05
Dez 2010

BGH: Urheberrechtsverstoß durch Setzen eines Deep-Links (Hyperlinks)

Mit Urteil vom 17.07.2003 in Sachen I ZR 259/00 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, dass durch das Setzten eines Hyperlinks zu einer Datei auf einer fremden Website mit einem urheberrechtlich geschütztem Werk, nicht in das Vervielfältigungsrecht an diesem Werk eingegriffen wird. Das Setzten eines Hyperlinks galt daher seitdem als grundsätzlich urheberrechtlich zulässig.

Nunmehr macht der BGH eine Einschränkung, die sich in einem aktuellen Urteil aus dem Jahr 2010 niederschlägt (BGH, Urteil vom 29.04.2010, I ZR 39/08): Das Recht der „grenzenlosen Verlinkung" endet dort, wo nicht auf solche Inhalte verlinkt wird, die durch technischen Maßnahme  geschützt sind.

Der BGH hat nunmehr in seinem amtlichen Leitsatz nachfolgendes festgestellt:

„Bedient sich ein Berechtigter einer technischen Schutzmaßnahme, um den öffentlichen Zugang zu einem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greift das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahme einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes aus § 19a UrhG ein. Bei der technischen Schutzmaßnahme muss es sich nicht um eine wirksame technische Schutzmaßnahme im Sinne des § 95a UrhG handeln. Es reicht aus, dass die Schutzmaßnahme den Willen des Berechtigten erkennbar macht, den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem vorgesehenen Weg zu ermöglichen."

Der Sachverhalt:

Die Klägerin bietet auf ihrer Internetseite elektronische Stadtpläne für alle Städte und Gemeinden Deutschlands zum Abruf an. Werden Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer auf der Startseite in ein Suchformular eingegeben, wird der gewünschte Kartenausschnitt auf einer weiteren Webseite angezeigt. Privaten Nutzern stellt die Klägerin ihren Dienst grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung. Für eine kommerzielle oder dauerhafte Nutzung verlangt sie Lizenzgebühren. Seitdem ist der Zugang zu den Kartenausschnitten nur bei Verwendung einer sogenannten Session-ID möglich, die bei einem Aufruf der Startseite erteilt wird und zeitlich befristet gilt.

Die Beklagte ist ein Wohnungsunternehmen. Sie bot Nutzern ihrer Website im Jahr 2003 die Möglichkeit, zu einer dort angebotenen Mietwohnung über einen Hyperlink einen entsprechenden Kartenausschnitt von der Internetseite der Klägerin abzurufen. Hierfür verwendete sie eine programmtechnische Routine, die unter Umgehung der Startseite der Klägerin unmittelbar zur Webseite mit dem Kartenausschnitt führte.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe damit die urheberrechtlich geschützten Stadtpläne unter Umgehung der von ihr eingerichteten technischen Schutzmaßnahme unbefugt öffentlich zugänglich gemacht. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Erst vor dem BGH bekam die Klägerin nunmehr Recht.

Die Entscheidungsgründe:

Nach Ansicht des BGH verstößt der Beklagte mit der Verlinkung gegen § 19a UrhG. Dabei geht es um das Recht, das Werk der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Ein Zugänglichmachen im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird.

Zwar greift derjenige, der einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setzt, nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auch dann nicht in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein, wenn es sich dabei um einen sogenannten Deep Link handelt, der unter Umgehung der Startseite auf andere Seiten der Website führt. Doch findet diese Verlinkungsbefugnis dort ihre Grenze, wo eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgangen wird.

Bedient der Berechtigte sich dagegen technischer Schutzmaßnahmen, um den Zugang zu dem geschützten Werk beispielsweise nur bestimmten Nutzern zu eröffnen oder nur auf einem bestimmten Weg zu ermöglichen, macht er das Werk auch nur in dieser eingeschränkten Weise zugänglich. Wer einen Hyperlink setzt, der derartige Schutzmaßnahmen umgeht, eröffnet einen Zugang zum Werk, der ansonsten für diese Nutzer oder auf diesem Weg nicht bestünde. Bedient der Berechtigte sich technischer Schutzmaßnahmen, um den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greift das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahmen einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein.

Dabei - und dies ist entscheidend - kommt es nach Ansicht des BGH nicht auf die Wirksamkeit der  technischen Maßnahmen an. Das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen einen unmittelbaren Zugriff auf ein geschütztes Werk ermöglicht, kann daher auch dann in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes eingreifen, wenn es sich bei der technischen Schutzmaßnahme nicht um eine wirksame technische Schutzmaßnahme im Sinne des § 95a UrhG handelt. Entscheidend ist allein, dass der Berechtigte überhaupt Schutzmaßnahmen getroffen hat, die für Dritte als solche erkennbar sind. Es reicht aus, dass die Schutzmaßnahmen den Willen des Berechtigten erkennbar machen, den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur mit den von ihm vorgesehenen Einschränkungen zu ermöglichen.

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Danach hat die Klägerin mit dem Einsatz der Session-IDs das sekundäre Schutzziel verfolgt und grundsätzlich auch erreicht, Abfragen nicht lizenzierter Nutzer stets über die Startseite ihrer Webseite zu leiten und einen unmittelbaren Zugriff auf die gewünschten Kartenausschnitte damit auszuschließen. Die Beklagte hat diese Zwangsumleitung über die Startseite der Klägerin mit dem von ihr eingesetzten Skript ausgeschaltet und ihren Kunden einen unmittelbaren Zugriff auf den gewünschten Kartenausschnitt verschafft. Damit hat sie die Kartenausschnitte auf einem Weg öffentlich zugänglich gemacht, den die Klägerin mithilfe ihrer Sicherungsmaßnahme erkennbar versperren wollte.

Bewertung:

Wer einen Link setzt, nimmt keine urheberrechtliche Nutzungshandlung vor, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Er hält das geschützte Werk weder selbst öffentlich zum Abruf bereit, noch übermittelt er es selbst auf Abruf an Dritte. Nicht er, sondern derjenige, der das Werk ins Internet gestellt hat, entscheidet darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Wird die Webseite mit dem geschützten Werk nach dem Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht dieser ins Leere. Einem Nutzer, der die URL als genaue Bezeichnung des Fundorts der Webseite im Internet noch nicht kennt, wird der Zugang zu dem Werk durch den Hyperlink zwar erst ermöglicht und damit das Werk im Wortsinn zugänglich gemacht; dies ist aber auch bei einem Hinweis auf ein Druckwerk oder eine Webseite in der Fußnote einer Veröffentlichung nicht anders.

Macht ein Berechtigter ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich, haftet der Linksetzende dementsprechend nicht als Störer oder Täter, weil der Berechtigte dadurch bereits selbst den Nutzern die Vervielfältigung ermöglicht und den Zugang eröffnet hat und der Linksetzende die ohnehin mögliche Vervielfältigung und den ohnehin eröffneten Zugang lediglich erleichtert.

An diesen Grundsätzen ist auch in Zukunft weiter festzuhalten. Dennoch, hierauf sollte geachtet werden. Auch dieser Grundsatz hat eine Ausnahme. Diese beginnt dort, wo der Urheber zum Ausdruck bringt, dass er solche unmittelbaren Verlinkungen nicht möchte.

Dr. Robert Kazemi

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