19
Mai 2009

LG Essen: Die Königsblauen holen sich ein „blaues Auge“ im Prozess – Doch nicht „König im Revier“ S04?

Nicht nur Fußballvereinen, sondern auch anderen Veranstaltern großer Events ist es ein Dorn im Auge, wenn die Karten zu Ihren Veranstaltungen auf dem „zweiten" Kartenmarkt zu teilweise astronomischen Preisen gehandelt werden. Verkäufe zu Preisen, die den „Originalpreis" um ein 100faches überschreiten, sind keine Seltenheit. Erst kürzlich berichteten die Zeitungen, dass die innerhalb weniger Stunden ausverkauften Karten für die Comeback-Konzerte Michael Jacksons bereits einen Tag nach ihrem Ausverkauf surreale Preise wie 16,000 Pfund (rund 17,000 Euro) für zwei Karten auf dem „zweiten" Markt erzielten. Dieser „zweite" oft als  Schwarzmarkt bezeichnete Verkaufsraum soll eingedämmt werden. Dies ist nahezu allgemeine Meinung.

Zu dumm nur, dass gerade Online-Auktionsplattformen, wie eBay oder Seatwave [www.seatwave.de] den „zweiten" beflügeln, wie es noch vor 10 oder 15 Jahren, wo Karten „vor dem Stadion" verkauft wurden, kaum vorstellbar war. Sicherlich, auf der einen Seite mag es in der Tat ärgerlich sein, wenn sich einige wenige begehrte Karten für Veranstaltungen zu regulären Preisen und allein mit der Absicht beschaffen, diese später gewinnbringend, oftmals zu wucherischen Preisen (siehe Michael Jackson), an die „wahren" Fans zu verkaufen. Verwerflich, unmoralisch und nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH) wohl auch wettbewerbswidrig (BGH, Urt. v. 11.09.2008 - I ZR 74/06 [LINK]).

Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch diejenigen, die Karten vielleicht geschenkt bekommen und den Künstler nicht mögen oder schon anderweitig terminlich gebunden sind, die kurz vor dem Konzert krank werden oder denen andere Dinge dazwischen kommen, die sie davon abhält, ein Konzert, ein Fußballspiel oder eine andere Veranstaltung zu besuchen. Soll auch diesen Personen der Verkauf Ihrer Tickets an Dritte verboten sein? Betrachtet man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vieler Veranstalter, wird man hiervon ausgehen können. Auch der Traditionsverein FC Schalke 04 sieht den privaten Ticketverkauf in weiten Zügen und insbesondere über Online-Auktions-Plattformen wie eBay oder eben Seatwave.de als unzulässig an. Der Verein untersagt den Ticketverkauf daher in seinen AGB und durch Aufdruck auf den Tickets selbst; mit drakonischen Konsequenzen für den Erwerber eines solchen Tickets: Trotz Erwerb eines regulären, aber auf dem „Zweitmarkt" erworbenen Tickets heißt es, „Stadionverbot"!

Diese Praxis wurde dem S04 nun zum Verhängnis. Die Auktionsplattform Seatwave.de nahm den Verein vor dem Landgericht Essen (LG Essen, Urt. v. 26.03.2009, Az. 4 O 69/09) erfolgreich auf Unterlassung dieser Praxis in Anspruch.

Was hatte der FC Schalke 04 genau getan?

Der Verein setzte Mitarbeiter dazu ein, einschlägige Internetplattformen, auf denen Eintrittskarten für Spiele des Vereins verkauft werden, zu durchsuchen. Wird eine eindeutig anhand des Blocks, der Reihe und der Sitzplatznummer identifizierbare Karte bei der Internetrecherche ausfindig gemacht, so sperrt der Verein den Barcode der Karte und verweigert dem jeweiligen Karteninhaber („Erst- oder Zweiterwerber“) den Eintritt zu dem Spiel unter Hinweis auf eine Veräußerung bzw. den Versuch einer solchen über eine nicht autorisierte Vertriebsstelle.

Wie aus dem uns vorliegenden ausführlich begründeten Urteil des LG hervorgeht, betrachtet das Gericht diese Praxis des Sportvereins als Verstoß gegen die Bestimmungen des AGB-Rechts und in Bezug auf den Plattformbetreiber Seatwave als gezielte Absatzbehinderung im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG.

Das Gericht sieht in der durch den Sportverein verwendeten Klauseln in Bezug auf den „Ersterwerber“, nur dieser kann AGB-rechtlich durch die Geschäftsbedingungen als Vertragspartner überhaupt gebunden sein (hierzu sogleich), die AGB-rechtswidrige Normierung eines schuldrechtlichen Veräußerungsverbotes, welches den „Ersterwerber“ im Sinne des § 307 BGB unangemessen benachteiligt.

