BGH: Verwendung fremder Fotos für Rezeptsammlung im Internet – marions-kochbuch.de
Der Bundesgerichtshof (BGH) berichtet in einer aktuellen Pressemitteilung über eine Entscheidung in einem Rechtstreit zwischen zwei online Informationsportalen, die Rezeptsammlungen vorhalten (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 166/07 - marions.kochbuch.de). Die Kläger betreiben die Internetplattform „marions.kochbuch.de", die Beklagten sind die Betreiber des Portals „chefkoch.de".
Auf den Internetseiten der „chefkoch.de" können (registrierte) Nutzer Rezepte selbständig mit passenden Bildern hochgeladen. Dabei wurden in der Vergangenheit mehrfach Fotos verwendet, die von der der Plattform „marions.kochbuch.de" stammen. Wie bereits die Vorinstanzen so beurteilt auch der BGH dies als Urheberrechtsverletzung für die die Betreiber der Plattform „chefkoch.de" einzustehen haben.
Bis hierhin ist die Entscheidung des BGH nachvollziehbar und konsequent, insbesondere, weil sich „chefkoch.de" die Rezeptsammlungen zu Eigen macht. Was aber droht nun denjenigen Nutzern, die tatsächlich für das Kopieren der Bilder von „marions.kochbuch.de" verantwortlich zeichnen. Liest man die AGB von „chefkoch.de" so könnten Rückgriffsansprüche gegen die „Hobbyköche" drohen.
In den AGB heißt es unter Ziff. 4.2:
„Sofern eine elektronische Vervielfältigung oder Verbreitung oder die Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG durch uns in Bezug auf Inhalte, die ein Nutzer hochgeladen hat bzw. die uns von einem Nutzer zur Verfügung gestellt worden sind, zu berechtigten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen von dritter Seite führt, ist der Nutzer verpflichtet, Pixelhouse und seine gesetzlichen Vertreter unverzüglich von diesen Ansprüchen freizustellen und die Kosten der außergerichtlichen und einer etwaigen gerichtlichen Rechtsverteidigung zu übernehmen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Nutzer es schuldhaft unterlassen hat, uns auf Nutzungsbeschränkungen hinzuweisen bzw. die Inhalte eingestellt hat, obschon er wusste oder hätte wissen können, dass daran entgegenstehende Rechte Dritter bestehen.
Besondere Vorsicht ist insbesondere bei dem Hochladen von Fotografien und sonstigen Bildmaterialien geboten, die nicht von dem Nutzer selbst stammen. Dieses Material sollte ausdrücklich als gemeinfrei gekennzeichnet sein. Sofern die Angabe eines Urhebers oder Fotografen im Zusammenhang mit der Nutzung vorgegeben ist, müssen wir darüber vorab per Mail unter Angabe der Quelle informiert werden."
Der BGH bestätigte Schadensersatzansprüche der Betreiber von „marions-kochbuch.de" gegen „chefkoch.de". Kann sich der Chefkoch nun im Ergebnis bei seinen Hobbyköchen schadlos halten?
Wir meinen Nein.
Zwar sprechen die AGB-Bestimmungen hier eine eindeutige Sprache, doch können derartige vorformulierte Klauseln nur dann Geltung beanspruchen, wenn sie ihrerseits rechtswirksam sind. Dies ist für die hiesige Klausel jedoch nicht anzunehmen.
Nach § 307 Abs. 1 BGB sind AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Hiervon ist vereinfacht gesprochen dann auszugehen, wenn eine sorgfältige und alle Umstände des Falles in Betracht ziehende Ermittlung der gegenseitigen Interessen zu dem Ergebnis gelangen muss, dass die Interessen an einer Beseitigung der Klausel die Interessen an ihrer Aufrechterhaltung überwiegen.
Bezogen auf den hiesigen Fall sind daher - nach unserer Auffassung - auch die Entscheidungsgründe des BGH mit zu berücksichtigen. Der BGH formuliert: „Die Beklagte habe nicht ausreichend geprüft, wem die Rechte an den auf ihrer Plattform erschienenen Fotos zustünden. Der Hinweis in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass auf ihre Plattform keine urheberrechtsverletzenden Inhalte geladen werden dürften, reiche insoweit nicht aus."
Denn Chefkoch trifft mithin eine weitgehende Überwachungspflicht seiner Hobbyköche, diese würde im Ergebnis leer laufen, wenn die sich aus dieser Überwachungspflicht ergebenden (Haftungs-)Risiken gleichsam mittels AGB auf die Kunden übergeleitet werden könnten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es der Chefkoch ist, der aus dem Portal - über Premium-Zugänge und vor allem über Werbeeinnahmen - Gewinne erzielt. Der einzelne Hobbykoch profitiert hingegen nicht. Ihn nun aber, auch für den Fall, dass ihm die Urheberechtswidrigkeit u.U. gar nicht bewusst war, in die Haftung zu nehmen, erscheint unbillig.
Dr. Robert Kazemi