BGH: Verkürzter Versorgungsweg - Zusammenarbeit zwischen Arzt und Augenoptiker nicht in jedem Fall unzulässig
Lange war auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) in Sachen Brillenversorgung durch Augenoptiker gewartet worden. Nachdem ein erster Verhandlungstermin am 22. Januar aufgehoben worden war, ist nach mündlicher Verhandlung am 22. Mai 2009 nunmehr zumindest die Pressemitteilung des BGH veröffentlicht worden. Wann die Urteilsgründe (Urteil vom 9. Juli 2009 - I ZR 13/07 - Brillenversorgung) vollständig bekannt gegeben werden, ist noch nicht klar.
Der BGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Augenarzt unlauter handelt, wenn er im Einzelfall einem Patienten, der nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Untersuchung eine Brille benötigt, ermöglicht, sich aus einem in der Praxis vorhandenen Bestand von Musterbrillenfassungen eines bestimmten Augenoptikunternehmens ein Brillengestell auszusuchen, wenn er anschließend dem Augenoptikunternehmen die augenärztliche Verordnung sowie die Werte der Pupillendistanz, des Hornhaut-Scheitel-Abstands und des Abstands zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel mitteilt, und die Brillenlieferung des Augenoptikunternehmens an den Patienten vermittelt.
Nachdem das Landgericht (LG) Hannover (LG Hannover - Urteil vom 16. Mai 2006 - 26 O 130/05) diese Frage eindeutig mit "JA" beantwortet und einen klaren Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 3 Abs. 2, 34 Abs. 5 BOÄ der Ärztekammer Niedersachen (Dem Arzt ist nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen) angenommen hatte, beantwortete das daraufhin durch den Augenartz angerufene Oberlandesgericht (OLG) Celle, die Frage ebenso eindeutig mit "NEIN". Der BGH nunmehr anwortet: "Vielleicht".
"Nein", weil man dem (Augen)Arzt nicht allgemein verbieten könne, Patienten an einen bestimmten Optiker zu verweisen oder von diesem angefertigte Brillen in seiner Praxis anzupassen und abzugeben. Denn § 34 Abs. 5 BOÄ gestattete die Verweisung, wenn dafür ein hinreichender (nicht notwendig medizinischer) Grund besteht. Nach § 3 Abs. 2 BOÄ ist die Anpassung und Abgabe einer Brille durch einen Augenarzt zulässig, wenn sie notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist.
"JA", weil weil es jedenfalls keinen hinreichenden Grund darstellt, dass "es die meisten Patienten lediglich bequemer [finden], alle Leistungen "aus einer Hand" zu erhalten."
Der BGH konnte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht annehmen, dass der Beklagte nur dann Brillen abgegeben und angepasst hat, wenn dies notwendiger Bestandteil seiner ärztlichen Therapie i. S. von § 3 Abs. 2 BOÄ war. Deshalb hat er den Rechtsstreit zur erneuten Sachverhaltsaufklärung an das OLG Celle zurückverwiesen.
Fest steht damit nur:
1. Die Vermittlung eines Patienten an einen bestimmten Augenoptiker verstößt nur dann gegen ärztliches Berufsrecht, wenn dafür ein hinreichender Grund fehlt oder wenn es sich bei der Vermittlung um eine gewerbliche Dienstleistung handelt, die nicht notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist.
2. Es stellt jedenfalls keinen hinreichenden Vermittlungsgrund dar, dass "es die meisten Patienten lediglich bequemer [finden], alle Leistungen "aus einer Hand" zu erhalten."
3. Auch die Brillenglasberatung kann in den Tätigkeitsbereich des Augenarztes fallen.
Dr. Robert Kazemi