Diese Unangemessenheit ergebe sich insbesondere daraus, dass der „Ersterwerber“ auch dann Gefahr läuft sein eigenes Zutrittsrecht zu verlieren, wenn es lediglich bei dem Versuch einer Veräußerung über eine Internetplattform bleibt, die Karte also, gleich aus welchem Grunde, nicht an einen Dritten verkauft wird. Auch in diesem Fall verliert derjenige, der seine Karte ja zu einem regulären Preis bei dem Verein oder einem von diesem dazu autorisierten Händler erworben hat, seine Eintrittsberechtigung ins Stadion. Der Aufdruck auf den Tickets, der den Direkterwerbern erst nach Abschluss des Vertrages zur Kenntnis kommen kann und mithin keine wirksame vertragliche Vereinbarung darstellt, geht noch darüber hinaus, indem nicht von einer Kündigungsmöglichkeit die Rede ist, sondern ohne Zwischenschalten einer Willenserklärung des Sportvereins bei einer Veräußerung der (automatische) Verlust des Eintrittsrechts behauptet wird. Auch nach hiesiger Bewertung scheint diese Rechtsfolge unangemessen.

Hinsichtlich des „Zweiterwerbers“ (das Ticket ist also erfolgreich veräußert worden) hat das Gericht – wie im Übrigen bereits der BGH (dieser formuliert in seiner Entscheidung I ZR 74/06: „Hinzu kommt, dass vielfach als Verkäufer in Betracht kommende Privatpersonen nicht wirksam aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers einem Weiterverkaufsverbot an gewerbliche Erwerber unterworfen sein werden. So fehlt es etwa an einer derartigen Bindung, wenn Karten privat verschenkt worden sind, der Erwerber am Besuch des Spiels plötzlich gehindert ist oder wenn bei einer Kartenbestellung - aus welchen Gründen auch immer - die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers nicht wirksam einbezogen wurden. Die Beklagten wenden sich mit ihren Suchanfragen also auch an Privatpersonen, die ihnen Karten anbieten können, ohne Vertragspflichten gegenüber dem Kläger zu verletzen.“) zutreffend bereits die wirksame Einbeziehung der AGB des Vereins gegenüber dem „Zweiterwerber“ verneint. Dieser ist nicht Vertragspartner des jeweiligen Vereins oder Veranstalters und kann daher in AGB schon gar nicht einbezogen sein.

Eine Verpflichtung des „Zweiterwerbers“ ergibt sich – so das LG Essen – auch nicht aus einer sog. urkundlichen Einwendung im Sinne des § 796 BGB. Urkundliche oder inhaltliche Einwendungen sind alle Einwendungen, die aus dem Inhalt des Papiers ersichtlich sind. Dazu gehören einmal alle vom Aussteller auf die Urkunde gesetzten, die Leistungsverpflichtung einschränkenden Vermerke. Warum also nicht auch ein Vermerk der besagt „Ein Verkauf dieser Karte über nicht autorisierte Internet-Auktionshäuser oder nicht autorisierte Internet- Ticketbörsen oder nicht autorisierte gewerbliche Verkäufer ist untersagt. Die Karte verliert bei einem solchen Verkauf ihre Gültigkeit und berechtigt den Inhaber nicht mehr zum Besuch der Veranstaltung“?

Das LG Essen begründet die Nichtannahme einer urkundlichen Einwendung mit einem Verstoß gegen das „Wesen“ des Stadiontickets als sog. Inhaberpapier (§§ 793 Abs. 1, 807 BGB), bei dem das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt. Der Ticketaussteller von nicht personengebundenen Tickets gibt also zu verstehen, dass er in Bezug auf die Person, der er mit diesem Ticket Einlass gewähren will, grundsätzlich nicht unterscheidet. Wollte man die Einwendung auf dem Ticket dennoch für beachtlich halten, so stelle dies einen Verstoß gegen § 137 Abs. 1 BGB dar, wonach rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen verboten sind.

Ob diese Auffassung in der nächsten Instanz Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls scheint die Ansicht des LG Essen nicht so einfach von der Hand zu weisen sein, denn § 137 BGB gilt im Rahmen der dinglichen Übertragung (gem. §§ 929 ff. BGB) absolut.

Da die Tickets also nicht rechtswirksam „veräußerungsfrei“ gestellt werden konnten, lag in dem Versuch der Normierung derartiger Verpflichtungen und der Ankündigung von entsprechenden Sperren zugleich eine unlautere Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG, die immer dann anzunehmen ist, wenn der wettbewerbsrechtlichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers gezielt und unerlaubt zuwider gehandelt wird. Die Abgrenzung zwischen erlaubten und unlauteren Behinderungen erfordert dabei eine Betrachtung der Umstände des Einzelfalls, bei der die sich gegenüberstehenden Interessen der beteiligten Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen sind. Bewertungsmaßstab sind die gesetzlichen Regelungen, insbesondere der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit. Da sich der S04 nach Ansicht des LG auf rechtswidrige AGB stützte, um (auch) das Angebot der Seatwave auf Dauer zu behindern, konnte sich diese daher mit dem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen.

Insgesamt kann die Entscheidung des LG als positiv und richtig bewertet werden. Aus Sicht der Fans jedenfalls schafft sie erst einmal Rechtssicherheit. Private Käufer von Originaltickets müssen nun vorerst nicht befürchten, vor geschlossenen Stadiontoren zu stehen. Wie lange dies jedoch Bestand hat bleibt abzuwarten, denn der FC Schalke 04 und die DFL haben bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Wir berichten weiter…..leider nicht über den Sport!

Dr. Robert Kazemi

 

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