01
Jun 2009

BGH: „Post II“ – Eintragung „ja“, Unterlassungsanspruch „nein“

In einer ganzen Reihe von kürzlich  veröffentlichten Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der markenmäßigen Verwendung des Begriffes „Post“  beschäftigt. Die Entscheidungen betrafen auf der einen Seite das im Hinblick auf die durch die Deutsche Post AG angemeldete Wortmarke „Post“ von Mitbewerbern angestrengte Löschungsverfahren, auf der anderen Seite ging es um markenrechtliche Unterlassungsansprüche, die eben jener ehemaliger Monopolbetrieb gegenüber anderen „Post“unternehmen durchzusetzen suchte.

1. Keine Eintragung beschreibender Begriffe (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG)

Die Zeichenfolge „POST“ bezeichnet in der deutschen Sprache einerseits die Einrichtung, die Briefe, Pakete, Päckchen und andere Waren befördert und zustellt, und andererseits die beförderten und zugestellten Güter selbst, zum Beispiel Briefe, Karten, Pakete und Päckchen. Dieses Begriffsverständnis führt zur Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, der grundsätzlich alle Zeichen von der Eintragung ausschließt, die zur Beschreibung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden sind, dienen können. Derartige Zeichen sind im Allgemeininteresse von der Markeneintragung grundsätzlich ausgeschlossen.

2. Eintragung auf Grund Verkehrsdurchsetzung – Keine starren Prozentsätze

Das hierdurch bedingte absolute Eintragungshindernis ist jedoch, anders als es der Begriff vermuten lässt, nicht absolut, sondern in bestimmten Fällen relativ. Es kann dann überwunden werden, wenn das angemeldete Zeichen „Verkehrsdurchsetzung“ erlangt hat. Dies ist anzunehmen, wenn das als Marke schutzfähige Zeichen sich in den beteiligten Verkehrskreisen als Unterscheidungszeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens durchgesetzt hat. Nach der Formulierung des EuGH in der Chiemsee-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 4. Mai 1999, Rs. C-108, 109/97, Slg. 1999, I-2779 - Chiemsee) muss die Marke also geeignet sein, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Wann dies im Einzelnen der Fall ist, ist grundsätzlich eine Entscheidung des Einzelfalls, daran hält der BGH auch in den Entscheidungen zur Marke „POST“ fest. Neu und erfreulich ist jedoch die Feststellung des BGH, dass es für die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung einer Marke nicht allein auf starre Prozentzahlen ankommt. Lange Zeit verlangte die deutsche Rechtsprechung eine mehr als 50%ige Verkehrsdurchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen und machte darüber hinausgehende Anforderungen vom Grad eines allfälligen Freihaltebedürfnisses abhängig. Je größer das Interesse der Allgemeinheit an der Freihaltung einer Bezeichnung war, desto höher war auch die notwendige Verkehrsdurchsetzung zu dessen Überwindung. Dabei ging der BGH bislang davon aus, dass bei glatt beschreibenden Angaben – wie der hier streitgegenständlichen Bezeichnung „POST“ – von der Notwendigkeit einer „nahezu einhelligen Verkehrsdurchsetzung“ (BGH, Urteil vom 28.08.2003, Az. I ZR 257/00 – Kinder; BGH, BGH, Beschluss vom 19. 1. 2006, Az. I ZB 11/04 – LOTTO) und damit einem Durchsetzungsgrad von „weit über 50%“ auszugehen sei. Das BPatG ist diesen Vorgaben bisher einhellig gefolgt (Vgl. nur BPatG, Beschluss vom 17. 5. 2006, Az. 32 W (pat) 39/03- Kinder), ließ nur noch „unbedeutende rechnerische Abschläge“ zu und forderte deshalb Zuordnungsgrade von über 85%, so auch im vorliegenden Fall. Hier sei mit den sich aus den durch die Deutsche Post AG vorgelegten demoskopischen Gutachten ergebenden Zuordnungswerten von 71,1% und 84,6% eine „nahezu einhellige Verkehrsauffassung“ schon nicht belegt, weswegen die Marke „POST“ wegen entgegenstehender absoluter Schutzhindernisse zu löschen sei.

