01
Jun 2009

BSG: Keine Protonentherapie bei Brustkrebs – GBA siegt im Kompetenzstreit mit dem BMG

Die Frage, ob Protonenbestrahlung eine geeignete Therapiemaßnahme zur Behandlung von Mammakarzinomen darstellt, bildete nur vordergründig den Gegenstand des Verfahrens vor dem BSG. Im Kern ging es jedoch um die Frage, ob das BMG bei Überprüfung der Richtlinienbeschlüsse des Gemeinsamen Bewertungsausschusses (GBA) auf eine sog. Rechtsaufsicht beschränkt ist oder weitergehende Befugnisse hat (sog. Fachaufsicht).

Im Rahmen der sog. Rechtsaufsicht hat die überwachende Behörde – hier das BMG - nur dafür zu sorgen, dass die untergeordnete Behörde – hier der GBA - die Schranken der Gesetze einhält und die ihr durch Gesetz auferlegten Pflichten erfüllt. Die mit Rechtsaufsicht ausgestattete Behörde darf daher nur dann einschreiten, wenn ein rechtswidriges Handeln festgestellt wurde. Zu einer weitergehenden Prüfung oder gar zu Weisungen ist die übergeordnete Behörde im Rahmen der Rechtsaufsicht nicht befugt. Sie darf die Entscheidungen der Ausgangsbehörde nur dahingehend untersuchen, ob hier sog. Ermessensfehler vorliegen. Ob eine Entscheidung hingegen zweckmäßig ist, obliegt allein der Beurteilung der Ausgangsbehörde.

Im Rahmen der sog. Fachaufsicht wird die nachgeordnete Behörde nicht nur daraufhin kontrolliert, ob sie Recht und Gesetz einhält (Rechtsaufsicht), sie unterliegt vielmehr auch der Zweckmäßigkeitskontrolle (Art und Weise der Aufgabenerfüllung). Sie kann daher die Ermessens- wie auch die Zweckmäßigkeitserwägungen der Ausgangsbehörde durch ihr eigenes Ermessen bzw. eigene Zweckmäßigkeitserwägungen ergänzen.

Im vorliegenden Fall (BSG, Urt. v. 06.05.2009 - Az.:  B 6 A 1/08 R) war das BMG – zu Unrecht – der Auffassung, es sei dem GBA als Fachaufsichtsbehörde „vorgesetzt“ und können demnach Entscheidungen desselben durch eigene Entscheidungen ersetzen. Konkret ging es um die Frage der geeigneten Behandlungsform für Mammakarzinome. Der GBA hatte entscheiden, dass die Protonentherapie mit der Indikation Ästhesioneuroblastom derzeit weder allein noch in Kombination mit einer anderen Therapie das Kriterium der Erforderlichkeit für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten erfülle und damit keine Leistung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sei (zum Ausgangsverfahren siehe: SG Köln, Urteil vom 19.01.2005, S 19 KR 76/05).

An diese Feststellungen ist auch das BMG gebunden, urteilte nun das BSG. Zwar lasse sich dies dem Wortlaut des § 94 SGB V nicht eindeutig entnehmen, ergebe sich aber „deutlich aus dem traditionellen System des Aufsichtsrechts in der Sozialversicherung und vor allem aus der Rolle und Funktion des GBA bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung in rechtsverbindlichen Richtlinien.“ In seiner Pressemitteilung führt der der Vorsitzende des 6. Senats, Prof. Dr. Ulrich Wenner aus: "Könnte das BMG mit Hilfe seiner Aufsichtsbefugnisse den Inhalt der Richtlinien des GBA selbst in allen Einzelheiten festlegen und damit die Gestaltungsfreiheit des GBA aushöhlen, würde dies zwangsläufig die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Erlasses untergesetzlicher Vorschriften durch ein Ministerium abweichend von den Vorgaben in Artikel 80 Grundgesetz erneut aufwerfen." (Quelle: Medieninformation Nr. 16/2009 des BSG vom 06.05.2009)

Dr. Robert Kazemi

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