09
Apr 2013

Mangelnde Förderfähigkeit Unternehmensberatung für Ärzte - Kazemi & Lennartz reichen für Mandanten Klage beim VG Frankfurt ein

"Ein Unternehmen zu führen ist Vielfalt pur: ob Organisation, Produktentwicklung, Kundenakquise, Werbung, Qualitätssicherung, Mitarbeiterführung oder auch Vertragsverhandlungen - als Unternehmerin und Unternehmer muss man mit vielen Themen vertraut sein. Wer nur auf „learning by doing" setzt, zahlt nicht selten hohes Lehrgeld."

So heißt es auf den Internetseiten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), welches im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Förderung unternehmerischen Know-hows für kleine und mittlere Unternehme sowie Freie Berufe durch Unternehmensberatungen betreut. Mit dieser Beratungsförderung können Unternehmen sowie Angehörige der Freien Berufe, die seit mindestens einem Jahr am Markt tätig sind einen Zuschuss zu den Kosten erhalten, die ihnen durch die Inanspruchnahme einer Beratung entstehen. Der Ansatz ist zu begrüßen, er trifft jedoch leider nicht jeden und nicht jeden gleich. Soweit es die Ärzte- und Zahnärzteschaft betrifft, soll der Ansatz nach dem erklärten Willen des BMWi zukünftig überhaupt keine Geltung mehr beanspruchen. Ärzte und Zahnärzte zahlen daher aktuell nicht nur ihre Berater, sondern offenbar auch das entsprechende Lehrgeld, denn anders als beim  Architekten, soll für sie das Konzept des learning by doing offenbar das Mittel zum Praxiserfolg sein.

Doch, wie kann dies sein? Sind Ärzte und Zahnärzte nicht der Urtypus des Freiberuflers, des mittelständischen Unternehmers? Sind es nicht gerade die Ärzte und Zahnärzte, die aus der Universität und den Kliniken in eine Selbständigkeit entlassen werden, die mehr noch als jede andere von einer komplexen rechtlichen, wie tatsächlichen Struktur geprägt und beherrscht sind? Und sind es dementsprechend nicht gerade die Ärzte und Zahnärzte bei denen Informationsdefizite abgebaut und die kontinuierliche Versorgung mit aktuellen Informationen sichergestellt werden sollte?

BAFA und BMWi sagen hierzu ganz klar NEIN! Damit aber verstoßen sie nach hiesiger Ansicht gegen elementare verfassungs- und europarechtliche Wertungen und stellen die Ärzteschaft (offenbar motiviert durch eine wenige und in jeder Branche zu findende schwarze Scharfe) in die Ecke des allein auf Gewinnmaximierung zum Nachteil der Patienten Handelnden. Dabei verkennen BAFA und BMWi jedoch, dass auch der Arzt/Zahnarzt nicht allein aus altruistischen Motiven handeln, sondern in einem mehr und mehr auf Leistungswettbewerb ausgerichteten Gesundheitssystem sogar gewungen sein kann, sich dem Wettbewerb zu stellen und für das wirtschaftliche Ergebnis seiner unternehmerischen Tätigkeit Sorge zu tragen. Der Gesetzgeber, der das Leistungsvolumen der GKV mehr und mehr zurückschraubt hat dies im Zusammenhang mit den zahlreichen Reformen des Gesundheitswesens in den vergangenen Jahren vermehrt und eindeutig zu verstehen gegeben. Dort, wo die Eigenverantwortlichkeit des Patienten (auch und vor allem unter Kostengesichtspunkten) immer mehr an Bedeutung gewinnt, tritt jedoch auch der Arzt/Zahnarzt in einen Wettbewerb um Patienten. Warum er im Rahmen desselben nicht auf Beratungen zurückgreifen können soll erschließt sich nicht.

