BGH: Verschleierung des Werbecharakters eines Preisrätsels
Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer den werblichen Charakter einer geschäftlichen Handlung verschleiert. Mit der genannten Vorschrift soll das medienrechtliche Verbot der Schleichwerbung auf alle Formen der Werbung ausgedehnt werden (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 17). Die Bestimmung des § 4 Nr. 3 UWG bezweckt damit den Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen. Eine Verschleierung liegt vor, wenn die Handlung so vorgenommen wird, dass der Werbecharakter nicht klar und eindeutig zu erkennen ist.
Grundlage des in § 4 Nr. 3 UWG enthaltenen Verbots redaktioneller Werbung ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere Bedeutung und Beachtung bemisst. Wird in einer Zeitschrift der redaktionelle Teil mit Werbung vermischt, ist im Allgemeinen eine Irreführung anzunehmen. Dies hat der BGH mit seinem Urteil vom 31. Oktober 2012 (Az. I ZR 205/11) bestätigt.
Der Fall:
Die Beklagte ist Verlegerin einer monatlich erscheinenden Zeitschrift. In der Ausgabe 12/2009 befand sich auf Seite 19 unter der Rubrik „Preisrätsel" ein Gewinnspiel, bei dem die Teilnehmer nach richtiger Beantwortung der Preisfrage eines von drei ausgelobten Epiliergeräten der Marke Braun im Wert von 150 € gewinnen konnten. Unterhalb der Überschrift
„Gewinnen Sie ein Epiliergerät von Braun" war folgender Text abgedruckt:
„Der Winter setzt unserer Haut mächtig zu: Trockene Heizungsluft drinnen, klirrende Kälte draußen und der Wechsel zwischen beiden lässt die Haut leiden. Bei frostigen Temperaturen ist das körpereigene Kreatin weniger flexibel, mit der Folge, dass die Haut schnell spannt. Darüber hinaus trocknet Kälte sie zusätzlich aus, was zu Irritationen und Juckreiz führen kann. So kommt der Wasserhaushalt aus der Balance und verlangsamt den natürlichen Erneuerungsprozess."
Die darunter abgedruckte Preisfrage lautete:
„Was ist das Geheimnis des Silk-épil Expressive Wet & Dry?"
Die Entscheidung:
Anders als das Berufungsgericht, welches davon ausgegangen war, dass die Gefahr einer Fehlvorstellung über den werbenden Charakter vorliegend nicht gegeben sei, weil der Leser darauf hingewiesen werde, dass die ausgelobten Geräte vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt worden seien, und der spielerisch unterhaltende Charakter aufgrund der banalen Preisfrage nahezu vollständig in den Hintergrund trete, geht der BGH vielmehr davon aus, dass die vorliegenden Gestaltung einen Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG darstelle. Schutzzweck dieser Norm sei es, den Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen zu schützen. Zwar sei richtig, dass Preisrätsel grundsätzlich dem redaktionellen Teil der Zeitung zuzuordnen seien, für diesen gelten aber andere Maßstäbe als für den engeren redaktionellen Bereich, der der Meinungsbildung und Unterrichtung der Leser diene. Dies folge daraus, dass der durchschnittliche, situationsadäquat aufmerksame Leser in dem Gewinnspiel regelmäßig auch eine Form der Eigenwerbung des Verlages für die Zeitschrift erkenne und sie daher anders beurteile als solche Beiträge, die zum engeren redaktionellen Bereich zählen. Der Leser wird regelmäßig erwarten, dass ihm attraktive Gewinne präsentiert und diese auch positiv dargestellt werden. Aus diesem Grund ist eine Präsentation der ausgelobten Produkte in der Regel wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie die Grenzen des Normalen und seriöser weise Üblichen nicht überschreitet. Anders sei dies aber dann, wenn die werbliche Herausstellung der ausgelobten Produkte deutlich im Vordergrund steht und dabei dem Verkehr der Eindruck vermittelt wird, die Redaktion habe in einem objektiven Auswahlverfahren ein nicht nur als Preis attraktives, sondern wegen seiner Eigenschaften auch sonst besonders empfehlenswertes Produkt ausgesucht. Dies sei hier der Fall gewesen. In solchen Fällen mag der Verkehr zwar ohne weiteres erkennen, dass ein Gewinnspiel im redaktionellen Teil einer Zeitschrift (auch) der Eigenwerbung dient, weil die Unterhaltung ebenso wie die Gewinnchance einen Anreiz für den Kauf der Zeitschrift bietet. Doch der Verkehr stellt dabei nicht von vornherein in Rechnung, dass die in redaktioneller Form dargebotene und mit sachlichen Informationen angereicherte Unterhaltung der Förderung des Wettbewerbs eines Dritten dient. Vielmehr wird er davon ausgehen, dass dieser Beitrag auch wenn er unter der Rubrik Preisrätsel geführt wird von der Redaktion objektiv und unabhängig von wirtschaftlichen Interessen Dritter gestaltet worden ist. Jedenfalls insoweit wird er auch den in diesem Teil des Beitrags enthaltenen Informationen größere Bedeutung und Beachtung beimessen und ihm auch unkritischer gegenüberstehen als entsprechenden, ohne weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Werbenden selbst.
Bewertung:
Zu Recht führt der BGH hier die Unterscheidung einer „reinen" Werbung eines Dritten und einer in den redaktionellen Teil der Zeitung eingebetteten Drittwerbung an. Insoweit zutreffend geht der BGH davon aus, dass die Verkehrserwartung eine andere seien könne, je nachdem, wo sich das streitgegenständliche Preisrätsel befinde. Gleichwohl muss selbstredend im Einzelfall überprüft werden, ob die redaktionelle Aufarbeitung der Werbung den werbenden Charakter verschleiert. Die graphische und redaktionelle Bearbeitung stellt dabei einen wesentlichen, gleichwohl nicht stets den einzigen Anhaltspunkt dar.
Dr. Robert Kazemi