EuGH: Rückschlag für die Pharmaindustrie im Kampf gegen Parallelimporte aus Ländern mit niedrigen Arzneimittelpreisen
Die Einfuhr von Billig-Arzneimitteln aus Ländern, die im Vergleich zur Bundesrepublik niedrigere Arzneimittelpreise haben, ist für die Pharmaindustrie, wie für jeden Markeninhaber ein Graus. Verhindert diese Praxis doch die autonome Bestimmung von Verkaufspreisen in einzelnen Ländern auf Grund der individuellen Begebenheiten. Parallelexporte aus Niedrig- in Hochpreisländer kosten die Konzerne damit viel Geld.
Aus diesem Grunde schloss die spanische Tochter der GlaxoSmithKline-Gruppe mit ihren Arznei-Großhändlern Vereinbarungen ab, die höhere Preise vorsahen, wenn Großhändler Medikamente außerhalb Spaniens absetzen. Hiermit sollte verhindert werden, dass Großhändler bestehende Preisunterschiede dazu nutzten, Arzneien in Spanien einzukaufen, um sie in anderen europäischen Ländern „gewinnbringend" unter dem in diesen Ländern bestehenden Einkaufspreis abzusetzen.
Die EU-Kommission untersagte dieses Vorgehen unter dem Gesichtspunkt der Kartellrechtswidrigkeit und der unzulässigen Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit im europäischen Binnenmarkt.
Die hierauf durch GlaxoSmithKline erhobene Klage zum Europäischen Gericht Erster Instanz (EuG) war noch erfolgreich (Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission - T-168/01, Slg. 2006, II-2969).
Der EuG hatte zwar festgestellt, dass mit der Vereinbarung ein System differenzierter Preise eingeführt werden sollte, um den Parallelhandel zu begrenzen, und dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass mit ihr eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt werde.
Der EuG hat jedoch ausgeführt, dass dieses Ziel der Begrenzung des Parallelhandels angesichts des rechtlichen und wirtschaftlichen Kontextes allein nicht ausreiche, um von einem wettbewerbswidrigen Zweck der Vereinbarung auszugehen. Es hat vielmehr die Auffassung vertreten, dass dem wesentlichen Schluss der Kommission, wonach die Vereinbarung nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sei, da er eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecke, nicht gefolgt werden könne. Da die Preise der fraglichen Arzneimittel aufgrund der geltenden Regelung in weitem Umfang dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage entzogen seien und von staatlichen Stellen festgesetzt oder kontrolliert würden, könne nicht ohne weiteres als gesichert angenommen werden, dass der Parallelhandel tendenziell dazu führe, sie sinken zu lassen und damit das Wohlergehen der Endverbraucher zu vermehren. Die in diesem Kontext vorgenommene Analyse des Wortlauts der Vereinbarung erlaube somit nicht die Vermutung, dass diese Klausel, die auf eine Begrenzung des Parallelhandels abziele, damit tendenziell das Wohlergehen des Endverbrauchers mindere. Auch erkannte der EuG an, dass in Anbetracht der enormen Forschungs- und Entwicklungskosten von Arzneimitteln ein Preis, der über den Grenzkosten liegt, gerechtfertigt und notwendig sein kann.
Dem ist der EuGH nunmehr mit Urteil vom 06.10.2009 (EuGH, Urteil vom 6. 10. 2009 - C-501/ 06 P) entgegengetreten, das Gericht stellt fest, dass ein duales Preissystem, bei dem für exportierte Arzneimittel höhere Preise verrechnet werden als für jene, die im Land abgesetzt werden, stets das Kartellverbot aus Art 81 des EG-Vertrags verletzt.
Der EuGH betont jedoch die grundsätzliche Möglichkeit einer Freistellung gemäß Art. 81 EG, die im Falle der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts in Betracht komme. Dieser Beitrag könne jedoch nicht schon in jedem Vorteil gesehen werden, der sich aus der Vereinbarung für die Tätigkeit der an ihr beteiligten Unternehmen ergibt, sondern nur in spürbaren objektiven Vorteilen, die geeignet sind, die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen (Rz. 92 des Urteils). Ob dementsprechend ein Freistellungsgrund vorliege oder nicht, habe die Kommission unter Zugrundelegung aller Fakten zu überprüfen.
Dies war im vorliegenden Fall offensichtlich nicht geschehen, weswegen der EuGH die Kommission zur erneuten Prüfung des Freistellungsgesuchs der GlaxoSmithKline verpflichtet.
Dr. Robert Kazemi