Noch bis zum 14.08.2012 sahen auch die "Richtlinien über die Förderung unternehmerischen Know-hows für kleine und mittlere Unternehmen sowie Freie Berufe" dies nicht anders und ordenten die Unternehmensberatung für Ärzte den förderungsfähigen und förderungswürdigen Leistungen zu. In einer speziell auf den Punkt der sog. Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) bezogenen Pressemitteilung des BAFA vom 10.08.2012 hieß es hierzu:

„Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fördert Beratungen und Seminare, um die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen und Angehörigen der Freien Berufe zu verbessern. Gefördert werden u. a. Veranstaltungen zu Existenzgründungen, zu Fragen der Führung eines Unternehmens, zu Qualitätsmanagementsystemen und auch zum Marketing, damit Unternehmen und Freiberufler in den für sie jeweils notwendigen Bereichen ihr unternehmerisches Know-how verbessern können. In der Vergangenheit wurden in einigen Fällen auch Beratungen und Seminare von Ärzten zum Marketing individueller Gesundheitsleistungen, den sogenannten IGe-Leistungen, gefördert."

Ähnliches findet sich in der der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zu diesem Themenkomplex (BT-Drucks. 17/10381) in der es heißt:

„Soweit Vertragsärztinnen und -ärzte in ihrer Arztpraxis mit IGeL-Angeboten jährlich Einnahmen von rd. 1,5 Mrd. Euro erzielen, wie in der Vorbemerkung der Fragesteller angenommen, entspricht dies einem Anteil von etwa 4,5 Prozent bezogen auf die Ausgaben für die vertragsärztliche Versorgung (vgl. GKV- Finanzentwicklung 2011, Anlage zur Pressemitteilung des BMG vom 7. März 2012, Nr. 16, Zeile: Ausgaben, die der vertragsärztlichen Versorgung zugutekommen). Von einer Beeinträchtigung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit durch IGeL-Angebote kann daher zumindest derzeit nicht ausgegangen werden."

Auch die Bundesregierung ging mithin bis zum 14.08.2012 von der Förderungsfähigkeit der Unternehmensberatung gegenüber Ärzten aus.

Alles ist anders, seitdem die entsprechenden Richtlinien unter dem 15.08.2012 geändert wurden. Seit diesem Zeitpunkt sollen Beratungen von Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Verkauf/Vertrieb von Gütern oder Dienstleistungen, insbesondere individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), sowie sonstige Umsatz steigernde Maßnahmen einschließlich des entsprechenden Marketings zum Inhalt haben, nicht mehr förderfähig sein.

Mit Klage vom 04.04.2013 hat unsere Kanzlei für einen Mandanten die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Beschränkungen nunmehr dem zuständigen Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. zur Entscheidung vorgelegt.

Der Fall:

