LG Hamburg: „Kick-Back“ für Hochzeitsfotos, oder wie reduziere ich im Nachhinein die Kosten meiner Feierlichkeiten – Zur werblichen Verwendung privater Hochzeitsfotos durch den Vermieter der Räumlichkeiten
Hochzeitsfeierlichkeiten sind teuer, dies ist hinlänglich bekannt. Vom Gastronom über den Fotografen bis hin zur Bekleidungsindustrie, jeder verdient am privaten Glück mit. Wer nicht Boris Becker oder Verona Poth (geb. Feldbusch) heißt, wird dabei kaum in der Situation sein, diese Kosten auf Dritte, außerhalb der Familie stehende Personen abzuwälzen. Nur selten lässt sich aus der Hochzeitsfeier daher „Kapital schlagen".
Eine dieser Ausnahmen hatte nunmehr das Landgericht (LG) Hamburg zu entscheiden. Ein Hochzeitspaar nahm den Vermieter der für die Feierlichkeit angemieteten Räumlichkeiten auf Schadenersatz in Anspruch, weil dieser (ungefragt) Bilder des Paares zur Bewerbung seiner Räumlichkeiten verwandt hatte (LG Hamburg, Urteil vom 28.05.2010, 324 O 690/09). Das LG sprach den unfreiwillig zu Modells gewordenen Brautleuten insgesamt eine „Vergütung" von 5.000,00 € zu.
Der Fall:
Die Kläger sind Ehepartner, die im Mai 2008 in Hamburg in den Geschäftsräumen der Beklagten, einer Weinhandlung, die auch für gesellschaftliche Anlässe gemietet werden kann, standesamtlich geheiratet haben. Der Raum, in dem die Feierlichkeiten stattfanden, liegt im ersten Stock des Gebäudes an der G..E..straße und ist von außen nicht einsehbar. Die Hochzeitsfeier war eine geschlossene Gesellschaft, bei der die Familie und enge Freunde der Kläger anwesend waren. Zudem war ein von den Klägern engagierter Fotograf, Herr W.., vor Ort, welcher Fotos von der Trauung und der Hochzeitsfeier anfertigte. Nach der Hochzeit fragte die Beklagte den Zeugen W.., ob sie die Fotos von der Hochzeitsfeier zur Ansicht übersandt bekommen könnte. Der Zeuge W.. erkundigte sich bei den in China lebenden Klägern und übersandte anschlie-ßend eine CD mit diversen Hochzeitsfotos an die Beklagte, welche später mit Fotos von der Hochzeitsfeier der Kläger auf Seite 25 der Zeitschrift "H...in H...", Ausgabe August/September/Oktober/November 2008 für ihren Gastronomiebetrieb warb. Eines dieser Fotos zeigt die beiden Kläger von vorne während der Trauungszeremonie. Es ist das größte der fünf auf dieser Seite abgebildeten Fotos. Die Zeitschrift "H..in H.." hat eine Auflage von 10.000 Stück und erscheint alle vier Monate. Sie liegt in allen Standesämtern Hamburgs und Umgebung aus, ebenso bei allen darin werbenden Unternehmen.
Die Entscheidung:
Das erkennende Gericht sieht in der Veröffentlichung der Fotos zu Werbezwecken einen ungerechtfertigten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrechts der Brautleute in Ausprägung des sog. Rechts am Eigenen Bild. Denn, obwohl dem Beklagten eine CD mit den Bildern überlassen worden war, fehlte es - nach Ansicht des LG - an der für die werbliche Verwendung notwendigen ausdrücklichen Einwilligung der Abgebildeten.
Der Anspruch ergibt sich aus §§ 812 Abs. 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB. Die unbefugte Werbung mit einem Bildnis stellt einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild dar; das geschützte Rechtsgut, in das mit derartigen ungenehmigten Veröffentlichungen von Bildnissen zu Werbungszwecken für Waren oder gewerbliche Leistungen eingegriffen wird, ist die allein dem Abgebildeten zustehende freie Entscheidung darüber, ob und in welcher Weise er sein Bild den Geschäftsinteressen Dritter dienstbar machen will (BGHZ 20, 345, 350f.). Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasste Befugnis der Kläger, über die werbemäßige Verwertung ihrer Bildnisse selbst zu entscheiden, stellt ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht dar (BGH NJW 1992, 2084, 2085 m.w.Nw.). Diese erlangte Nutzung der Bildnisse ist im Verhältnis zu den Klägern ohne Rechtsgrund erlangt, da die gemäß § 22 S. 1 KUG erforderliche Einwilligung der Abgebildeten fehlt. Die Beklagte trägt selbst vor, dass sie vor der Veröffentlichung der in Rede stehenden Bilder zu Werbezwecken die Kläger um Zustimmung hätte ersuchen müssen. Damit ist unstreitig, dass die Kläger keine Einwilligung zur werblichen Nutzung der Fotos erteilt haben. Um die Nutzungsmöglichkeit, den Gebrauchsvorteil, ist die Beklagte bereichert. Die Kläger hätten entsprechend der für die Vermarktung von Personen in Werbemaßnahmen herrschenden Übung ihre Erlaubnis von der Zahlung einer Vergütung abhängig machen können. Auch für den Bereicherungsanspruch kommt es dabei nicht auf den Ausgleich einer tatsächlichen Vermögensminderung im Vermögen der Kläger an. Die Beklagte hat die entsprechende Vergütung auf Kosten der Kläger erspart. Die Beklagte hat - da die Herausgabe der Nutzung der Bildnisse nicht möglich ist - gemäß § 818 Abs.2 BGB Wertersatz zu leisten.