Dem ist der BGH nunmehr entgegengetreten. Der I. Zivilsenat folgt nun zur Beantwortung der Frage des Vorliegens einer Verkehrsdurchsetzung im Sinne des § 8 Abs. 3 MarkenG den Vorgaben des EuGH in seiner Entscheidung Chiemsee. Hier hatte das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass für die Anerkennung einer Verkehrsdurchsetzung erforderlich aber auch ausreichend sei, wenn ein zumindest „erheblicher Teil“ der maßgeblichen Verkehrskreise in der angemeldeten Marke einen auf ein bestimmtes Unternehmen bezogenen kennzeichnenden Herkunftshinweis sieht. Dies mag dann nicht der Fall sein, wenn lediglich ein unter 50% liegender Teil der Verkehrskreise die beschreibende Angabe als Herkunftszeichen versteht. Dagegen lassen sich die Begriffe „erheblicher Teil“ einerseits und „nahezu einhellig“ im Sinne von fast hundertprozentig andererseits kaum in Einklang bringen.

Der BGH führt aus:

„Dabei kann für die Feststellung des im Einzelfall erforderlichen Durchsetzungsgrads nicht von festen Prozentsätzen ausgegangen werden, auch wenn - sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Beurteilung rechtfertigen - die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht unterhalb von 50% angesetzt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.2001 - I ZB 54/98, GRUR 2001, 1042, 1043 = WRP 2001, 1205 - REICH UND SCHOEN; Beschl. v. 25.10.2007 - I ZB 22/04, GRUR 2008, 510 Tz. 23 = WRP 2008, 791 - Milchschnitte). Handelt es sich jedoch um einen Begriff, der die fraglichen Dienstleistungen ihrer Gattung nach glatt beschreibt, kommen ein Bedeutungswandel und damit eine Verkehrsdurchsetzung erst bei einem deutlich höheren Durchsetzungsgrad in Betracht (BGH GRUR 2006, 760 Tz. 20 - LOTTO) […] Es [das BPatG] hat jedoch die Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 MarkenG überspannt, indem es für die Verkehrsdurchsetzung einen Anteil von nahezu 85% der Gesamtbevölkerung, die den Begriff "POST" als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen auffassen, nicht hat ausreichen lassen. […] Die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung eines glatt beschreibenden Begriffs dürfen nicht so hoch angesiedelt werden, dass eine Verkehrsdurchsetzung in der Praxis von vornherein ausgeschlossen wird.“

Der BGH macht damit deutlich, dass das Vorliegen einer Verkehrsdurchsetzung nur im Rahmen einer „Gesamtschau aller Gesichtspunkte“ sicher beurteilt werden kann und demensprechend auch bei einem glatt beschreibenden Begriff ein Bekanntheitsgrad von lediglich 70% geeignet sein kann, das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu überwinden.

3. Konsequenz der Eintragung glatt beschreibende Begriffe aufgrund Verkehrsdurchsetzung

Auch wenn die Marke „POST“ damit grundsätzlich als Marke eintragungsfähig ist, ist die Deutsche Post AG nicht berechtigt, die Verwendung dieser Bezeichnung in jedem Fall zu untersagen. Vielmehr sind markenrechtliche Unterlassungsansprüche an der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG zu messen. Nach dieser Vorschrift gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale der Dienstleistungen, insbesondere ihrer Art oder ihrer Beschaffenheit, im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Voraussetzungen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG sind in Bezug auf die Marke „POST“ erfüllt.

Postdienstleister sind damit grundsätzlich nicht daran gehindert für die Dienstleistungen der Beförderung und Zustellung von Briefen und Paketen den Begriff "POST"  zu verwenden, solange und soweit sie sich durch Zusätze von dem in Alleinstellung benutzten Markenwort POST abgrenzen und nicht durch eine Anlehnung an weitere Kennzeichen der Markeninhaberin (Posthorn, Farbe Gelb) die Verwechslungsgefahr erhöhen.

„Ohne eine entsprechende Beschränkung des Schutzumfangs der Klagemarke würden die erst später auf den Markt eintretenden privaten Wettbewerber von vornherein von der Benutzung des Wortes "POST" ausgeschlossen und ausschließlich auf andere (Phantasie-)Bezeichnungen verwiesen“, so der BGH.

Kennzeichenverwendungen wie „Ostseepost“, „RegioPost Deutschland“ oder „RegionalPost Delmenhorst“ sind damit auch gegen den Willen der Deutschen Post AG weiterhin zulässig.

Dr. Robert Kazemi

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