Der Kläger beauftragte zu Beginn des Jahres 2012 einen Unternehmensberater für Ärzte mit einer unternehmensberatenden Tätigkeit für seine Praxis. Dabei ging es vornehmlich um die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, die Patientenakquise, Personalfragen und effiziente Reaktionen auf die vielgestaltigen Änderungen im Gesundheitssektor im Allgemeinen. Nach Abschluss dieser Beratung, richtete der Kläger am 21.05.2012 einen Antrag auf einen Zuschuss zu einer Unternehmensberatung an die Leitstelle für Gewerbeförderungsmittel des Bundes. Mit Bescheid vom 15.01.2013 (!), also gut ein Jahr nach Antragstellung, wurde dieser Antrag mit Hinweis auf die Richtlinien über die Förderung von Unternehmensberatungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie Freie Berufe vom 27. Juni 2008 in der durch Richtlinienänderung vom 15.08.2012 geänderten Fassung abgelehnt. Hierin rekurriert die Beklagte insbesondere darauf, dass durch die Richtlinienänderung ausdrücklich solche Beratungsleistungen von Ärzten von der Förderung ausgeschlossen worden seien, die (auch) Umsatz steigernde Maßnahmen zum Inhalt haben. Entsprechend dieser Regelung, die im Zeitpunkt der Beratung und Antragstellung des Klägers noch nicht existiert hatte, sei daher im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens eine Förderung nicht möglich, insbesondere bestehe entsprechend Nr. 1.3 der Richtlinie kein Anspruch auf Förderung. Darüber hinaus käme es auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung, nicht auf den der Durchführung der Beratung bzw. Antragstellung an. Der durch den Kläger fristgerecht eingelegte Widerspruch, wurde durch die Beklagte mit Schreiben vom 04.03.2013 zurückgewiesen. Nach Auffassung der Widerspruchsbehörde habe im Rahmen der getroffenen Ermessensentscheidung dem Antrag nicht entsprochen werden können. Nach Nr. 3.1.9 der Richtlinie in der geänderten Fassung vom 15.08.2012 könnten Beratungen, insbesondere zu individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), sowie sonstige Umsatz steigernde Maßnahmen nicht mehr gefördert werden. Es entspreche dabei allgemeiner und „gleichmäßiger" Verwaltungspraxis, dass eine Richtlinienänderung auf alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht abschließend beschiedene Anträge und damit auch auf den des Klägers angewendet werde. Hintergrund der Änderung sei gewesen, dass die Ausübung der Heilkunde einem besonderen Berufsethos unterliege und Maßnahmen, die in Hinblick auf höhere Gewinnerzielung erfolgten, hiermit nicht vereinbar seien. Aus dem seitens des Klägers vorgelegten Inhalts der Beratung, hierbei insb. bezüglich der Ausführungen auf Seite 2 und 14 des Berichts, ergebe sich, dass Inhalt der Beratung umsatzsteigernde Maßnahmen gewesen seien. Dass gleichzeitig auch Beratungsleistungen im Bereich der Abrechnung und des Praxismanagements erfolgten, könne hieran nichts ändern. Auch solche seien nur dann förderfähig, wenn sei keine Umsatz steigernden Maßnahmen betreffen. Der Hinweis des Klägers, dass bei anderen Ärzten, die eine entsprechende Förderung beantragt hatten, diesem entsprochen worden sei, tritt die Beklagte damit entgegen, dass diese in einem solchen Fall zu Unrecht gewährt worden seien und dementsprechend eine Rückforderung geltend gemacht werden müsse. Eine Gleichbehandlung im Unrecht komme aber nicht in Betracht.

Gegen die abschlägige Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage zum VG Frankurt.

Hintergründe:

Die Ablehnung erscheint bereits auf Grund des Umstandes, dass die Behörde hier mit der Entscheidung - offenbar bewusst - bis Inkraftreten der Richtlinienänderung gewartet hat, unrechtmäßig. Aber auch unter Geltung der neuen Richtlinienbestimmungen ergeben sich erhebliche Bedenken.

Die Gewährung der hier durch den Kläger begehrten Förderung erfolgt auf der Grundlage der Hilfe zur Selbsthilfe nach Maßgabe der streitbefangenen Richtlinien, die sich ihrerseits an der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den ESF, der VO (EG) Nr. 1081/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den ESF in der geänderten Fassung der VO (EG) Nr. 396/2009 sowie der VO (EG) Nr. 1828/2006 der Kommission vom 8. Dezember 2006 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften in den geänderten Fassungen der VOen (EG) Nr. 846/2009 und Nr. 832/2010 zu orientieren hat. In den vorgenannten Richtlinien ist ein Leistungsausschluss gegenüber Ärzten jedoch gerade nicht vorgesehen, so dass der deutsche Richtliniengeber hier zu Unrecht und zu Lasten des Klägers Hürden geschaffen hat, die aus europarechtlichen Erwägungen zu einer Diskriminierung des Klägers gegenüber Leistungserbringern in anderen und vor allem angrenzenden Mitgliedstaaten entfaltet.

So gibt die streitgegenständliche Richtlinie selbst und ausdrücklich unter Nr. 1.4 an, dass die Zuwendungen auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag als De-minimis-Beihilfen gewährt werden. Dies sind solche, die von einem Mitgliedsstaat an ein Unternehmen vergeben werden können und deren Betrag als geringfügig anzusehen ist. Aufgrund ihres geringen Volumens unterliegen diese nicht der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (vgl. Art. 2 VO (EG) Nr. 1998/2006), sind aber gleichwohl gem. Art. 3 Abs. 1 anzeigepflichtig.

