FG Bremen: Keine Rückstellungen für drohende Regresse der Krankenkasse
Können Ärzte bereits vor Erlass eines Regressbescheids durch das Prüfgremium gewinnmindernde Rückstellungen für die Regressforderungen der Krankenkasse wegen einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise bilden? Das Finanzgericht Bremen [FG Bremen: 1 K 32/10 (5)] sagt: Nein!
Zum Sachverhalt:
Eine Gemeinschaftspraxis hatte die maßgeblichen Richtgrößen für Verordnungen von Arznei- und Heilmittel in mehreren Quartalen erheblich überschritten. Nach Beanstandung und Einleitung von Überprüfungsverfahren durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung hatten die Ärzte deshalb in ihren Bilanzen gewinnmindernde Rückstellungen gebildet für den Fall von Regressforderungen durch die Krankenkassen. Zu einer Inanspruchnahme kam es jedoch im Ergebnis nicht.
Die Entscheidung:
Das Finanzgericht Bremen hat entschieden, dass eine Rückstellung aufgrund einer drohenden Inanspruchnahme erst dann zulässig ist, wenn am Bilanzstichtag ein durch das Prüfgremium erlassener Regressbescheid bereits vorliegt.
Das Gericht hat ausgeführt, dass es nach ständiger Rechtsprechung des BFH für Rückstellungen aus Verpflichtungen aus öffentlichem Recht erforderlich ist, dass diese am Bilanzstichtag hinreichend inhaltlich und zeitlich konkretisiert seien. Es müsse nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag zu erwarten sein, dass der Steuerpflichtige aus der Verbindlichkeit in Anspruch genommen wird. Die ernstliche Erwartung einer Inanspruchnahme sei anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen (FG Bremen a.a.O.).
Alleine die Mitteilung der Einleitung von Prüfungsverfahren berechtige dabei noch nicht zur Rückstellungsbildung. Das Prüfungsverfahren beruhe dabei auf der Prüfvereinbarung von 1999. Hiernach sei aber die gesamte Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit des Arztes zu prüfen und zu berücksichtigen. Die Einleitung des Verfahrens alleine führe dabei keineswegs zwingend zur Festsetzung eines Regresses. Der Arzt könne vielmehr noch Abweichungen durchaus rechtfertigen und somit den Regress abwenden. Erst der Beschluss des Prüfungsausschusses über die Inanspruchnahme des Arztes stelle eine behördliche Verfügung dar, die die erforderliche Konkretisierung der öffentlich-rechtlichen Zahlungspflicht begründe.
Das Gericht hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
Anmerkung:
Das Finanzgericht Bremen hat hier der Rechtsprechung des BFH entsprechend danach abgegrenzt, ob bereits eine hinreichende Konkretisierung der öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtung begründet ist. M.E. nach durchaus nachvollziehbar hat das Gericht hier dargelegt, dass erst nach Abschluss des Prüfungsverfahrens eine konkrete Inanspruchnahme im Raum stehen kann, da zuvor noch die Möglichkeit des Arztes besteht Abweichungen zu rechtfertigen. Ob dies aber uneingeschränkt in jedem Einzelfalle pauschal gelten kann, bleibt zu Recht offen. Wie das Gericht aber darlegte, stellt diese Beurteilung stets eine Einzelfallentscheidung dar. Es ist damit m.E. nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch vor Erlass des Bescheides die Inanspruchnahme als derartig konkret anzusehen ist, dass auch bereits zuvor eine Rückstellung zulässig ist. Es wird abzuwarten sein, wie sich - sollte es denn dazu kommen - der BFH zu dieser Frage äußern würde. Eine höchstrichterliche Klarstellung dieser Frage wäre wünschenswert.
Dr. Robert Kazemi