OGH: Irreführende Werbung mit Klimafreundlichkeit - "Der erste klimaneutrale Stempel"
Aussagen über die Natürlichkeit oder Umweltverträglichkeit eines Erzeugnisses sind in hohem Maße geeignet, den Kaufentschluss zu beeinflussen. Die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen zur Irreführung geeignet ist, ist daher ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Mit Umwelthinweisen darf nur geworben werden, wenn sie eindeutig belegt sind und eine Irreführung für die umworbenen Verbraucher ausgeschlossen ist. Soweit der Hinweis auf die Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses missverstanden werden kann, ist der Werbende zu näheren Aufklärungen verpflichtet.
Zwei Hersteller von Stempelgehäusen und Standardstempelplatten stritten sich in Österreich darüber, ob der eine mit der Behauptung sein Stempel „T*****" sei der „erste klimaneutrale Stempel" werben durfte oder nicht. Als „klimaneutral" werden Prozesse bezeichnet, bei denen das atmosphärische Gleichgewicht nicht verändert wird, weil es zu keinem Netto-Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere von Kohlendioxid, kommt. Bei der Herstellung von Kunststoff- oder Metallstempeln ist Klimaneutralität in diesem Sinn nicht möglich. Sie kann daher nur durch Kompensationszahlungen in Klimaschutzprojekte erreicht werden. In diesem Zusammenhang bieten verschiedene Unternehmen an, für bestimmte Produktionsvorgänge die Treibhausgasemissionen und die entsprechenden Ausgleichszahlungen zu ermitteln, Zahlungen an Klimaschutzprojekte weiterzuleiten und auf dieser Grundlage Bestätigungen über die „Klimaneutralität" auszustellen.
Fraglich ist jedoch, ob der durchschnittliche Vertreter unter der behaupteten „Klimaneutralität" - zumindest bei Fehlen näherer Erläuterungen nicht eine Produktion ohne Ausstoß von Treibhausgasen versteht. Ein solches Verständnis ist zumindest bei privaten Endverbrauchern nicht ausgeschlossen. Denn sie werden beim Erwerb von einfachen Stempeln keine besonders hohe Aufmerksamkeit aufwenden, und es kann ihnen auch nicht unterstellt werden, dass sie die Möglichkeit des Erwerbs von „Klimaneutralität" durch Kompensationszahlungen nicht nur grundsätzlich kennen, sondern auch im Moment des Kaufentschlusses auf die konkrete Werbebehauptung beziehen.
Der OGH lässt diese Frage zunächst offen und verweist den Rechtsstreit zurück an das Ausgangsgericht.
Dr. Robert Kazemi