Nach Art. 1 dieser Verordnung gilt diese für Beihilfen an Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen. Ausgenommen sind hiervon nur die unter Art. 1 Ziff. a) - h) aufgezählten Unternehmen, darunter bspw. solche, die in der Primärerzeugung der in Anhang I EG-Vertrag aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse tätig sind. Bezeichnenderweise findet sich in dieser abschließenden Aufzählung mit keinem Wort ein Hinweis darauf, dass auch ärztliche Leistungen bzw. Gesundheitsleistungen im Allgemeinen ausgeschlossen seien sollten. Vielmehr sollten grds. alle Wirtschaftsbereiche erfasst und abgebildet werden, wenn und soweit eine entsprechende Beihilfe unterhalb der Schwelle der Verordnung bleibt.

Eine Verordnung hat dabei allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat (Art. 288 Abs. 2AEUV). Allgemeine Geltung bedeutet dabei, dass die Verordnung - gleich einem innerstaatlichen Gesetz - abstrakt-generelle Wirkung hat, weil sie „auf objektiv bestimmte Sachverhalte anwendbar ist und Rechtswirkung für allgemein abstrakt umrissene Personengruppen zeitigt" (EuGH, Rs. 101/76, Slg. 1977, Rn. 20/22 - Koninklijke Scholten Honig N.V.). Die Verordnung ist hierbei in allen ihren Teilen verbindlich. Diese umfassende Verbindlichkeit äußert sich im Gegensatz zur Wirkung einer Richtlinie darin, dass eine Verordnung gerade auch hinsichtlich der zu ergreifenden Mittel und Formen verbindlich ist und nicht nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels. Darüber hinaus besitzen sie unmittelbare Geltung in jedem Mitgliedstaat. Eine Verordnung wird deshalb mit ihrem Inkrafttreten Bestandteil der in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsordnungen. Die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten haben eine Verordnung anzuwenden, ohne dass es dazu eines innerstaatlichen Umsetzungsakts, etwa eines Ausführungsgesetzes, bedürfte (vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 8. Aufl. 2012 S. 176).

Wenn nun aber die Verordnung keine entsprechende personelle Beschränkung enthält, sondern gleichsam von sämtlichen Unternehmen (mit Ausnahme, der durch den Verordnungstext selbst ausgeschlossenen) spricht, und der nationale Richtliniensetzer ausdrücklich Beihilfen im Sinne dieser Verordnung vergeben will, kann eine darüber hinausgehende Einschränkung des Anwendungsbereiches keine Geltung beanspruchen.

Selbst wenn der nationale Richtliniensetzer darauf rekurriert, dass aufgrund des Gesundheitsschutzes - als durchaus anerkanntes schützenswertes Allgemeingut - eine entsprechende Beschränkung indiziert sei, kann eine solche jedenfalls dann nicht eingreifen, wenn dieser zugleich die Privilegierungswirkung der EG-Verordnung für sich in Anspruch nehmen will.

Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist eine derartige Beschränkung nicht angezeigt. Die Ermessensentscheidung der Beklagten verstößt gegen das Willkürverbot des Art. 3 I GG. Für diese Frage maßgeblich ist vorliegend alleine die Verwaltungspraxis zum Zeitpunkt der Antragsstellung.

Zwar in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften - wie vorliegend - keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen unterliegen; maßgeblich für die Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) ist aber - insbesondere bei unklarem und daher auslegungsbedürftigem Wortlaut - die tatsächliche Handhabung der Verwaltungsvorschriften in der Verwaltungspraxis zur maßgeblichen Zeit (Urteil vom 17. Januar 1996 - BVerwG 11 C 5.95 - NJW 1996, 1766). Darüber hinaus mag zwar grds. unerheblich sein, ob dem Interessenten an einer Bewilligung von Förderungsmitteln die Vergabepraxis vorher bekannt gegeben war und wie er sich hierauf einstellten konnte (So jedenfalls BVerwG, Urt. vom 7. 05.1981 - Az. 2 C 5.79 - DVBl 1982, 195, 197). Anders kann dies aber in den Fällen sein, in denen die Verwaltung ihre bisherige Praxis und damit die Handhabung der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift für die Zukunft ändert (vgl. hierzu Urteil vom 8. April 1997 - BVerwG 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220 = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 102; BVerwG, Beschluss v. 11.11.2008, Az. 7 B 38/08 Rn. 10).

