LG Hamburg: Wegfall der Wiederholungsgefahr beim Filesharing - Anforderungen an die Unterassungserklärung des Störers
Filesharing ist für zahlreiche Anwälte ein einträgliches Geschäft; die zahlreichen Verstöße über die im Internet verfügbaren Plattformen sichern ein einträgliches Einkommen. Der Gesetzgeber hat dies zwar erkannt und im April 2012 einen entsprechenden Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vorgestellt, mit dem dem "Abnahnwahn" Grenzen gesetzt werden sollen, seit dem ist es jeoch ruhiger geworden und der Novellierungsdrang abgeklungen. Abmahungen wegen Filesharings sind daher weiterhin an der Tagesordung; die richtige Reaktion hierauf weiterhin wichtigt. Der Unterzeicher selbst ist hier zwiegespalten: Auf der einen Seite steht fest, Filesharing verletzt den Urheber des gesharten Werkes in seinen (auch verfassungsrechtlich) geschützten Urheberrechten, ein gemeinfreies Internet soll und darf es daher auch in Zukunft nicht geben. Auf der anderen Seite stehen die Betroffenen, die in vielen Fällen selbst nicht Täter der Urheberrechtsverletzung sind, sonderen deren Internetanschluss zu diesem Zwecke missbraucht worden ist, sei es durch Familienangehörige, Freunde oder sonstige Dritte. Nach der Rechtsprechung des BGH schulden auch diejenigen, deren Internetanschluss missbraucht wird, dem Urheber grundsätzlich Unterlassung der rechtswidrigen Handlungen für die Zukunft. Die Ausräumung der durch eine Verletzung begründeten Wiederholungsgefahr ist dabei nach Rechtsprechungsgrundsätzen allein durch die Abgabe einer sog. strafbewehrten Unterlassungserklärung möglich. An deren Formulierung sind hohe Anforderungen zu stellen; Betroffene sollten sich hier also besser nicht selbst betätigen, sondern im Einzelfall einen versierten Berater hinzuziehen; anderenfalls droht Ärger, der teuer werden kann. So auch in einem aktuell durch das Landgericht Hamburg entschiedenen Fall (LG Hamburg, Beschluss vom 11.01.2013,308 O 442/12).
Der Fall:
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin eines Internetanschlusses bei der Deutschen Telekom AG, über den (unstreitg) ureberrechtlich geschütze Werke der Antragstellerin zum Download auf einen Filesharing-Dienst hochgeladen wurden. Die Antragstellerin nahmm die Antragsgegnerin daraufhin - zunächst außergerichtlich - auf Unterlassung der rechtswidrigen Handlungen in Anspruch. In diesem Zusammenhang konnte die Antragsgegnerin zwar darlegen, dass sie für die eingetretene Verletzung nicht als Täter verantwortlich war und weder sie noch ihr Ehemann die Rechtsverletzung vorgenommen hätten, jedoch war eine WLAN-Verbindung vorhanden, über die ein Dritter die angegriffene Verletzung begangen hat.Unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsgrudsätze zur sog. Störerhaftung entschloss sich die Antragsgegnerin gleichwohl zur Abgabe einer entsprechenden Strafbewehrten Unterlassungserklärung, sie verband diese jedoch mit der Versicherung, für die Urheberrechtsverletzung selbst nicht verantwortlich zu sein und erklärte es zukünftig unterlassen zu wollen "urheberrechtlich geschützte Inhalte öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen". Dies war der Antragstellerin nicht genug, weswegen sie ihre Unterlassungsansprüche gerichtlich weiterverfolgte. Vor dem LG Hamburg bekam sie damit nun Recht.
Die Entscheidung:
[...] Indem es die Antragsgegnerin anderen Teilnehmern des Filesharing-Netzwerks ermöglichte, ihren Anschluss zur Weiterleitung des streitgegenständlichen Titels zu benutzen, hat sie für die angegriffene Verletzung indes einen adäquat-kausalen Tatbeitrag geleistet.
Sie hat insoweit auch ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. [...] Konkret trifft den Betreiber eines privaten WLAN-Netzes die Obliegenheit zur Einhaltung des im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungsstandards und zur Vergabe eines persönlichen, ausreichend langen und sicheren Passwortes (BGH, a.a.O.). Gemessen daran ist die Antragsgegnerin eine Prüfpflichtverletzung vorzuwerfen, denn der Ehemann der Antragsgegnerin hat im Rahmen des o.g. Telefonats am 7.12.2012 - wie anwaltlich versichert wurde - weiter angegeben, vor kurzem den Provider gewechselt zu haben und ihm dabei aufgefallen sei, dass der neue Provider gleich für eine Verschlüsselung des WLANs gesorgt habe. Sein altes WLAN sei wohl offen gewesen.
Die widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderlich gewesen.
Zwar hat die Antraggegnerin mit Schreiben vom 11.12.2012 (Anlage ASt 6) eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, diese bezog sich jedoch lediglich auf eine (Mit-)Täterschaft der Antragsgegnerin. Die Störerhaftung stellt demgegenüber ein Aliud dar, welche von der abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht erfasst war. Auch nach erneuter Aufforderung der Antragsstellerin mit Schreiben vom 18.12.2012 (Anlage ASt. 6) und vom 03.01.2013 (Anlage ASt 9) gab die Antragsgegnerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht ab. [...]
Bewertung:
Der Entscheidung des LG Hamburg ist zuzustimmen. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht ein Unterschied zwischen der Haftung als Täter- oder Teilnehmer auf der einen und Störer auf der anderen Seite. Dies hat auch für die Unterlassungserklärung erhebliche Konsequenzen. Der Vorwurf der einem Störer gemacht wird, ist nicht die eigentliche Tathandlung, sondern die Verletzung von Prüf- und/oder Aufsichtspflichten, so dass sich eine Unterschied daraus ergibt, ob jemand sich selbst am Filesharing beteiligt oder aber - wie im vorliegenden Fall - lediglich (fahrlässig) die Möglichkeit schafft, dass Dritte über seinen Internetanschluss derartige rechtswidrige Handlungen begehen. Eine enstprechende Unterlassungserklärung des Störers kann daher zwar mit der Erklärung verbunden werden, er sei nicht der Täter, dann jedoch muss sich die Unterlassungserklärung auch inhaltlich auf die Störereigenschaft beziehen. Der richtige Inhalt lautet daher, es zu unterlassen "es Dritten zu ermöglichen, die auf dem Musikalbum "..." enthaltene Tonaufnahme ... der Künstlergruppe ... als Datensätze auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Entscheidung des LG Hamburg zeigt einmal mehr die Notwendigkeit der genauen Prüfung urheberrechtlicher Abmahnungen; die ungenügende Unterlassungserklärung führte im vorliegenden Fall zur Einschaltung der Gerichte bei einem Gegenstandswert von 6.000,00 € und damit zu Mehrkosten für den Abgemahnten in Höhe von mindestens 693,24 € an Rechtsanwalts- und Gerichtskosten. Dies wäre sicherlich vermeidbar gewesen.
Dr. Robert Kazemi