Liga Portuguesa de Futebol Profissional – EuGH folgt Bot in wesentlichen Punkten, hält aber an Hartlauer fest
Es ist da, das lang erwartete Urteil des EuGH in der Rechtssache Liga Portuguesa de Futebol Profissional und es ist - wie schon die DocMorris-Entscheidung des Gerichts - in gewisser Weise ein Rückschritt für den harmonisierten Binnenmarkt.
Steht Art. 49 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der Wirtschaftsteilnehmer, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, in denen sie rechtmäßig entsprechende Dienstleistungen erbringen, im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats keine Glücksspiele über das Internet anbieten dürfen?
Diese Frage galt es zu beantworten und der EuGH beantwortet die Frage im Sinne der staatlichen Monopolisten mit einem klaren „NEIN".
Der EuGH stellt zunächst fest, dass eine Regelung - wie die portugiesische - nach der Internetglücksspiele nur von einer bestimmten Institution angeboten werden können und die damit faktisch jeden anderen von der Veranstaltung und/oder Vermittlung über das Internet ausschließt, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt. Insoweit also keine Neuerungen.
Der EuGH sieht diese Beschränkung jedoch als gerechtfertigt an, wenn sie - wie im Falle Portugals - der Kriminalitätsbekämpfung dienen sollen. „Glücksspiele bergen nämlich in Anbetracht der Höhe der Beträge, die mit ihnen eingenommen werden können, und der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, eine erhöhte Gefahr von Betrug und anderen Straftaten", heißt es im Urteil.
Ferner böte eine begrenzte Erlaubnis von Spielen im Rahmen eines Ausschließlichkeitsrechts den Vorteil, den Spielbetrieb in kontrollierte Bahnen zu lenken und die Gefahren eines auf Betrug und andere Straftaten ausgerichteten Spielbetriebs auszuschalten.
„Außerdem bergen die Glücksspiele über das Internet, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontaktes zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden." (Urteil Rz. 70)
Auch könne „die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der für manche der Sportwettbewerbe, auf die er Wetten annimmt, sowie für manche der daran beteiligten Mannschaften als Sponsor auftritt, eine Stellung innehat, die es ihm erlaubt, den Ausgang dieser Wettbewerbe unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen und so seine Gewinne zu erhöhen".
Hier ist es also wieder, was wir in DocMorris bereits gelesen haben.
Bislang war es so, dass der EuGH den nationalen Beurteilungsspielraum wesentlich enger aufgefasst hat, als es beispielsweise das BVerfG in ständiger Rechtsprechung handhabt. Der EuGH setzte dementsprechend, beispielsweise im Bereich der Glücksspielmonople gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die Erforderlichkeitsprüfung fest. Er begrenzte den nationalen Beurteilungsspielraum zur Legalisierung eines Staatsmonopols dahingehend, dass die zur Rechtfertigung einer Monopolisierung angeführten Gründe nicht nur formal bestehen, sondern erstens „wirklich" jenen rechtlichen Zielsetzungen dienen (EuGH Plenum, Urteil vom 6. 11. 2003, Rs C-243/01 - Piergiorgio Gambelli u. a.), und zweitens die Effizienz dieser Beschränkung der Grundfreiheiten plausibel mit hinreichenden Fakten belegt sein musste (EuGH, Urteil vom 7. 7. 2005 - C-147/03). Dementsprechend war jeder Mitgliedstaat gehalten die Wirksamkeit ihrer Gesetzgebung sozialwissenschaftlich begleiten zu lassen.
In seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung zum „Fremdbesitzverbot" (DocMorris) hatte der EuGH formuliert:
„Folglich kann ein Mitgliedstaat im Rahmen seines in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils erwähnten Wertungsspielraums der Ansicht sein, dass der Betrieb einer Apotheke durch einen Nichtapotheker im Unterschied zu einer von einem Apotheker betriebenen Apotheke eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere für die Sicherheit und Qualität des Einzelhandelsvertriebs der Arzneimittel, darstellen kann [...]" (Urteil des EuGH Rdn. 39 - Hervorhebung nicht im Original)
Wenn der EuGH nunmehr formuliert, zur Rechtfertigung staatlicher Glücksspielmonopole im Internet, sei es ausreichend, dass „ die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden [könne], dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der für manche der Sportwettbewerbe, auf die er Wetten annimmt [...]eine Stellung innehat, die es ihm erlaubt, den Ausgang dieser Wettbewerbe unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen und so seine Gewinne zu erhöhen", könnte dies als Verfestigung der DocMorris-Rechtsprechung eingestuft werden.
Staatlicherseits wird versucht werden, nunmehr zu argumentieren, dass es in Zukunft ausreichend ist, dass der Mitgliedstaat der „Ansicht ist" ein Monopol sei zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter gerechtfertigt.
Ein derartiges Vorgehen scheint aus hiesiger Sicht hingegen falsch. Denn, der EuGH formuliert in Rz. 61:
„ In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom 10. März 2009, Hartlauer, C-169/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 55)."
Es kommt also weiterhin darauf an, ob eine tatsächliche Ausrichtung an den formulierten Gemeinwohlzielen festzustellen ist. Anders als in Portugal, stützten sich die Landesgesetzgeber jedoch nicht primär auf Gesichtspunkte der Kriminalitätsbekämpfung, sondern solcher der Suchtbekämpfung. Dass diese Ziele auch staatlicherseits nicht ernsthaft verfolgt werden, verdeutlichen die zahlreichen Verstöße der staatlichen Monopolbetreiber gegen die zur Suchtbekämpfung etablierten Werbebeschränkungen. Ein Aufatmen der Bundesländer scheint damit in jedem Fall verfrüht.
Dr. Robert Kazemi