BGH: Keine Abgabe von Hyaluronsäure-Natrium-Fertigspritzen durch Apotheker an Ärzte ohne CE-Kennzeichnung
Ein Apotheker vertrieb in seiner Apotheke von ihm dort hergestellte Hyaluronsäure-Natrium-Fertigspritzen zur intraartikulären Anwendung bei Gelenkerkrankungen. Die Fertigspritzen des Apothekers dienen dazu, von Arthrose befallenen Gelenken, die nicht mehr über ausreichend körpereigene Gelenkflüssigkeit verfügen, Hyaluronsäure durch Injektion zuzuführen. Der Apotheker stellt die Fertigspritzen her, indem er die als Rohsubstanz bezogene Hyaluronsäure in Kochsalzlösung auflöst, die Lösung auf den physiologischen pH-Wert des Körpers einstellt und sodann in Spritzen abfüllt, die er anschließend steril verpackt. Er gibt die Spritzen teilweise auf ärztliche Verordnung an bestimmten Patienten und teilweise an Ärzte für deren Praxisbedarf ab, ohne die Spritzen jedoch mit einer CE-Kennzeichnung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) zu versehen.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH) verstieß der Apotheker damit (zumindest teilweise) gegen geltendes Recht, denn die vom Apotheker hergestellten Spritzen seien Medizinprodukte i.S. des § 3 Nr. 1 lit. a MPG, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 MPG grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind (BGH, Urt. v. 9. Juli 2009 - I ZR 193/06).
Um ein Medizinprodukt und nicht um ein Arzneimittel im Sinne des AMG handele es sich bei den Spritzen deshalb, weil sie mittels ihres Wirkstoffs zwar - ebenso wie (Funktions-)Arzneimittel i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG - die durch eine Krankheit bedingten Schmerzen der Patienten lindern und das Fortschreiten der Krankheit verhindern sollen, diese bestimmungsgemäßen Wirkungen im Körper aber gemäß § 3 Nr. 1 MPG weder durch pharmakologisch noch durch immunologisch oder metabolisch wirkende Mittel, sondern auf physikalischem Wege erreicht wird. Da die Spritzen auch nicht dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im Körper dessen Beschaffenheit, Zustand oder Funktionen oder seelische Zustände erkennen zu lassen (§ 2 Abs. 3 Nr. 7 i.V. mit Abs. 1 Nr. 2 AMG; § 2 Abs. 5 Nr. 1 MPG), schied eine Qualifizierung der Spritzen als nicht der CE-Kennzeichnungspflicht unterfallendes Arzneimittel aus.
Lediglich für den Fall, dass die Spritzen auf Grund einer Individualrezeptur abgegeben werden, unterliegt der Apotheker nicht der CE-Kennzeichnungspflicht, weil die Spritzen in einem solchen Fall Sonderanfertigungen i.S. des § 3 Nr. 8 MPG darstellen und damit von der gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 MPG grundsätzlich bestehenden Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind.
Sonderanfertigungen sind nach § 3 Nr. 8 Satz 1 MPG Medizinprodukte, die - objektiv - aufgrund schriftlicher Verordnung nach spezifischen Auslegungsmerkmalen eigens angefertigt werden und - subjektiv - zur ausschließlichen Anwendung bei einem namentlich benannten Patienten bestimmt sind. Keine Sonderanfertigungen sind nach § 3 Nr. 8 Satz 2 MPG serienmäßig hergestellte Medizinprodukte, die noch an die spezifischen Anforderungen des Arztes, Zahnarztes oder sonstigen beruflichen Anwenders angepasst werden müssen, weswegen Spritzen, die für den Praxisbedarf von Ärzten hergestellt werden keine Sonderanfertigungen i.S. des § 3 Nr. 8 MPG sind. Letztere sind daher zwingend mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen.
Dr. Robert Kazemi