Der zu leistenden Wertersatz ist nach dem Betrag zu bestimmen, den die Beklagte im Falle des Abschlusses eines Lizenzvertrages für die ohne Rechtgrund erlangte Nutzung zu bezahlen verpflichtet wären. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welcher Höhe sie für eine Werbung mit Fotos der Kläger eine Vergütung zu zahlen bereit und in der Lage gewesen wäre. Die Beklagte muss sich vielmehr an der Rechtslage, die sie selbst geschaffen hat, festhalten lassen (vgl. BGH, a.a.O.). Bei der Bemessung der Vergütung ist darauf abzustellen, welches Entgelt vernünftige Vertragspartner in der Lage der Parteien als angemessenes Honorar für die werbemäßige Verwertung der Fotos der Kläger ausgehandelt hätten. Dabei sind alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, also unter anderem die Auflagenstärke und Verbreitung der die Werbeanzeige enthaltenen Zeitschrift, die Art und Gestaltung der Veröffentlichungen sowie deren Werbewirkung. Für die Bestimmung der Höhe der Lizenz ist nicht auf die Sichtweise des fiktiven Lizenznehmers abzustellen, denn dieser könnte auch im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen die Konditionen nicht einseitig bestimmen. Dies liefe auf ein Diktat der Vertragsbestimmungen durch die Beklagte hinaus: Sie könnte Personen ohne deren Einwilligung werblich vereinnahmen, um ihnen sodann im Wege der fiktiven Lizenz doch nur die eigene Vertragsvorstellung aufzudrängen. Das wäre unbillig. Im Falle einer werblichen Vereinnahmung ohne Einwilligung des Betroffenen muss sich der Werbende daher vielmehr an der Sachlage, die er selbst geschaffen hat, festhalten lassen (BGHZ 20, 345, 355). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hält die Kammer unter Anwendung des § 278 Abs.1, 2 ZPO eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von EUR 2.500,00 pro Person für angemessen. Für diese vergleichsweise hohe Lizenz hat die Kammer zunächst in ihre Abwägung einfließen lassen, dass es sich bei dem auf Seite 25 der Zeitschrift "H...in H...", Ausgabe August/ September/ Oktober/ November 2008, oben links befindlichen Foto nicht lediglich um eine Fotografie während einer Hochzeitsfeierlichkeit handelt, sondern um eine Aufnahme während der Trauung der Kläger, dessen werbemäßige Veröffentlichung eine überdurchschnittliche Eingriffsintensität inne wohnt. Denn der Moment der Trauung ist grundsätzlich ein sehr persönlicher, intimer Moment im Leben eines Ehepaares. Gerade im vorliegenden Fall fällt zusätzlich eingriffsintensivierend ins Gewicht, dass sich die Kläger nicht in einer öffentlich zugänglichen Einrichtung wie einem Standesamt oder einer Kirche haben trauen lassen, sondern für diesen Moment absichtlich einen öffentlich nicht zugänglichen und nicht einsehbaren Raum gewählt haben, um ihre Trauung in einem privaten Kreis und nur unter Anwesenheit von einigen wenigen geladenen Gästen abzuhalten. Der anwesende Fotograf war von ihnen beauftragt worden, Fotos für ihren persönlichen Gebrauch anzufertigen; es handelte sich nicht um einen Pressefotografen. Für die Veröffentlichung eines Fotos, welches in einem derartig intimen Rahmen aufgenommen wurde, hat die Kammer einen deutlich höheren Wert in Ansatz gebracht, als sie es für eine Fotografie getan hätte, die in oder vor einer öffentlich zugänglichen Einrichtung entstanden wäre. In die Abwägung der Kammer ist ferner der Umstand eingeflossen, dass der Aufmerksamkeitswert der Anzeige durch ihr ganzseitiges Format hoch ist, es sich bei dem die Trauung der Kläger abbildenden Foto um das größte Bildnis in der auf Seite 25 der Zeitschrift "H...in H...", Ausgabe August/ September/ Oktober/ November 2008, veröffentlichten Werbeanzeige handelt und es hierdurch und durch seine Position oben links auf der Seite dem Betrachter beim Aufschlagen der Seite geradezu ins Auge springt. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang allerdings wertmindernd berücksichtigt, dass es sich bei der Zeitschrift, in der das streitgegenständliche Bildnis veröffentlicht wurde, um eine Hochzeitszeitschrift handelt, in der mehrere hundert Hochzeitsfotos abgebildet sind, unter welchen das die Kläger zeigende nicht in besonderem Maße hervorsticht.
Bewertung:
Die Brautleute, die Ihre Hochzeitsfotos auch ins Internet eingestellt hatten, wird das Urteil freuen, zwar hatten sie ursprünglich einen Betrag von 10.000,00 € eingeklagt, aber auch die nunmehr zugesprochenen 5.000,00 € dürften im Ergebnis ein schönes Trostpflaster sein. Der Vermieter hingegen dürfte seine „Spontanaktion" bitter bereuen. Dennoch ist das Urteil des LG zutreffend. Soweit es um die Verwendung von Bildnissen zur werblichen Nutzung geht, ist - neben der Einwilligung des Urhebers - zwingend auch die Einwilligung des Abgebildeten einzuholen. Hierauf sollte jeder vor der Verwendung von Bildern achten.
Dr. Robert Kazemi