30
Okt 2013

Für die Beurteilung, ob eine Werbemaßnahme irreführend ist kommt es allein auf den objektiven Sinngehalt der Werbung an

Eine zentrale Bestimmung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb findet sich in § 5 UWG. Dieser verbietet irreführende geschäftliche Handlungen, die dann vorliegen, wenn unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben verbreitet werden. Dabei kommt es - wie der Europäische Gerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (EuGH, Urt. v. 19.09.2013 in der Rechtssache C-435/11, CHS Tour Services GmbH / Team4 Travel GmbH) festgestellt hat - nicht darauf an, ob der Werbende sich der Irreführung bewusst ist. Was war geschehen?

Team4 Travel, ein auf die Vermittlung von Winterurlauben und Skikursen für britische Schülergruppen in Österreich spezialisiertes Reisebüro mit Sitz in Innsbruck (Österreich), gab in ihrer englischsprachigen Broschüre für die Wintersaison 2012 an, dass verschiedene Hotels zu bestimmten Terminen exklusiv über sie gebucht werden könnten. Tatsächlich hatten die betreffenden Hotels Team4 Travel eine solche Exklusivität vertraglich zugesichert. Allerdings hielten sich die betreffenden Hotels nicht an diese Exklusivitätsvereinbarung und räumten auch einem konkurrierenden Reisebüro, bestimmte Kontingente für dieselben Termine ein, was Team4 Travel zum Zeitpunkt der Verteilung ihrer Broschüren nicht wusste.

Objektiv betrachtet, war die Aussage „dass verschiedene Hotels zu bestimmten Terminen exklusiv über Team4 Travel gebucht werden könnten", damit unwahr und täuschte damit über die Verfügbarkeit der angebotenen Leistung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Subjektiv war der Team4 Travel gleichwohl kein Unlauterkeitsvorwurf zu machen, da diese sich auf die Aussagen der mit ihr kooperierenden Hotels und die vorhandene Exlusivitätsvereinbarung verlassen hatte. Der Mitbewerber klagte vor den österreichischen Gerichten gleichwohl auf Unterlassung. In den ersten beiden Instanzen verlor er jedoch, denn die Gerichte wiesen den Unterlassungsantrag mit der Begründung zurück, es liege keine unlautere Praxis vor, da sich Team4 Travel von den Hotels Exklusivität habe zusichern lassen und damit den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt entsprochen habe. Der Oberste Österreichische Gerichtshof sah dies nicht als entscheidend an und gab dem Mitbewerber Recht. Da die Werbeaussage der Team4 Travel objektiv unrichtig war, stelle diese Information aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine irreführende Geschäftspraxis dar.

Der EuGH gab dem Obersten Österreichischen Gerichtshof nunmehr recht und stellte fest, dass bei Vorliegen einer objektiv unwahren Tatsachenbehauptung im Rahmen der Beurteilung der Irreführung nicht geprüft zu werden braucht, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne dieser Richtlinie widerspricht, um die Praxis als unlauter und mithin verboten ansehen zu können.

Nach der maßgebenden Bestimmung der Richtlinie - so der EuGH - hängt der irreführende Charakter einer Geschäftspraxis nämlich allein davon ab, dass sie unwahr ist, weil sie falsche Angaben enthält, oder dass sie ganz allgemein den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf u. a. die Art oder die wesentlichen Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung zu täuschen geeignet ist und ihn dadurch voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ohne diese Praxis nicht getroffen hätte. Die Tatbestandsmerkmale einer irreführenden Geschäftspraxis sind daher im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert. Liegen diese Merkmale vor, ist die Praxis als irreführend und mithin als unlauter und verboten anzusehen.

Die Entscheidung des EuGH ist folgerichtig und zutreffend. Sie berücksichtigt die Zielsetzung der Wettbewerbsvorschriften, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Hierfür jedoch ist eine verschuldensunabhängige Prüfung der Irreführungstatbestände ein wesentliches Kriterium. Dies bedeutet, wer mit Aussagen und Zusagen Dritter wirbt, sollte sich sehr sicher sein, dass diese auch tatsächlich zutreffen. Andernfalls droht hier die wettbewerbsrechtliche Inanspruchnahme durch Mitbewerber. Wer gleichwohl und aus unternehmerischer Sicht auf solche Werbeaussagen nicht verzichten will, der sollte bereits im Rahmen der Verhandlungen mit demjenigen, auf dessen Zusagen man sich in der Werbung verlässt, entsprechende Vereinbarungen über die Freistellung im Falle der wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme treffen. Dies gilt beispielsweise bei Kooperationsgeschäften, aber auch - wie im vorliegenden Fall - dann, bei Exklusivitätsvereinbarungen. Lassen Sie sich hier im Vorfeld genau beraten.

Dr. Robert Kazemi

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