03
Sep 2009

BGH: Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bereits bei einmaliger unverlangter Zusendung einer E-Mail-Werbung - Email-Werbung II

In einem kürzlich durch den Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheidenden Fall, hatte sich der I. Zivilsenat mit der Frage zu befassen, ob bereits die die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit Werbung untersagt werden kann (BGH, Beschluss vom 20.05.2005, I ZR 218/07).

In Rechtsprechung und Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung an Gewerbetreibende einen rechtswidrigen Eingriff in den sog. eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein von der Rechtsprechung im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB entwickeltes sog. sonstiges absolutes Recht. Es umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert eines Betriebes ausmacht. Dazu gehören zum Beispiel: Bestand, Erscheinungsform, Tätigkeitskreis und Kundenstamm. In Abgrenzung zu den sonstigen absoluten Rechten ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein sog. Rahmenrecht, d.h., dass die Rechtswidrigkeit einer Verletzung dieses Rechts anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung positiv festgestellt werden muss und dass der Eingriff betriebsbezogen sein muss. Diese Einschränkungen sind nötig, um den sehr weiten Anwendungsbereich einzugrenzen. Die Betriebsbezogenheit liegt immer dann vor, wenn eine unmittelbare Schädigung vorliegt und sich der Eingriff spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richtet. Nötig ist auch, dass der Eingriff über eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinausgeht. Ferner ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Rahmenrecht immer subsidiär, also nachrangig zu prüfen, wenn keine andere Verletzung eines sonstigen absoluten Rechts in Betracht kommt.

In Bezug auf die unerwünschte E-Mail-Werbung wird zum Teil davon ausgegangen, ein rechtswidriger Eingriff in das geschützte Rechtsgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs scheide jedenfalls bei der einmaligen Zusendung einer E-Mail mit Werbung aus (AG Dresden NJW 2005, 2561). Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung bejaht dagegen auch bei einer einmaligen E-Mail-Versendung eine entsprechende Rechtsverletzung. Dieser Ansicht hat sich nunmehr auch der BGH angeschlossen. In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Zudem können, soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten für die Herstellung der Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider anfallen. Die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mail können zwar gering sein. Auch der Arbeitsaufwand für das Aussortieren einer E-Mail kann sich in engen Grenzen halten, wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen muss. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch verschiedene Absender ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen."

Mit dieser Aussage wendet der BGH die bereits aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dort § 7 Abs. 2 Nr. 3, bekannte restriktive Handhabung der E-Mail-Werbung auch auf den außerwettbewerblichen Bereich an. Nach der vorgenannten UWG-Bestimmung stellt die Werbung unter Verwendung elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, stets eine unzumutbare Belästigung dar. Diese ist - nach der zutreffenden Wertung des BGH - nicht nur wettbewerbswidrig, sondern ist - jedenfalls gegenüber Unternehmern - generell verboten.

Im hier zu entscheidenden Fall hatte das beklagte Unternehmen unaufgefordert einen Newsletter versandt und war hierfür zu Recht abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert worden. Denjenigen, die ebenfalls Newsletter versenden, ist daher dringend anzuraten hier auf das sog. Double-Opt-in-Verfahren zurückzugreifen. Das AG Berlin (AG Berlin Mitte, Urteil vom 11.06.2008 -21 C 43/08) führt in diesen Zusammenhang aus:

„Sieht ein gewerblicher Onlineanbieter, der auf seiner Website die Möglichkeit eröffnet, sich als Kunde anzumelden, keine hinreichenden Vorkehrungen gegen missbräuchliche Registrierungen unter Angabe falscher Mailadressen vor, so haftet er als Störer, wenn sein System nach Registrierungsvorkehrungen ohne Einsatz eines Double-opt-in-Verfahrens unverlangte Werbe-E-Mails versendet."

Dr. Robert Kazemi

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