24
Apr 2009

Keine Werbung für den AOK-Hausarztvertrag um jeden Preis – Bayerischer Hausärzteverband unterliegt im Rechtsstreit mit der Wettbewerbszentrale

In einem Kazemi & Lennartz Rechtsanwälten überlassenen Beschluss des Landgerichts München I vom 07. April 2009 (11HK O 6351/09) haben sich die Münchener Richter mit dem Werbeverhalten des Bayerischen Hausärzteverbandes in Bezug auf den in der Fachöffentlichkeit kontrovers diskutierten AOK-Hausarztvertrag befasst.

Das auf Initiative der Wettbewerbszentrale zurückgehende Verfahren betrifft konkret ein Formschreiben, welches der Hausärzteverband seinen Mitgliedern zur Information seiner Patienten überlassen hat. Viele Mitglieder des Verbandes haben dieses Schreiben in ihren Wartezimmern ausgelegt und damit ihren Patienten zugänglich gemacht.

Der Inhalt dieses Schreibens, der hier nicht im einzelnen wiedergegeben werden kann (siehe aber den Beschluss des Landgerichts München I, Seite 3), ging weit über das Maß einer angemessenen Information hinaus – so das Landgericht – und sei deshalb als „unlautere Werbung“ geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Patienten durch einen unangemessenen und unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen (§ 4 Nr. 1 UWG).  In der streitgegenständlichen Patienteninformation heiß es unter anderem:

[…] So bieten die meisten Kassen ihren Versicherten entgegen ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung bis heute keinen Hausarztvertrag an.

Nur die AOK Bayern ist bisher als einzige Kasse bereit, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen und hat mit dem Hausärzteverband einen umfassenden Hausarztvertrag abgeschlossen.

Dieser AOK-Hausarztvertrag bringt für die Versicherten der AOK deutliche Vorteile:
[…]

Liebe Patienten, wenn Sie über einen Kassenwechsel nachdenken, sollten Sie vielleicht auch den Erhalt Ihrer hausärztlichen Versorgung in Ihre Überlegungen einbeziehen. Wenn es keinen Hausarzt mehr gibt, heißt die Alternative lange Anfahrtswege, lange Wartezeiten anonyme Versorgung [...] "

Diese Aussagen – so die Richter – seien unsachlich und teils unrichtig, aber auf Grund des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient geeignet dazu beizutragen, „dass Patienten sich zu einem Kassenwechsel gedrängt fühlen, um das Wohlwollen und die Zuwendung ihres Arztes nicht zu verlieren und seine Bereitschaft zu erhalten, auch ihn trotz seiner Mitgliedschaft in einer `entgegen ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung`  handelnden Kasse `auch in Zukunft gut [zu ] versorgen`“. Dieser Umstand aber führt zur ausgesprochenen Unterlassungspflicht.

Bewertung:

Dem Landgericht ist zuzustimmen. Das im Einzelnen wiedergegebene Schreiben des in Anspruch genommenen Verbandes, verlässt die Grenzen der Information bei Weitem. Dies ergibt sich nicht nur aus der durch das Landgericht München I herangezogenen Norm des § 4 Nr. 1 UWG, sondern im Hinblick auf den, als unmittelbar handelnden, ebenfalls potentiell in Anspruch zu nehmenden Arzt auch aus den Grundsätzen des ärztlichen Standes-und Berufsrechts. Auch hiernach ist lediglich die sachliche Information des Patienten grundsätzlich zulässig (BVerfG, MedR 1986, 128 ff.) und im Hinblick auf das auf dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten basierende Recht auf freie Arztwahl als Informationsgrundrecht auch sinnvoll (vgl. Papier/Petz, NJW 1994, 1561). Ärzten, die derartige gleich- oder ähnlich lautende Fremdinformationen, Formschreiben oder auch eigens erstellte Aussagen gegenüber ihren Patienten vornehmen, droht mithin die kostenträchtige Abmahnung. Vor einer derartigen „Info-Aktion“ sollte daher in jedem Fall Rechtsrat eingeholt werden.

Erfreulich ist – dies sei an dieser Stelle noch angemerkt – dass das Landgericht München I nicht der erst kürzlich durch das Landgericht Essen formulierten Ansicht gefolgt ist (wir berichteten davon: siehe „Zahnarzt wegen Werbung auf dent-net-Internetplattform zur Unterlassung verurteilt“), dass – aus hiesiger Sicht unverständlich und rechtsfehlerhaft – angenommen hat, überall dort, wo es nur im entferntesten um die Erfüllung des Versorgungsauftrages der gesetzlichen Krankenkassen ginge, insbesondere also im Bereich der Direktverträge nach SGB V, fänden die Grundsätze des Wettbewerbs- und Berufsrechts wegen § 69 SGB V keine Anwendung. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Ansicht des Landgerichts München I auch bei anderen Wettbewerbskammern durchsetzen wird.

Dr. Robert Kazemi

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