26
Sep 2010

Der Grüne Apfel und das Markenrecht – BPatG hebt Löschungsentscheidungen auf

Im Januar 2008 berichteten viele zahnärztliche Medien über eine „neue Abmahnungswelle"; eine Kieferorthopädin in Süddeutschland hatte sich einen grünen Apfel als Marke schützen lassen und ging vereinzelt gegen Kollegen vor, die identische oder hochgradig ähnliche Bilder zur Darstellung Ihres zahnärztlichen Leistungsangebotes verwandten. Die Empörung in der Zahnärzteschaft war groß, noch größer war das entsprechende Medienecho, auch über die zahnärztlichen Medien hinaus. Die Empörung über die Markeneintragung zeigt die nach wie vor bestehende Unkenntnis über die Reichweite gewerblicher Schutzrechte im Gesundheitswesen, insbesondere in der Ärzte- und Zahnärzteschaft.

Ein grüner Apfel könne nicht „monopolisiert" werden; er sei das Symbol für zahnärztliche Dienstleistungen und müsse daher allen Zahnärzten zur Verwendung offen stehen, schallte es damals aus allen Ecken des Landes. Ganz unabhängig davon, dass es - wie der Unterzeichner weiß - nicht zu „hunderten" von Abmahnungen gekommen ist, ist diese Rechtsansicht auch unzutreffend.  Dies hat nunmehr auch das BPatG in zwei durch den Unterzeichner für die Markeninhaberin geführten Verfahren bestätigt (BPatG, Beschluss vom 29.04.2010 - 30 W (pat) 96/06 und  BPatG, Beschluss vom 29.04.2010 - 30 W (pat) 106/09).

Sicherlich, das BPatG entscheidet auf Basis der bestehenden Gesetze, nicht auf der überzogener Moralvorstellungen, dennoch, kann etwas moralisch verwerflich sein, das rechtlich als zulässig eingestuft und damit durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber als gesellschaftlicher Konsens anerkannt ist?  Der Unterzeichner meint nein.

Absolute Schutzhindernisse

Im Rahmen des Eintragungsverfahrens prüfen sowohl das HABM (für die CTM) als auch das DPMA (für DE-Marken) das Vorliegen der sog. absoluten Eintragungshindernisse (Art. 7 GMV bzw. § 8 MarkenG). So sind Marken denen jegliche Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 7 Abs. 1 b) GMV) fehlt ebenso von der Eintragung ausgeschlossen, wie solche Kennzeichen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bzw. Art. 7 Abs. 1 c) GMV). Beschreibende Marken z.B. „gefriergetrocknet", „vakuumverpackt", „super Luxus", „hustenheilend" etc. sind damit von der Eintragung nach   § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bzw. Art. 7 Abs. 1 c) GMV ausgeschlossen.

Unterscheidungskraft im Sinne der Vorschriften des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bzw. des Art. 7 Abs. 1 b) GMV ist im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden.

Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsabnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist.

Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung solche Zeichen, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen.

Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, da der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, und es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht.

Kann einer Marke kein für die in Frage stehenden Waren/Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass einem als Marke verwendeten Wortzeichen die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit die Unterscheidungskraft fehlt.

Der Grüne Apfel

Bezogen auf den „grünen Apfel" hatte die Markenstelle 3.4. des DPMA angenommen, das Bildnis eines granny-smith-farbenen Apfels sei für „zahnärztliche Dienstleistungen" beschreibend im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Durch die sehr intensive Blendamed-Werbung, die auch noch heute weiten Teilen der Bevölkerung gegenwärtig sei, könne davon ausgegangen werden, dass sich speziell der grüne Apfel zu einem Symbol für gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch im Bereich der Gingivitis-Prophylaxe entwickelt habe.

Der Granny Smith vermittele nicht nur wegen seiner grünen Farbe, sondern auch wegen seines sehr sauren Geschmacks in einem ganz besonderen Maße das Gefühl einer "knackigen" oder festen Konsistenz des Fruchtfleisches und sei damit ganz besonders geeignet, auf das kraftvolle "Hineinbeißen" mit gesunden Zähnen hinzuweisen. Damit weise der „Grüne Apfel" einen "engen beschreibenden Bezug" zu den Dienstleistungen eines Zahnarztes auf.

Dass diese Argumentation schlussendlich der Eintragung der Marke erfolgreich entgegengehalten werden kann, ist fernliegend und wurde auch vom BPatG nicht bestätigt. Es führt aus:

„Soweit die Markenabteilung auf die Blend-a-med Werbung Bezug nimmt, ist festzustellen, dass hierbei der Biss in einen grünen Apfel als eine Art von Test bzw. als Bestätigung dafür gezeigt wurde, dass mit der Anwendung der Blend-a-med Zahnpasta das Zahnfleisch so gesund erhalten werden konnte, dass es beim Biss in den Apfel nicht blutete und damit ein Parodontoserisiko nicht entstehen konnte. Dargestellt wurde hierbei stets der angebissene grüne Apfel mit weißer Bissstelle, um Wirkungsgrad und Erfolg der Zahnpasta herauszustellen. Bei der vorliegenden Darstellung handelt es sich dagegen um einen unversehrten, grünen Apfel mit einem charakteristischen Schattenwurf, der sich von dem in der bekannten Werbung verwendeten Apfel deutlich unterscheidet.

