LG Köln: Haftung für Filesharing durch Familienangehörige
Das LG Köln hat sich in einem aktuellen Urteil mit der Reichweite der Haftung des Anschlussinhabers für über den Internetzugang vollzogene urheberrechtswidrige Filesharings beschäftigt und eine Mutter für die illegalen Aktivitäten eines ihrer Kinder oder eines derer Freunde in die Pflicht genommen (LG Köln, Urteil vom 13.05.2009 - 28 O 889/08).
Der Fall:
Unter der dynamischen IP-Adresse 84.150.xxx.xxx, die zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss der später in Anspruch genommenen Mutter zuzuordnen war, wurden 964 Musikdateien im MP3-Format zum Download angeboten. Mit der Mutter leben im Haushalt neben dem Ehemann auch deren Kinder. Das älteste Kind ist 13 Jahre alt. Jedenfalls die älteren Kinder haben auch Zugriff auf den Computer und den Internetzugang. Eigene Benutzerkonten mit beschränkten Rechten für die Kinder waren, ebenso wie eine Firewall, nicht eingerichtet.
Die Mutter wurde von den Urhebern auf Unterlassung in Anspruch genommen und abgemahnt. Sie sind der Ansicht, dass sie einen Anspruch gegen die Mutter auf Zahlung der für die Abmahnung entstandenen Kosten hätten. Dieser ergebe sich aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag und aus § 97 UrhG. Dabei hafte die Beklagte als Inhaberin des streitgegenständlichen Internetanschlusses zumindest als Störerin. Insbesondere hätte die Beklagte als Anschlussinhaberin durch geeignete technische Maßnahmen die Rechtsverletzungen zumindest verhindern müssen.
Zu Recht urteilte nun das LG Köln.
Die Entscheidung:
Das LG Köln sieht den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten über das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag als gegeben an. Hiernach hat derjenige, der vom Störer die Beseitigung einer Störung bzw. Unterlassung verlangen kann, einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen soweit er bei der Störungsbeseitigung hilft und im Interesse und im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Störers tätig wird.
Da unstreitig war, dass die Dateien über den Internetzugang der Mutter öffentlich zugänglich gemacht wurden, haftete diese jedenfalls nach den Grundsätzen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung. Denn auch nach dem eigenen Vortrag der Mutter war es jedenfalls kein unbekannter Dritter, sondern eine im Haushalt lebende Person (Ehemann oder Kind(er)), die die Urheberrechtsverletzung über den Internetzugang begangen hat.
Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, der - ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat (OLG Köln, Az. 6 U 244/06).
Da die Mutter Dritten, auch und gerade Mitgliedern ihres Haushalts, innerhalb ihres Haushalts einen Computer und einen Internetzugang zur Verfügung stellte und ihnen dadurch die Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglichte, setzte sie - nach Ansicht des LG Köln - eine adäquat kausale Schadensursache für die Schutzrechtsverletzung. Dem Risiko der Schutzrechtsverletzung ist die Mutter nicht mittels bestimmter Prüf- und Handlungspflichten entgegengetreten.
Denn nach Ansicht des LG Köln hätte es der Mutter nicht nur oblegen, ihren Kindern ausdrücklich und konkret zu untersagen, Musik mittels Filesharing-Software aus dem Internet herunterzuladen. Sie hätte auch weiterhin wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen ergreifen müssen. So hätte ein eigenes Benutzerkonto mit beschränkten Rechten eingeräumt werden können. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer sog. "Firewall", die einen Download von Daten aus dem Computer der Beklagten verhindert hätte, möglich und zumutbar gewesen (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Damit liegt eine Rechtsverletzung vor, die grundsätzlich auch zur Erstattung der Abmahnkosten verpflichtet.
Bewertung:
Die Frage, inwieweit Eltern für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder im Internet haftbar gemacht werden können, ist eine der umstrittensten Fragen in der aktuellen Rechtsprechung zum Urheber- und Internetrecht. Sie beschäftigt dabei nicht nur die deutsche, sondern gleichsam die internationale Gerichtsbarkeit. Die Ansichten zu den Prüf- und Überwachungsobliegenheiten der Elternschaft divergieren dabei erheblich. Die Entscheidung des LG Köln lässt dabei mit Sicherheit nicht aufatmen, sondern sollte alle Eltern in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen. Im hier zu entscheidenden Fall hatte die Mutter schlussendlich Kosten in Höhe von € 5.832,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu tragen; eine nicht unerhebliche Summe.
Während beispielsweise der Oberste Gerichtshof in Österreich zur Störerhaftung beim Filesharing entschieden hat, dass Eltern für die Tauschbörsennutzung ihrer Kinder nicht haftbar gemacht werden können, da eben keine generelle Pflicht zur Überwachung der Internetaktivitäten der Kinder besteht, steht eine derartige höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes derzeit (noch) aus.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser Zustand nicht mehr allzu lange anhalten wird. Nach hiesiger Ansicht, ist eine Klarstellung - auch im Interesse besorgter Eltern - dringend geboten. Dabei ist nach unserer Auffassung eher davon auszugehen, dass den Inhaber eines Internetanschlusses, der diesen dritten Personen zur Nutzung überlässt, nur dann die Pflicht trifft, die Nutzer zu instruieren und zu überwachen, wenn er konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die Nutzer den Anschluss zu Rechtsverletzungen missbrauchen könnten. Solche Anhaltspunkte bestehen aber grundsätzlich nicht, solange keine früheren Verletzungen dieser Art oder andere Hinweise auf eine Verletzungsabsicht bekannt sind. Der Anschlussinhaber hat auch nicht bereits deshalb Anlass zur Überwachung, weil Urheberrechtsverletzungen im Internet häufig vorkommen und darüber in den Medien umfangreich berichtet wird, wie das LG Köln meint.
Dr. Robert Kazemi