Um einen solchen Fall handelt es sich aber vorliegend. Hier war durch die zum Zeitpunkt der Antragsstellung und zum Zeitpunkt der Durchführung der Beratung geltende Fassung der Richtlinie allgemein - und damit auch dem Kläger - bekannt, dass eine entsprechende Förderung im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens der Behörde möglich ist und gerade kein Ausschluss für Beratungsleistungen im ärztlichen Bereich bestand.

Vor diesem Hintergrund stellt die insoweit auf eine spätere Verwaltungspraxis gestützte Begründung nicht nur eine unzulässige Rückwirkung dar (s.o.), die Ermessensausübung der Behörde kann hiernach nur als willkürlich gewertet werden. Gründe für eine Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu anderen Ärzten aber auch zu anderen Unternehmen im Allgemeinen führt die Behörde nicht an.

Selbst wenn die Behörde hier vorbringt, eine entsprechende Förderung stehe im Widerspruch zum ärztlichen Berufsethos, verfangen diese - im Übrigen auf die nunmehr geltende Richtlinie gestützten - Ausführungen nicht. Vielmehr versucht die Beklagte ein Verhalten der Ärzteschaft zu pönalisieren, welches ihnen nicht nur von Gesetzes wegen gestattet ist, sondern welches auch der Gesetzgeber im Sinne einer Förderung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen ausdrücklich begrüßt.

So ist es ständige Rechtsprechung des BVerfG, dass auch dem Arzt nicht jede, sondern lediglich solche Werbung verboten ist, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Dem Arzt ist daher neben der auf seiner Leistung und seinem Ruf beruhenden Werbewirkung eine Reihe von Ankündigungen mit werbendem Charakter unbenommen, sofern diese nicht nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirken (vgl. BVerfG, st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 18.2.2002 - 1 BvR 1644/01 - Tierarztwerbung, NJW 2002, 3091; Beschluss vom 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02 - Zahnarztwerbung im Internet und in den Gelben Seiten -, NJW 2003, 3470; Beschluss vom 29.4.2004 - 1 BvR 649/04 - Zahnarztwerbung in Tageszeitung -, NJW 2004, 2659; ebenso BGH, Urteil vom 9.10.2003 - I ZR 167/01 - Internetwerbung eines Zahnarztes -, NJW 2004, 440).

Festzuhalten ist, dass eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Ärzten und anderen Unternehmen weder angezeigt noch von der Rechtsprechung gesehen oder Gesetzgebung gewünscht ist. Vielmehr handelt es sich auch bei Ärzten um (klein-) Unternehmer. Eine Optimierung der Praxisbetriebes - selbst wenn hierdurch Umsatzsteigerung eintreten sollten - stellt auch keinen, eine derartige Unterscheidung, wie sie die Beklagte vornimmt, rechtfertigende Widerspruch zum „Berufsethos" der Ärzte dar. Selbstredend muss auch ein Arzt - nicht zuletzt im Rahmen seines Versorgungsauftrages - darauf bedacht sein, wirtschaftlich effizient und erfolgreich zu arbeiten. Insoweit unterscheidet er sich kaum von einem Unternehmer im „klassischen" Sinne. Die Versorgung der Patienten zu optimieren kann wohl kaum einen Verstoß gegen das ärztliche Berufsethos darstellen. So ist nämlich zu berücksichtigen, dass Einsparungen aufgrund effizienteren Arbeitens auch den Patienten zugutekommen. Nur ein Arzt, der mit den vorhandenen Ressourcen wirtschaftlich effizient arbeitet, ist bspw. in der Lage neue Gerätschaften anzuschaffen und neue, bessere Behandlungsmethoden anzuwenden, was wiederrum den Patienten zugutekommt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das VG Frankfurt hier positionieren wird. Ärzte, die ablehende Entscheidungen bekommen haben, sollten jedoch darüber nachdenken, ob sie sich hiermit einverstanden erklären wollen.

Dr. Robert Kazemi

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