Aus dem Umstand, dass der Biss in einen grünen Apfel als Test zur Überprüfung des Gesundheitszustandes des Zahnfleischs durch eine frühere Werbung für Zahnpasta eine gewisse Bekanntheit erreicht hatte und der grüne Apfel besonders geeignet ist, auf das kraftvolle Hineinbeißen mit gesunden Zähnen hinzuweisen, lässt sich entgegen der Ansicht der Markenabteilung noch nicht darauf schließen, dass sich speziell der grüne Apfel zu einem Symbol für gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch im Bereich der Gingivitis-Prophylaxe entwickelt hat. Dies würde voraussetzen, dass der grüne Apfel stets als entsprechende eindeutige Sachangabe verstanden wird. Der Apfel an sich wird mit Gesundheit verbunden, der grüne Apfel im Speziellen mit Frische und besonders fruchtigem Geschmack und Geruch. Auch wenn dem Apfel an sich eine allgemein gesundheitsfördernde Wirkung zuzuschreiben ist und er auch notfalls als Ersatz zur Zahnreinigung verwendet werden mag, so versteht der Durchschnittsverbraucher die Abbildung eines grünen Apfels nicht ohne weiteres als Sachhinweis für gesunde Zähne oder gesundes Zahnfleisch. Insoweit hat weder die Antragstellerin noch die Markenabteilung Nachweise für ein entsprechendes Verkehrsverständnis genannt. Von dem "Apfelbiss" aus der Zahnpastawerbung auf gesunde Zähne und auf eine hierfür erforderliche Parodontosebehandlung und sodann auf eine entsprechende allgemeine Symbolik grüner Äpfel zu schließen und diese auf die hier vorliegende Apfeldarstellung zu beziehen ist keine nahe liegende Betrachtungsweise, sondern erfordert mehrere gedankliche Zwischenschritte. Der Durchschnittsverbraucher wird auch aus dem Umstand, dass die Darstellung eines grünen Apfels im Zusammenhang mit der Werbung für zahnärztliche Leistungen Verwendung findet, nicht darauf schließen, dass der grüne Apfel an sich ein Symbol für gesunde Zähne und ein Sachhinweis im Zusammenhang mit Parodontosebehandlungen ist. Es ergeben sich somit keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Feststellung, dass der Verkehr mit der Bildmarke einen unmittelbaren und konkreten Sachbezug zu den beanspruchten Dienstleistungen "Medizinische Dienstleistung, insbesondere Dienstleistung eines Zahnarztes, Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen" herstellt, da die Abbildung eines grünen Apfels insoweit keine geläufige Sachangabe ist und ein (allgemein) beschreibender bzw. sachbezogener Begriffsgehalt nicht ohne weiteres und ohne Unklarheiten zu entnehmen ist."

Bewertung:

Die Entscheidung ist für den Markenrechtler keinesfalls überraschend. Nein, berücksichtigt man die Wertungen des deutschen und europäischen Markenrechts, so konnte die Entscheidung gar nicht anders ausfallen. Die Kieferorthopädin hat auf Basis des geltenden Rechts und damit auch nicht unmoralisch gehandelt, als sie ihre Markenrechte gegenüber der unbefugten Verwendung durch Dritte verteidigte. Diese rechtliche Handhabe räumt das Gesetz jedem Markenrechtsinhaber ein. Aus Sicht des Unterzeichners besteht auch kein Grund dafür, diese Rechtsposition durch eine besondere Standesmoral zu beschränken.

Die Zeiten in denen „die eine Krähe der anderen kein Auge aushackte" sind vielmehr - auch im Gesundheitsmarkt - seit langem vorbei. Dies mag man traurig finden, es ist jedoch Realität. Das belegt die in den letzten Jahren massiv angestiegene Zahl wettbewerbsrechtlicher Gerichtsverfahren mit gesundheitsrechtlichem Bezug.

Nicht jeder Mediziner,  der diese Realitäten erkennt und entsprechend handelt, beispielsweise indem er sich Urheber- und/oder Markenrechte sichert, kann hierfür gleich an den öffentlichen Pranger gestellt werden. Was rechtens ist kann bis zur Grenze der Rechtsmissbräuchlichkeit nicht unmoralisch sein. Das Vorliegen eines Missbrauchs ist dabei jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Allein eine erhebliche Zahl von Verfahren, mit denen Unterlassungsansprüche verfolgt werden, reicht hierfür nicht aus. Denn der Schutz einer gesicherten Rechtposition kann nicht dadurch geschwächt werden, dass viele Verstöße eine Vielzahl von Verfahren erfordern.

Diese Grundsätze sind allgemein anerkannt. Daher bleibt jedem, der sich im geschäftlichen Verkehr, sei es als Mediziner oder sonstiger Unternehmer, bewegt, vor der Verwendung von Bildern, Kennzeichen, Kartenausschnitten etc. überprüfen zu lassen, ob Rechte Dritter einer solchen Verwendung entgegenstehen können. Wer dies nicht tut, kann sich im Nachhinein nicht mit moralischen Argumenten „freizeichnen".

Dr. Robert Kazemi, Bonn

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