01
Aug 2012

BGH: Keine Haftung für RSS-Feeds

Haftet der Betreiber eines Informationsportals, das mittels RSS-Dienste erkennbar fremde Nachrichten ins Internet stellt, als Störer für Rechtsverletzungen durch diese Veröffentlichung? Besteht für den Betreiber eine Prüfpflicht vor einer etwaigen Veröffentlichung? Der BGH (Urt. v. 27.03.2012, Az.: VI ZR 144/11) sagt grundsätzlich: NEIN. Eine Prüfpflicht besteht erst dann, wenn der Betreiber Kenntnis von der Rechtsverletzung erhält.

Der Fall:

Die Beklagte betreibt im Internet ein Informationsportal. In diesem Zusammenhang stellt sie Informationen aus Medien zur Verfügung, die sie über sog. RSS-Dienste bezieht. Ein Kunde erhält hierbei - ähnlich eines Nachrichtentickers - fortlaufend Kurzinformationen, bestehend aus einer Schlagzeile, einem Textanriss sowie einem Link zur Originalseite.

Im Oktober 2009 verbreitete die Beklagte ein Bildnis einer Frau H. unter dem Titel „Ex-RAF-Terroristin radelt in den Freigang". Bild und Artikel stammte dabei von der Inhaltsverantwortlichen der Website www.bild.de. Diese hatte das Bild indes bereits 3 Tage zuvor aus dem Netz genommen, nachdem Frau H. eine entsprechende einstweilige Verfügung erwirkt hatte. Die Beklagte wurde nun ebenfalls auf Unterlassung in Anspruch genommen und entfernte das Bild. Sie war indes jedoch zur Zahlung der der Klägerin entstanden Rechtsverfolgungskosten nicht bereit.

Die Entscheidung:

Der BGH hat im Ergebnis zutreffend einen entsprechenden Ersatzanspruch der Beklagten abgelehnt. Zwar ging auch der BGH zunächst davon aus, dass die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildes das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frau H. beeinträchtige, ein Unterlassungsanspruch, der Voraussetzung eines entsprechenden Ersatzanspruches wäre, lehnte das Gericht aber zu Recht ab.

Erforderlich hierfür wäre gewesen, dass die Beklagte selbst in das Persönlichkeitsrecht der Frau H. eingegriffen hätte. Dies hätte indes aber vorausgesetzt, dass die Beklagte die Meldung selbst verfasst oder sich zumindest zu eigen gemacht hätte; dies war nach Auffassung des BGH vorliegend nicht der Fall. Das Gericht führte insoweit zunächst aus, dass es für die Frage, ob sich jemand fremde Inhalte zu eigen macht, „eine objektive Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände, wobei insbesondere die Frage der inhaltlichen redaktionellen Kontrolle fremder Inhalte und die Art der Präsentation von Bedeutung" sei, notwendig sei. Hiernach liege ein Zu-Eigen-Machen regelmäßig vor, wenn die fremde Äußerung „so in den eigenen Gedankengang eingeführt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint". Auch die lediglich „undistanzierte Wiedergabe Äußerungen Dritter" könne u.U. dem Vertreiber zugerechnet werden.

Im vorliegenden Fall stellte der BGH fest, dass sich keine Anhaltspunkte dafür fanden, dass die Klägerin als Betreiberin des Informationsportals inhaltliche Verantwortung für die veröffentlichten Nachrichten Dritter übernehmen wollte. So verwies die Bekla gte direkt unterhalt der Überschrift der Schlagzeile auf die Ursprungs- bzw. Zielseite. Die gesamte Gestaltung der Internetseite der Beklagten sei darüber hinaus einzig als Informationsportal ausgestaltet, welche keine eigenen Inhalte enthalten habe. Ein Zu-Eigen-Machen könne damit nicht angenommen werden.

Der BGH lehnte darüber hinaus - m.E. nach auch zu Recht - eine Haftung der Beklagten auf Unterlassung aufgrund einer Störerverantwortlichkeit ab. Zwar kann grds. auch derjenige u.U. als Störer in Anspruch genommen werden, der fremde Inhalte verbreitet, allerdings - so der BGH - darf eine solche nicht „über Gebühr" auf Dritte erstreckt werden. Vielmehr setzte eine entsprechende Haftung eine Verletzung eigener Pflichten des Dritten - respektive Prüfpflichten - voraus. Deren Umfang richte sich danach, „ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist." Vor diesem Hintergrund stellte das Gericht fest, dass das Portal der Klägerin auf schnelle und aktuelle Informationsweitergabe basiere. Eine Prüfung etwaiger Beiträge auf Rechtsverletzungen würde dies unzuträglich hemmen. Eine Prüfpflicht besteht indes jedoch dann - und letztlich auch erst dann -, wenn der Betreiber Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hat.

Da im Streitfall die Beklagte nach Kenntniserlangung die Berichterstattung unmittelbar gelöscht hatte, lehnte der BGH einen entsprechenden Ersatzanspruch zu Recht ab.

Bewertung:

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Das Gericht hat hier erneut klare Richtlinien für die Störereigenschaft und die Frage des Sich-zu-Eigen-Machens fremder Inhalte gesetzt. Gleichzeitig hat das Gericht auch festgestellt, dass es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles und vorliegend auch auf die konkrete Nutzung der Art der Weitergabe - hier in Form aktueller, schneller News-Feeds - ankommt. Die Entscheidung dürfte mehr Rechtssicherheit für Benutzer solcher RSS-Dienste bedeuten. Vergessen werden sollte indes aber nicht, dass die Prüfpflicht ab Kenntniserlangung möglicher Rechtsverletzungen beginnt. Ab dort steht dann auch eine Störerverantwortlichkeit mit den entsprechenden Rechtsfolgen im Raum.

Dr. Robert Kazemi

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