03
Feb 2013

OLG Hamm: Kondome "made in Germay" - Zu den Anforderungen der Verwendung einer Herkunftslandbezeichnung

"Made in Germany" gilt weltweit nach wie vor als besonderes Qualitätsmerkmal. Ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts als Schutz vor billiger Importware in Großbritannien eingeführt, gilt die Bezeichnung heute in den Augen vieler internationaler Käufer als Gütesiegel. Bereits 1974 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) hierzu folgendes ausgeführt (BGH, Urt. v. 26.04.1974, I ZR 19/73):

„Diese demnach ursprünglich als bloßer Herkunftshinweis gedachte Bezeichnung entwickelte sich bald weltweit zu einem Gütezeichen für aus dem damaligen Deutschen Reich stammende Qualitätsware. An diesem Gütezeichen mit erheblicher Werbewirkung haben alle exportierenden Unternehmen in Deutschland, die ihre Waren mit dieser Bezeichnung versahen, aufgrund der historischen Entwicklung und des jahrzehntelangen Gebrauchs bereits vor dem ersten Weltkrieg einen schutzwürdigen Besitzstand erworben. Auch nach dem zweiten Weltkrieg haben die Unternehmen nunmehr beider deutschen Staaten die Bezeichnung "Germany" als Güte- und Herkunftszeichen benutzt. [...] Von einem deutschen Erzeugnis wird regelmäßig erwartet, dass es von einem deutschen Unternehmen in Deutschland hergestellt wird. Entscheidend ist, dass die Eigenschaften oder Bestandteile der Ware, die in den Augen des Publikums deren Wert ausmachen, auf einer deutschen Leistung beruhen."

Kein Wunder also, dass "Made in Germany" auch heute noch ein gern benutzer Werbeslogan für alle Arten von Produkten ist; wie ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm zeigt (OLG Hamm, Urt. v. 20.11.2012, I-4 U 95/12) sogar für Kondome! Die Anforderungen an die Verwendung des Gütesiegels sind jedoch hoch, wie hoch verdeuticht das vorliegende Urteil.

Der Fall:

Beide Parteien stellen Kondome auf der Grundlage des im Ausland gewonnenen Rohstoffes Latex. Die Herstellung von Kondomen verläuft üblicherweise in 7 Produktionsschritten:

  • Eintauchen einer geeigneten Form in speziell aufbereitetes flüssiges Naturkautschuklatex;
  • Trocknen (Vulkanisieren) des nach dem Austauchen der Form anhaftenden flüssigen Gummifilms;
  • Abziehen des durch Vulkanisation verfestigten Gummifilms von der Form;
  • Waschen des Produkts; Beschichten der Oberfläche mit Puder etc.;
  • Trocknen des gewaschenen Produktes;
  • Elektronische Einzelprüfung auf Dichtheit;
  • Aufrollen des Kondoms zum Abschluss der Einzelstückprüfung.

Die Antragsgegnerin bezieht aus dem Naturprodukt Latex bestehende sog. Rohlinge, die auch als „Bulk-Ware" bezeichnet werden, aus dem Ausland. Nach Wareneingangs- und Inprozessprüfungen werden diese Rohlinge im Werk der Antragsgegnerin in B, sofern sie anders als die sog. „trockenen Kondome" als sog. „feuchte Kondome" vertrieben werden sollen, befeuchtet. Die Produkte werden in eine Folie eingeschweißt und die entsprechenden Kennzeichnungen (u.a. Chargennummer, Verfallsdatum und CE-Zeichen) auf dieser Folie aufgebracht. Eine oder mehrere Einzelpackungen werden mit einem Beipackzettel versehen in eine Faltschachtel aus Karton verpackt und die Verbraucherpackung sodann derart verschlossen, dass auf den Inhalt nicht mehr unberechtigt zugegriffen werden kann. Ferner erfolgt bei der Antragsgegnerin in B die Qualitätskontrolle entsprechend den deutschen Anforderungen, wobei alle in den normativen Anhängen der DIN ISO 4047 beschriebenen Prüfungen im dortigen Prüflabor stattfinden. Bei diesen sog. Chargenprüfungen nach den Produktionsschritten Befeuchtung und Einsiegeln werden u.a. die Eigenschaften Reißfestigkeit sowie Dichtigkeit ermittelt. Zudem findet mindestens einmal jährlich eine Auditierung der Antragsgegnerin durch den TÜV Rheinland statt. Die Antragstellerin bewirbt die Produkte in ihrem Internetauftritt mit der in Siegelform aufgemachten Behauptung „KONDOME - Made in Germany".

