18
Mär 2013

OGH: Keine Werbung im fremden Zug - Werbe-Shirts sind an der Bahnsteigkante auszuziehen

Rechtsprechung, die sich mit Werbung in räumlicher Nähe zum Geschäftsbetrieb eines Mitbewerbers beschäftigt, findet sich in Deutschland nur vereinzelt und ist zudem bereits in die Jahre gekommen (vgl. BGH, GRUR 1960, 431, 433 - Kraftfahrzeugnummernschilder).  Diese Rechtsprechung zu Grunde gelegt, sollen derartige Werbemaßnahmen, wie beispielsweise das Verteilen von Handzetteln in unmittelbarer Nähe zum Geschäftslokal des Mitbewerbers unzulässig sein (BGH GRUR 1963, 197, 200 - Zahnprothesen-Pflegemittel; BGH GRUR 1986, 547, 548 - Handzettelwerbung), wenn auf den Kunden in einer Weise eingewirkt wird, die dieser als lästig empfindet oder wenn der Zugang zwischen Mitbewerber und Kunden erschwert oder versperrt wurde, so dass der Kunde in seinem bereits gefassten Kaufentschluss abgefangen und umgeleitet wird (zusammenfassend BGH, GRUR 1960, 431 - Kraftfahrzeugnummernschilder). Unbestrittenermaßen hat jedoch kein Unternehmer das Recht auf Erhaltung seines bisherigen Kundenstammes. Der Versuch von Konkurrenten, Kunden ihrer Mitbewerber für sich zu gewinnen, ist wettbewerbsimmanent (BGH, GRUR 1963, 197, 200 - Zahnprothesen-Pflegemittel; GRUR 1986, 547, 548 - Handzettelwerbung, WRP 2005, 874, 875 - Kündigungshilfe). Ebenso wenig kann angenommen werden, dass ein Wettbewerber, der sich in einer günstigen Lage zu seiner typischen Kundenzielgruppe befindet, ein Recht auf eine konkurrentenfreie und nur von ihm allein nutzbare Werbezone hat (OLG Hamm, Urt. v. 14.01.2010, 4 U 199/09). Die Werbung in räumlicher Nähe zum Geschäftslokal eines Konkurrenten genügt für sich genommen daher nicht, um von einem unlauteren Abfangen von Kunden zu sprechen. Eine unlautere Absatzbehinderung setzt zusätzliche, die Unlauterkeit begründende Merkmale voraus (vgl. BGH GRUR 1963, 197, 201 - Zahnprothesen-Pflegemittel). Wann derartige Merkmale vorliegen ist eine Entscheidung des Einzelfalls. Einen solchen betrifft die vorliegend zu besprechende Entscheidung des Obersten Österreichischen Gerichtshofs (OGH) vom 12.03.2013 (Az. 4Ob1/13w). Die Entscheidung ist gleichwohl relevant, denn Sie normiert weitreichende Verantwortungen des Wettbewerbers für das Verhalten ihrer Angestellten.

Der Sachverhalt:

Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem Markt für Personentransporte auf der Westbahnstrecke. Ein Mitarbeiter der Beklagten hatte im Internet zu einer „Feier der Westbahn" eingeladen und den ersten hundert Erscheinenden eine Belohnung in Aussicht gestellt. Am Treffpunkt erhielten die Teilnehmer Werbemittel der Beklagten, die sie nach Art einer Startnummer über die Oberbekleidung hängen mussten. Vertreter der Beklagten zeigten ihnen dann die neue „Westbahnflotte", führten sie durch den Westbahnhof und bewirteten sie mit einem Krapfen und Salzgebäck. Daraufhin wurden die Teilnehmer zum Bahnsteig gebracht, um einen „Westbahn-Zug" zu erwarten. Da dieser noch nicht eingetroffen war, bestiegen mehrere Teilnehmer in der werbemäßigen Aufmachung einen zur Abfahrt bereitgestellten Zug der Klägerin, gingen durch die Waggons und stiegen wieder aus. Sie sprachen keine Fahrgäste an, die Abfahrt verzögerte sich nicht. Tags darauf fand ein Mitarbeiter der Klägerin in einem Zug der Westbahnstrecke etwa 40 Werbefolder der beklagten Partei auf den Sitzen. Es ist nicht bescheinigt, dass die Folder aufgrund einer Anweisung oder mit Einverständnis der Beklagten verteilt worden wären. Etwa drei Wochen später warben vier von der Beklagten angeworbene Personen an einem Busbahnhof für deren Dienstleistungen und bestiegen danach einen Zug der Klägerin, wobei einer von ihnen sein Werbeshirt „Besseres Service im Zug" in den Unternehmensfarben der Beklagten über dem Mantel anbehielt. Auf dieser Grundlage beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, in den Zügen der Klägerin Werbemaßnahmen zu setzen und/oder durch Dritte setzen zu lassen, insbesondere durch den Einsatz von Promotoren mit T-Shirts und/oder sonstigen Textilien, die jeweils Werbeslogans für die Beklagte, insbesondere in den Farben der Beklagten tragen und/oder durch das Auflegen von Foldern.

