BGH: Unaufgeforderte Kreditkartenübersendung ist keine unzumutbare Belästigung
Jeder kennt es, nicht jeder mag es. Die unaufgeforderte Werbepost zahlreicher Banken, meist mit Angeboten günstiger Kredite zu „Ab-Preisen", deren Wirtschaftlichkeit sich - sollte man den Schritt auf den Anbieter zu tatsächlich wagen - oftmals tatsächlich nicht in der ausgelobten Weise zeigt. Neuerdings gehen einige Anbieter jedoch noch einen Schritt weiter und übersenden gleich personalisierte Zahlungskarten (Kreditkarten), deren Einsatz ebenso günstig wie sinnvoll sein soll. Mit einem solchen Fall der unaufgeforderten Zusendung einer Kreditkarte hatte sich nunmehr auch der Bundesgerichtshof (BGH) zu beschäftigen (BGH, Urt. v. 03.03.2011, I ZR 167/09).
Der Fall:
Die Postbank übersandte an einen Kunden, der bei ihr ein Girokonto unterhielt, unaufgefordert das nachfolgend auszugsweise wiedergegebene Schreiben. Diesem waren eine bereits auf den Namen des Kunden ausgestellte VISA-Kreditkarte, ein Prospekt "Postbank VISA Card GOLD: Unser Dankeschön für Ihre Treue!" sowie ein Antragsformular zur "Freischaltung" einer "Postbank VISA Card GOLD" mit dem bereits vorgedruckten Namen und der Adresse des Kunden beigefügt. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
„Unser goldenes Dankeschön für Sie: Die Postbank VISA Card GOLD 1 Jahr lang kostenlos! ...
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... Es ist bereits alles für Sie vorbereitet: Senden Sie uns Ihren Freischaltungsauftrag am besten noch heute zurück. Wir sorgen dafür, dass Ihre Postbank VISA Card GOLD in wenigen Tagen weltweit einsatzbereit ist! ...
PS: Als besonderes Dankeschön schenken wir Ihnen den 1. Jahresbeitrag für die Postbank VISA Card GOLD in Höhe von 49 Euro."
Solche Schreiben erhielten auch weitere Kunden, die jeweils über eine gewisse Bonität verfügten.
Die Entscheidung:
Eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG durch die angegriffene Werbemaßnahme liegt nicht vor.
Belästigend in diesem Sinne ist eine geschäftliche Handlung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird. Unzumutbar ist die Belästigung, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zu Grunde zu legen ist. Dabei kommt es nicht einseitig auf die Perspektive des Adressaten der geschäftlichen Handlung an. Die Unzumutbarkeit ist vielmehr zu ermitteln durch eine Abwägung der auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Adressaten, von der Werbung verschont zu bleiben (Art. 2 Abs. 1 GG), und des werbenden Unternehmers, der seine gewerblichen Leistungen durch Werbung zur Geltung bringen will (Art. 5 Abs. 1, Art. 12 GG).
Vor diesem Hintergrund liegt eine Belästigung durch die beanstandete Werbemaßnahme nicht vor. Der mit der Übersendung der Kreditkarte einhergehende Eingriff in die Privatsphäre des Verbrauchers, der den einmalig übersandten Brief entgegennehmen, prüfen und gegebenenfalls wegen der darin und wegen der in der mitgesandten Kreditkarte enthaltenen persönlichen Daten unter Zerschneiden und damit unter erhöhtem Aufwand entsorgen muss, überwiegt nicht das Interesse der Verbraucher an gezielten Informationen und dem Bedürfnis des werbenden Unternehmers an zielgerichteter werbender Ansprache seiner Kunden.
Bewertung:
Vor dem Hintergrund der maßgeblichen Rechtslage zum Zeitpunkt der Werbemaßnahme sind die Erwägungen des BGH zutreffend. Dies bedeutet gleichsam nicht, dass derartige Werbung auch in der Zukunft zulässig ist. Insoweit ist auf den für die Entscheidung nicht bedeutenden neuen § 675m BGB hinzuweisen, wonach es dem Zahlungsdienstleister untersagt ist, dem Zahlungsdienstnutzer unaufgefordert ein Zahlungsinstrument zuzusenden, es sei denn, ein bereits an den Zahlungsdienstnutzer ausgegebenes Zahlungsinstrument muss ersetzt werden. Zwar sieht der BGH diese Regelungen nicht als Marktverhaltensregelungen an, dennoch ist die Zusendung untersagt.
Dr. Robert Kazemi