OLG Frankfurt: Zum Dringlichkeitseinwand bei markenrechtlichen Unterlassungsverfügungen
Einstweilige Verfügungen (hier in einer Markensache) sind ein probates Mittel der schnellen Anspruchsdurchsetzung; gleichwohl führen sie im Ergebnis zu einer einstweiligen Entscheidung über den Rechtsstreit, ohne genauere Prüfung durch das erkenndene Gericht. Aus diesem Grunde sind einstweilige Verfügungsanträge nur solange zulässig, wie der Antragsteller einen sog. Verfügungsgrund geltend machen kann. In Wettbewerbs- und Markensachen wird dies gemeinhin mit dem Begriff der "Dringlichkeit" umschrieben. Fraglich ist in diesem Zusammenhang stets, ob hier allein auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme oder (auch) auf den Zeitpunkt der "Möglichkeit der Kenntnisnahme" von einem Rechtsverstoß abzustellen ist. Die Wettbewerbs- und Markenkammern der Landgerichte zeichnen hier kein einheiltliches Bild. Dies beginnt bereits bei der Frage des zeitlichen Rahmens, der zwischen positiver Kenntnis von einer Rechtsverletzung und der Antragstellung bei Gericht verstreichen darf, um noch von der für den Erlass einer Einstweiligen Verfügung notwendigen Dringlichkeit ausgehen zu können; je nach Gerichtsbezirk schwankt diese Frist zwischen 4 Wochen und bis zu 3 Monaten.
Die Dringlichkeitsvermutung gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Antragsteller monate- oder jahrelang untätig geblieben ist, jedoch den Verstoß bei gehöriger Marktbeobachtung hätte erkennen können. Eine Marktbeobachtungspflicht besteht grundsätzlich nicht. Von diesem Grundsatz können im Einzelfall Ausnahmen gemacht werden. Eine solche Ausnhame hat das OLG Frankfurt nunmehr bestätigt. Nach Affassung des OLG kann es in einer Kennzeichenstreitsache am Verfügungsgrund fehlen, wenn der Verletzer unter dem beanstandeten Zeichen auf dem Markt und im Internet bereits seit vielen Jahren präsent ist, ohne dass der Kennzeicheninhaber hiervon Kenntnis erlangt hat, und wenn der Kennzeicheninhaber auch vor der Stellung des Eilantrags auf die Verletzungshandlung nicht infolge einer Begegnung am Markt, sondern zufällig gestoßen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.01.2013, 6 W 130/126).
Der maßgebliche Grund für die Verneinung eines Eilbedürfnisses lag vorliegend darin, dass die Antragsgegnerin bereits seit etwa zehn Jahren unter dem angegriffenen Zeichen auf dem Markt und auch im Internet präsent war, ohne dass die Antragstellerin hiervon Kenntnis erhalten hätte. Darüber hinaus sei die Antragstellerin auch jetzt auf die Antragsgegnerin etwa nicht infolge einer Begegnung am Markt gestoßen, sondern nach ihrer eigenen Darstellung „zufällig über das Internet". Diese Gesamtumstände rechtfertigen den Schluss, dass die Interessen der Antragstellerin durch die behauptete Kennzeichenverletzung auch derzeit nur in sehr geringfügigem Maße beeinträchtigt werden. Im Hinblick auf die gravierenden Auswirkungen, die der Erlass der beantragten Unterlassungsverfügung auf der anderen Seite für die Antragsgegnerin hätte, muss die Antragstellerin daher zur Verfolgung ihrer Ansprüche auf den Weg des Klageverfahrens verwiesen werden.
Dr. Robert Kazemi