Die Entscheidung:

Die Auffassung des Rekursgerichts, Werbung in Geschäftsräumlichkeiten eines Mitbewerbers verstoße gegen dessen Hausrecht und sei daher unlauter i.S.v. § 1 Abs. 1 Z 1 UWG, trifft zu.

1.1. Soweit kein gezieltes Abfangen von Kunden vorliegt, ist Werbung in unmittelbarer Nähe des Geschäfts eines Mitbewerbers zwar zulässig (Handig in G.Kodek/Wiebe, UWG2 [2012] § 1 Rz 417 ff; Duursma in Gumpoldsberger/Baumann, UWG [2006] § 1 Rz 98; beide mwN). Auch muss ein Geschäftsinhaber trotz seines Hausrechts Testkäufe dulden, wenn sich die damit Beauftragten wie andere Kunden verhalten und den normalen Geschäftsablauf nicht stören (4 Ob 28/93 = SZ 66/65 - Alibikauf; RIS-Justiz RS0010362). Davon zu unterscheiden ist aber die Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers. Einer solchen Werbung könnte sich der Geschäftsinhaber schon aufgrund seiner dinglichen oder quasidinglichen Rechtsstellung widersetzen (§ 354 ABGB, allenfalls iVm § 370 ABGB). Eine konkludente Zustimmung zu einem solchen Verhalten wird der Mitbewerber regelmäßig nicht annehmen können; auch ein tauglicher Rechtfertigungsgrund ist nicht zu erkennen. Insbesondere kann sich der Mitbewerber nicht auf seine Meinungsäußerungsfreiheit berufen. Denn diese ist mit dem Grundrecht des Verletzten auf Achtung seines - weit verstandenen (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 [2012] § 25 Rz 3 ff; Mayer, Österreichisches Bundesverfassungsrecht4 [2007] Art 5 StGG Anm II.1) - Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) und seines Hausrechts (Art 9 StGG, Art 8 EMRK) abzuwägen. Angesichts der unzähligen anderen Möglichkeiten, für ein bestimmtes Angebot zu werben, wird die Meinungsäußerungsfreiheit eines Unternehmens durch die Unzulässigkeit einer Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers (hier in den Zügen der Klägerin) keinesfalls in unverhältnismäßiger Weise beschränkt.

1.3. Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers verstößt somit gegen die nach allgemeinem Zivilrecht bestehende Verpflichtung, dessen Hausrecht zu achten. Damit fällt dieses Verhalten grundsätzlich in die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" (4 Ob 225/07d = ÖBl 2008, 237 [Mildner] - Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123239) und ist daher - außer bei Vorliegen einer vertretbaren Rechtsansicht oder bei Fehlen der Eignung zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs - unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Eine vertretbare Rechtsansicht wird nur in - hier nicht erkennbaren - Ausnahmefällen vorliegen, da der werbende Unternehmer im Allgemeinen weder mit einer konkludenten Zustimmung des Geschäftsinhabers noch mit einer sonstigen Rechtfertigung seines Verhaltens rechnen kann. Da die Klage im vorliegenden Verfahren ohnehin von dem im Hausrecht beeinträchtigten Unternehmen erhoben wird, kann offen bleiben, ob auch dritte Mitbewerber die Verletzung dieses Hausrechts geltend machen könnten (vgl zu einer ähnlichen Problematik 4 Ob 20/08g = ÖBl 2008, 282 [Gamerith] - Prominentenbildnisse).

2. Die Beklagte hat für das Verhalten ihrer Werbeträger einzustehen.

2.1. Nach § 18 UWG kann der Inhaber eines Unternehmens auch dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer „anderen" Person begangen worden ist. Dabei handelt es sich um eine Erfolgshaftung (RIS-Justiz RS0079818). Sie setzt voraus, dass der Wettbewerbsverstoß im Betrieb des Unternehmens begangen wurde, wobei dieser Begriff weit auszulegen und primär im organisatorischen Sinn zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0079689, vgl auch RS0079912). Dabei genügt bereits eine lockere Eingliederung (RIS-Justiz RS0079689). Entscheidend ist, dass der Unternehmensinhaber aufgrund seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern (RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]; RS0079799, RS0079809). Diese Möglichkeit besteht jedenfalls dann, wenn der Unternehmer dem Handelnden Weisungen erteilen kann; demgegenüber ist es unerheblich, ob der Unternehmer - etwa bei weisungswidrigem Verhalten des Handelnden - faktisch in der Lage ist, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern (RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]).

