten mit Gerstengras. Dieses wurde von der Natura Vitalis GmbH aus Essen eben mit dieser Aussage beworben. Weiter hieß es in der „Produktbeschreibung":

„In dieser wunderschönen, goldenen Frische-Box befindet sich das wohl beste Lebensmittel der Welt - mit über sage und schreibe 7000 Vitalstoffen! Erstmalig haben wir zwei der vitalstoffreichsten Lebensmittel unseres Planeten in jedem einzelnen Pressling vereint. Zum einen die Süßwasseralge Spirulina platensis, also unsere legendären Original Spiruletten® und zum anderen die Landpflanze Gerstengras. Gerstengras ist nach Meinung vieler Experten, das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt, welches Mutter Erde hervorbringt."

Auch das OLG Hamm hatte von dieser „Wunderwaffe" offenbar bislang nicht viel gehört und verurteilte die Werbende nunmehr zur Unterlassung einzelner Werbeaussagen.

Die Entscheidung:

In der Pressemitteilung heißt es:

Werbeaussagen, mit denen für „Original Spiruletten mit Gerstengras" in der Weise geworben wird, dass das Produkt „über 7.000 Vitalstoffe" enthalte und Gerstengras „das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt" sei, sind irreführend und zu unterlassen. [...] Die streitgegenständlichen Werbeaussagen verstießen gegen Art. 8 der Europäischen Health Claim VO (HCVO), VO (EG) Nr. 1924/2006. Nach dieser Bestimmung dürften nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang der HCVO aufgeführt seien und den in der HCVO festgelegten Bedingungen entsprächen. Diesen Voraussetzungen genügten die beanstandeten Werbeaussagen nicht. Die Werbeaussagen enthielten nährwertbezogene Angaben. Als Nahrungsergänzungsmittel seien die „Original Spiruletten mit Gerstengras" Lebensmittel im Sinne der HCVO. Die Angabe, diese Spiruletten enthielten „so viele Vitalstoffe", sei nährwertbezogen, sie weise dem Produkt besondere positive Nährwerteigenschaften zu. Unter Vitalstoffen verstehe man alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen, u.a. Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme. Ausgenommen seien nur Nährstoffe, die der direkten Energiezufuhr dienen. Die beanstandete nährwertbezogene Werbung der Beklagten sei gem. Art. 8 Abs. 1 HCVO unzulässig. Der nährwertbezogene Begriff „Vitalstoffe" sei in der Anlage zur HCVO nicht aufgeführt und dürfe deswegen nicht verwandt werden. Er sei unspezifisch und für den wissenschaftlichen Gebrauch ungeeignet, weil er eine große Anzahl verschiedener Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zusammenfasse. Außerdem entspreche die Werbung nicht den in der HCVO festgelegten Bedingungen. So habe die Beklagte bereits nicht vorgetragen, dass die in den Spiruletten enthaltenen und als Vitalstoffe bezeichneten Substanzen in einer für den Körper verfügbaren Form vorlägen, was gem. Art. 5 Abs. 1 HCVO erforderlich sei. Zudem fehlten die gem. Art. 6 Abs. 1 HCVO notwendigen wissenschaftlichen Nachweise zu den nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben der beanstandeten Werbung."

Bewertung:

Die sog. Health-Claims-Verordnung (HCVO) regelt die Verwendung sog. nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen, u.a. auch in allgemeinen Werbeaussagen über Lebensmittel und in Werbekampagnen gemacht werden. Eine „nährwertbezogene Angabe" ist eine solche, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund der Energie (des Brennwerts), die es in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert, und/oder der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält. Gesundheitsbezogene Angaben sind solche, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Schließlich sind Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos solche Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass der Verzehr einer Lebensmittelkategorie, eines Lebensmittels oder eines Lebensmittelbestandteils einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt. Wann eine gesundheitsbezogene Angabe in vorgenanntem Sinne vorliegt ist nicht unumstritten. Teile der Literatur (Meisterernst, WRP 2010, 481, 485) vertreten hier die Auffassung, dass solche Bezeichnungen, bei denen aus der Sicht des Verbrauchers die Erwartung einer positiven Auswirkung auf die Gesundheit mitschwinge, nicht als gesundheitsbezogene Angaben einzuordnen seien. „Haribo mach Kinder froh" - könnte sonst schnell als eine solche Aussage qualifiziert werden. Die Rechtsprechung tastet sich hier langsam voran.

Dr. Robert Kazemi

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