01
Aug 2012

BGH: Staatsferne der Presse – Eine Marktverhaltensregel für die öffentliche Hand

Wie weitgehend ist das in der Presse geltende "Gebot der Staatsferne"? Diese Frage musste der BGH (Urt. v. 12. 01.2012, I ZR 129/10) im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit beantworten. Dabei stellte der BGH klar, dass der Verstoß gegen dieses Gebot eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG darstellt.

Der Fall:

Die Beklagte - die Deutsche Post AG - lässt jede Woche über ihre Zusteller an eine große Anzahl von Haushalten die Postwurfsendung „Einkauf Aktuell" verteilen. Größter Einzelaktionär der Beklagten - mit einem Anteil von 30,5 % - ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau, an der wiederrum der Bund zu 80 % und die Länder zu 20 % beteiligt sind.

Die Kläger - Interessenverbände der Zeitungsverleger und Anzeigenblätter - waren der Ansicht, die Verteilung der Postwurfsendung verstoße gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG aufgrund Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse und nahmen die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG auf Unterlassung der Verteilung in Anspruch.

Die Entscheidung:

Der BGH hat zunächst ausführlich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Staatsferne der Presse durch öffentliche Beteiligung an Presseunternehmen gefährdet sein kann. Dabei stellte der BGH zu Recht klar, dass eine 100 %ige Beteiligung keinesfalls erforderlich sei. Auch eine beherrschende Anteilsverteilung reicht hierbei grds. aus. Der Abhängigkeitstatbestand nach § 17 AktG oder Art. 2 Abs. 1 Buchst. F RL 2004/109/EG sei erfüllt, wenn „ein rechtlich selbständiges Unternehmen aus seiner Sicht in eine Situation geraten ist, in der es der Möglichkeit einer Beherrschung durch ein anderes Unternehmen ausgesetzt ist.". Dies wird dann vermutet, wenn ein Unternehmen im Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmens steht.

Diese Voraussetzungen sah der BGH im vorliegenden Falle zu Recht als nicht gegeben an. Nach den in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen waren in den letzten Jahren stets 67 % der stimmberechtigten Anteilseigner vertreten. Damit verfügten die öffentlichen Anteilseigner mit einer Beteiligung von 30,5% nicht über die entsprechende Mehrheit. Auch eine Verstärkung der Abhängigkeit von den öffentlichen Anteilseignern, bspw. durch Mandatsverteilungen im Aufsichtsrat o.ä., sah das Gericht im vorliegenden Falle nicht.

Dennoch stellte das Gericht durchaus klar, dass das für den Staat bestehende Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, grundsätzlich eine, den Schutz der Mitbewerber und der Verbraucher bezweckende, Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG darstellt.

Bewertung:

Das Gericht hat hier - neben der konkreten fallbezogenen Feststellung der Beherrschung - klare Richtlinien für den formalen Beherrschungsbegriff geliefert. Hieran dürfte sich damit zu orientieren sein, so dass die Entscheidung insoweit zwar nicht direkt neu erscheint, dennoch noch einmal klar die Rahmenbestimmungen absteckt. Entscheidend dürfte vorliegend aber die Feststellung sein, dass das für den Staat bestehende Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, eine Marktverhaltensregel darstellt. Hierauf können sich - sofern eine beherrschende Position gegeben sein sollte - sowohl Verbraucher als auch Wettbewerber berufen.

Dr. Robert Kazemi

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