2.2. Im vorliegenden Fall ist offenkundig, dass die Beklagte die Teilnehmer an ihrer Veranstaltung als Werbeträger für ihr Unternehmen nutzte. Dadurch wurden sie, wenn auch nur locker und für kurze Zeit, in ihr Unternehmen eingegliedert. Eine rechtliche Einflussnahmemöglichkeit bestand, weil die Beklagte die Übergabe der Werbebekleidung und die - eine zumindest faktische Gegenleistung für den Werbeauftritt bildende - Verköstigung von der Bedingung abhängig machen konnte, die Züge der Klägerin nicht zu betreten. Zwar ist ein Unternehmer im Allgemeinen nicht verpflichtet, seine Beziehungen zu Dritten so zu gestalten, dass er auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen kann (4 Ob 83/93 = ÖBl 1993, 256 - Vorsicht bei Lockvogelange-boten; RIS-Justiz RS0079809; zuletzt etwa 4 Ob 153/08s = wbl 2009, 311 - Fußball-Lieblinge). Das gilt aber nicht, wenn er diese Dritten in einer von ihm veranstalteten Werbeaktion als Werbeträger nutzt und sie so in seine Interessenverfolgung eingliedert. Hier kann es für die Anwendung von § 18 UWG keinen Unterschied begründen, ob er mit solchen „Laienwerbern" (formell) Verträge schließt oder ob er sie nur durch faktische Gegenleistungen (hier insbesondere durch die Verköstigung) zu einem Verhalten in seinem Sinn bewegt. Die sonst mögliche Auslagerung der Verantwortung für die Werbeaktion auf die Werbeträger verbietet insofern ein restriktives Verständnis von § 18 UWG.

2.3. Das Durchgehen durch den Zug der Klägerin stand nach den Feststellungen des Erstgerichts in engem zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Werbeaktion der Beklagten. Die Eingliederung der Werbeträger in das Unternehmen der Beklagten war daher noch aufrecht. Gleiches gilt für das Besteigen eines Zugs durch einen noch als Werbeträger bekleideten „Promotor" der Beklagten. Schon damit ist der Tatbestand des § 18 UWG erfüllt. Es schadet daher nicht, dass das Erstgericht keine Feststellungen zur weiteren Behauptung der Klägerin getroffen hat, dass Leute der Klägerin die Werbeträger am Westbahnhof durch den Zug geführt und damit das beanstandete Verhalten sogar veranlasst hätten.

3. Auch die weiteren Einwände der Beklagten schlagen nicht durch. Die Werbung im Zug der Klägerin hob sich von üblichen Werbemethoden ab, war für deren Kunden unerwartet und musste schon aus diesem Grund hohe Aufmerksamkeit erregen. An ihrer Eignung, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin nicht bloß unerheblich zu beeinflussen, besteht daher kein Zweifel. Das Verbot ist weder unbestimmt noch zu weit. Das untersagte Verhalten - Werbung in Verletzung des Hausrechts der Klägerin - ist ihm eindeutig zu entnehmen; genau darauf ist auch der materiell-rechtliche Anspruch gerichtet. Die Beklagte muss dabei nicht für das Verhalten jeder Person einstehen, die „zufällig" eines ihrer Werbemittel mitführt; entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagten das Verhalten dieser Person aufgrund der nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilenden Eingliederung in deren Unternehmen zuzurechnen ist. Das Verbot begründet daher keine von der Beklagten nicht mehr beherrschbare Verantwortung für Dritte.

Bewertung:

Der OGH sieht Werbung in (!) den Geschäftsräumen eines Wettbewerbes zu Recht als unlauter an. Unter Berücksichtigung des deutschen UWG würde sich die Unlauterkeit hier aus § 4 Nr. 10 UWG ergeben. Fraglich erscheint jedoch die Reichweite der Verantwortlichkeit, die der OGH hier zieht. Nach Einschätzung des Gerichts stellt sich bereits das Tragen eines T-Shirts durch Promoter als unlautere Werbung dar. Diese Rechtsprechung geht nach hiesiger Meinung zu weit und birgt erhebliche Gefahren. Promoter, die beispielsweise für den Kaufhof Werbung treiben, und sich, beispielsweise in der Pause, durch die Läden der Konkurrenz bewegen, würden vor diesem Hintergrund die Gefahr der unlauteren Beeinflussung begründen. Dies geht zu Weit und ist lebensfremd. Hiervon zu unterscheiden ist freilich das Recht des Wettbewerbers in derartigen Fällen ein Hausverbot auszusprechen. Wird hiergegen verstoßen, kann eine Zuwiderhandlung in der Tat wettbewerbswidrig sein.

Dr. Robert Kazemi

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