EuGH: Google offenbar erfolgreich - Recht auf „Vergessen“ beschränkt Suchmaschinenbetreiber nicht
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG soll die einwilligungslose Datenverarbeitung von Daten zur Erfüllung eines Geschäftszweckes zulässig sein, soweit die Daten allgemein zugänglich sind oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Verbreitung oder Nutzung überwiegt. Zentraler Begriff dieser Erlaubnisnorm für die einwilligungslose Datenverarbeitung ist die „allgemeine Zugänglichkeit". Personenbezogene Daten sind dann allgemein zugänglich, wenn „der Zugriff auf die Daten für jeden rechtlich voraussetzungslos und ohne technische Zugangsbarrieren möglich ist". Zu den in vorgenanntem Sinne allgemein zugänglichen Daten, zählen in jedem Fall sämtliche in Printmedien veröffentlichte Daten, z. B. solche aus Zeitungen, Zeitschriften, Adress- und/oder Telefonbüchern. Auch branchenspezifische Nachschlagewerke, beispielsweise das Anwaltsverzeichnis des DAV, zählen zu den öffentlichen Quellen, aus denen Daten für eigene Geschäftszwecke grundsätzlich ohne Einwilligung des Betroffenen entnommen werden können. Als allgemein zugängliche Daten werden zudem Daten aus öffentlichen Anschlägen (Plakate, Aushänge etc.), visuellen oder akustischen (Massen-)Medien, wie Rundfunk, Fernsehen, CD-ROMs, DVD etc., aber auch öffentlichen Ausstellungen und/oder Messen angesehen. Zu den öffentlichen Quellen zählt zweifelsohne auch das Internet. Was über Suchmaschinen oder auf sonstige Weise im WWW an personenbezogenen Daten gefunden werden kann, kann grundsätzlich als aus öffentlich zugänglichen Datenquellen entnommen eingestuft werden.
So dramatisch dies auf den ersten Blick erscheinen mag, ist diese Konsequenz hingegen nicht. Denn auch im Rahmen der Erlaubnisnorm des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG findet die einwilligungslose Datenerhebung dort ihre Grenze, wo das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle offensichtlich überwiegt.
Die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen müssen „offensichtlich", das heißt ohne weiteres erkennbar, die berechtigten Interessen der verantwortlichen Stelle überwiegen. Dies ist anhand der Wertung eines „unvoreingenommenen verständigen Dritten" zu überprüfen. Die Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Betroffenen dient als Korrektiv zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und ist daher vor jeder Datenerhebung zwingend in den Abwägungsvorgang einzubeziehen. Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass nur „offensichtlich" betroffene Interessen zu berücksichtigen sind. Offensichtlich bedeutet dabei im Sinne der Evidenztheorie, dass die Verletzung der betroffenen Interessen für einen unvoreingenommenen verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Bewertung der in allgemein zugänglichen Quellen enthaltenen Daten durch Zeitablauf, überholende Ereignisse oder sonstige Umstände ändern kann. Derartige „historische Daten", die über eine Person oder von der Person über sich in früheren Zeiten einmal veröffentlicht wurden oder in Registern zugänglich waren, sind nach allgemeiner Rechtsansicht im Zweifel nicht einwilligungslos zu erheben. In diesem Zusammenhang spricht Taeger (Taeger, in: Taeger/Gabel (Hrsg.), BDSG, 2010, § 28 Rn. 103) zu Recht von einer „Gnade des Vergessens", die sich in dem „Recht, in Ruhe gelassen" zu werden, ausdrückt (in diesem Sinne auch Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 41. Ergänzungslieferung, April 2010, § 28 Rn. 25).
Diese nicht nur in der Bundesrepublik vorherrschende Rechtsansicht soll nach der Auffassung des Generalanwaltes beim EuGH für Suchmaschinenbetreiber keine Anwendung finden. Denn aus den Datenschutzbestimmungen folge nicht, dass auch der Suchmaschinenbetreiber für die einzelnen, von der Suchmaschine indexierten Webseiten verantwortlich sei. Eine derartige Auslegung der Datenschutzvorschriften sei weder zeitgemäß noch praktikabel. Daher können Suchmaschinenbeteiber nicht dazu verpflichtet werden, einzelne Seiten aus den Suchergebnissen zu streichen. Ein Recht auf Löschung oder Sperrung von Daten bestehe nur, wenn die Daten unrichtig oder unvollständig seien. Der bloße Umstand, einen - wahrheitsgemäßen - Zeitungsartikel über die eigene Person nicht im Internet sehen zu wollen, reiche dafür aber nicht aus.
Dr. Robert Kazemi