Die Entscheidung:

Die Aussage „Made in Germany" erfüllt in der konkret angegriffenen Verwendung den Tatbestand der Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

Die Aussage ist irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, da durch sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein unrichtiger, da von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichender Eindruck über die geographische Herkunft der von der Antragsgegnerin vertriebenen Kondome vermittelt wird.[...] Durch den [...] Hinweis auf das besondere Merkmal „KONDOME Made in Germany" vermittelt die Antragsgegnerin dem Verbraucher den Eindruck, die von ihr vertriebenen Kondome seien in Deutschland hergestellt worden. Denn die Aussage bezieht sich konkret auf die Produkte „KONDOME" und stellt durch die Verwendung des geläufigen Anglizismus „Made in Germany" deren Fertigungsprozess in Deutschland besonders heraus. Hierdurch wird die Erwartung des Verbrauchers begründet, alle wesentlichen Fertigungsschritte des in Rede stehenden Industrieproduktes seien in Deutschland erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 13055 zum Hinweis „Produziert in Deutschland"), zumindest habe jedoch der maßgebliche Herstellungsvorgang, bei dem die Ware die bestimmenden Eigenschaften erhalte, die für die Wertschätzung des Verkehrs im Vordergrund stehen, in Deutschland stattgefunden (vgl. BGH GRUR 1973, 594 - Ski-Sicherheitsbindung zur Angabe „Eine deutsche Spitzenleistung"; OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 1128 zur Verwendung des Wortes „Germany" auf einem Typenschild).

Diese Verbrauchererwartung erweist sich als falsch.

Unstreitig finden nicht alle und noch nicht einmal der überwiegende Teil der [..] für die Herstellung des Produktes wesentlichen Schritte [...] im Werk der Antragsgegnerin in Deutschland statt. Es kann noch nicht einmal festgestellt werden, dass der maßgebliche Herstellungsschritt, durch den die Kondome diejenigen Eigenschaften erhalten, derentwegen sie der Verbraucher als deutsche Leistung besonders wertschätzt, in Deutschland erfolgt.

Denn der einzige in Deutschland stattfindende Herstellungschritt [...] ist die unterschiedliche Befeuchtung des Teils der Produkte, die von der Antragsgegnerin neben den sog. „trockenen Kondomen" als sog. „feuchte Kondome" vertrieben werden. Hierin liegt „nur" die Fertigung einer Alternative des Endproduktes Kondom. Dies rechtfertigt jedoch nicht die generelle Bezeichnung der Kondome als „Made in Germany", ohne dass es darauf ankommt, ob die „Befeuchtung" der oder auch nur ein maßgeblicher Herstellungsschritt ist.

Das gekennzeichnete Einsiegeln, die Verpackung und die Qualitätskontrolle haben mit der Herstellung des eigentlichen Endproduktes Kondom - und dessen Fertigung in Deutschland erwartet der Verbraucher aufgrund der konkreten Formulierung der in Rede stehenden Werbung - nichts mehr zu tun. Im Gegenteil setzen sie die abgeschlossene Fertigung des Endproduktes voraus [...]

Bewertung:

Der Entscheidungskontext ist zugegebner Maßen ungeöhnlich, die Entscheidungsgründe lassen sich jedoch ohne weiteres auf andere Produkte übertragen. Wer mit "Made in Germany" wirbt, hat daher sicherzustellen, dass wesentliche Handlungs- und Produktionssschritte auf dem Weg zum fertigen Produkt auch tatsächlich in der Bundesrepublik durchgeführt werden.

Dr. Robert Kazemi

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