05
Jul 2009

LSG Baden-Württemberg: Keine GKV-Boni ohne Nachweis

Bonuszahlungen an Versicherte, das ist bislang eher ein Themenfeld der Privaten Krankenversicherer gewesen. Diese gewähren den Versicherten, die die Leistungen der Versicherung bis zum Jahresende nicht in Anspruch genommenen haben, Teilbeträge ihrer Einzahlungen zurück. Glaubt man den Presseäußerungen der Gesetzlichen Krankenversicherungsträger, die eher über zu wenig als über zu viel Geld in ihren Kassen klagen, ein Luxus der GKV-Versicherten eher nicht zu Teil werden dürfte. Dennoch werden Boni auch den GKV-Versicherten angeboten. Kann hierin doch spätestens seit Bestehen des Gesundheitsfonds mit einheitlichem Beitragssatz ein gutes Mittel der Kundengewinnung und des Kundenerhalts gesehen werden (vgl. hierzu den Bericht der BAMS vom 28.06.2009).

Den gesetzlichen Krankenkassen sind jedoch im Rahmen der Gestaltung ihrer Bonus-Programme Grenzen gesetzt, wie ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 19.05.2009, Az. L 11 KR 3718/08 KL) verdeutlicht.

Nach § 65a Abs. 1 SGB V kann die Krankenkasse in ihrer Satzung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Versicherte, die regelmäßig Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25 und 26 SGB V oder qualitätsgesicherte Leistungen der Krankenkasse zur primären Prävention in Anspruch nehmen, Anspruch auf einen Bonus haben, der zusätzlich zu der in § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V genannten abgesenkten Belastungsgrenze hinaus zu gewähren ist. Die Vorschrift beschränkt die Regelungsbefugnis des Satzungsgebers hinsichtlich der Voraussetzungen, an die der finanzielle Vorteil geknüpft ist. Die Krankenkasse hat einen Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der genannten Präventionsleistungen und den Anforderungen an die Regelmäßigkeit.

Von dieser Möglichkeit machte eine Betriebskrankenkasse Gebrauch. Sie  regelte in Ihrer Satzung die Ausgestaltung und Umsetzung eines Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten ihrer Versicherten in Höhe von 100,00 €, der dann zur Auszahlung gebracht werden sollte, wenn sich der Versicherte gesundheitsbewusst verhalten hat. Der Anspruch auf den Versicherten-Bonus ist abhängig von der Inanspruchnahme gesetzlich vorgesehener Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten; von der Inanspruchnahme qualitätsgesicherter Leistungen zur primären Prävention; vom Nachweis eigenverantwortlicher gesundheitsförderlicher Aktivitäten. Die Bonuszahlung wird den Versicherten dann gewährt, wenn innerhalb eines Kalenderjahres eine Mindestanzahl von nachweispflichtigen, gesundheitsfördernden Maßnahmen - darunter zielgruppenspezifische Pflichtmaßnahmen - erfüllt wurden.

Anders als ursprünglich vorgesehen, sollte es dem Versicherten nicht (mehr) obliegen, die Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen durch eine Bestätigung des Arztes bzw. des Anbieters der Leistung nachzuweisen. So wäre es für Versicherte nicht mehr notwendig gewesen, eine ärztliche Bescheinigung über die Teilnahme einzureichen, sondern sie hätten durch alleiniges Behaupten den finanziellen Bonus erhalten. Die Betriebskrankenkasse wollte lediglich regelmäßige Stichproben vornehmen, um die Angaben der Versicherten zu überprüfen.

Das Bundesversicherungsamt verweigerte die Genehmigung dieser Satzungsänderung.  Zu Recht urteilte nun das LSG Baden-Württemberg.

Das Gericht führt aus:

„Durch den Verzicht auf jeglichen kontrollierbaren Nachweis, ob ihre Versicherten regelmäßig Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten (§§ 25, 26 SGB V) oder Leistungsangebote der Krankenkasse zur primären Prävention in Anspruch nehmen, hat die Klägerin [BKK] ihren Gestaltungsspielraum überschritten. Denn jedenfalls ist in der Satzung festzulegen, dass die Teilnahme an den Programmen durch eine Bescheinigung nachgewiesen werden muss (so Koch in: jurisPK-SGB V, § 65a RdNr. 5). Dadurch wird die Regelmäßigkeit der in Inanspruchnahme der in § 65a Abs. 1 genannten Leistungen nachgewiesen, was in der Regel nur durch eine schriftliche Bescheinigung möglich ist (so Höfler, in Kassler Kommentar, Stand 2005, § 65 a Rdnr. 5).

Andernfalls könnte es zu einem Missbrauch der Bonusregelung kommen, wenn der Versicherte sich selbst bescheinigen kann, dass er über eine Eigenquittierung in den Genuss von finanziellen Vergünstigungen durch die Bonusregelung kommt. Diese Gefahr kann nicht mit dem lapidaren Hinweis auf einen Bürokratieabbau gerechtfertigt und in Kauf genommen werden, zumal es nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten allen anderen Krankenkassen gelingt, eine andere Verwaltungspraxis ständig durchzuführen, die Klägerin vielmehr als einzige Krankenkasse von diesen Gepflogenheiten, die sie selbst wieder nach der 30. Satzungsänderung praktiziert, abweichen will. Eine solche Regelung ist auch nicht in Übereinstimmung damit zu bringen, dass von dem Versicherten auch eine eigene Quittierung in den Fällen des § 55 SGB V oder im Impfpass nicht gestattet ist.

Ein solcher Verzicht auf einen kontrollierbaren Nachweis ist auch mit den Pflichten der Klägerin gegenüber den anderen Versicherten auf ordnungsgemäße Verwendung der Versichertenbeiträge nicht zu vereinbaren, zumal es bei den Bonusleistungen im Ergebnis zu Einsparungen bei den Leistungsausgaben kommen soll, so das sich die Boni nach einer gewissen Anlaufphase selbst finanzieren (vgl. Krauskopf, Kommentar zur sozialen Kranken- und Pflegeversicherung, § 65a RdNr. 10 ff.). Für ihre Behauptung, dass dadurch eine größere Zahl von Versicherten tatsächlich zu einem gesundheitsbewussteren Verhalten angehalten werden kann, ist die Klägerin jeglichen Nachweis schuldig geblieben, obwohl sich dies ohne weiteres nach der 30. Satzungsänderung, wo man wieder zu den Nachweispflichten zurückgekehrt war, hätte bemerkbar machen müssen."

Das Erfordernis einer Quittierung durch Ärzte/Leistungserbringer folgt letztendlich auch daraus, dass § 65 a Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich normiert, dass es sich um qualitätsgesicherte Maßnahmen handeln muss, die regelmäßig in Anspruch zu nehmen sind. Diese Qualitätssicherung ist ohne qualifizierten Nachweis der Inanspruchnahme der Leistung nicht ausreichend sichergestellt.

Dass der Nachweises durch Quittierung vom Leistungsanbieter bzw. Arzt zu erbringen ist, ergibt sich schließlich aus der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 65 a SGB V (BT-Drs. 15/1525 zu § 65 a SGB V, S. 95), wonach "die Teilnahme an den genannten Programmen durch eine Bescheinigung nachgewiesen werden muss". Eine Bescheinigung kann sich aber der Versicherte nicht selbst ausstellen."

Dr. Robert Kazemi

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