BGH: Ein Boot "mit dem man auf Reisen gehen" kann muss auch bei vereinbartem Gewährleistungsausschluss fahrtaulich sein
"Da es sich um eine Privatauktion handelt, gibt es leider keine Garantie oder Rücknahme". Diese oder ähnliche Formulierungen finden sich in zahlreichen ebay-Auktionen. Die (privaten) Verkäufer suchen damit nach einem weitgehenen Gewährleistungsausschluss und hoffen hier den alt bekannten Satz "gekauft wie gesehen" auch im Internetzeitalter Geltung zu verschaffen. Dass es ganz so einfach nicht geht, zeigt eine aktuell veröffentlichte Entscheidung des VIII. Zivilsenates beim Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 19.12.2012, VIII ZR 96/12). Der BGH macht deutlich, dass vor allem die Produkt- oder Auktionsbeschreibung all zu weitreichenden Gewährleistungsausschlüssen auch im Privatrechtsverkehr Grenzen setzt. Wer hier nicht aufpasst, der garantiert schnell eine "vereinbarte Beschaffenheit" des Artikels und haftet dann für diese, ganz unabhängig von der eingangs genannten Klausel. Weiterhin hat der BGH vorliegend wichtige Rahmenbedigungen für die Ausübung eines daraufhin vom Käufer ausgeübten Rücktritts aufgestellt. Wer regelmäßig bei ebay kauft und/oder verkauft, sollte sich mit der Entscheidung daher eingehender befassen.
Der Fall:
Die Beklagte bot über eBay ein gebrauchtes Motorkajütboot nebst Bootsanhänger (Trailer) zum Verkauf an. Das Boot beschrieb sie dabei unter anderem wie folgt:
"... Das Boot ist ein Holzboot mit einem Kunststoffüberzug über den Rumpf. Das hat den Vorteil, dass es Dicht ist und man weniger Pflege-aufwand hat. Es ist ein schönes kleines Wanderboot, nix für Raser. Auf dem Boot kann man bequem zu zweit schlafen und ein Kind hat auch noch Platz. Es verfügt über genügend Stauraum für längere Entde-ckungstouren. Es ist halt ein schönes Wanderboot ...und es gehört auch ein Trailer dazu der angemeldet ist und TÜV bis 09/09 hat. Man kann al-so auch mit dem Boot auf Reisen gehen ...
Lieferung: Das Boot muss in Berlin abgeholt werden oder kann gegen 0,50 € pro Kilometer geliefert werden.
Da es sich um gebrauchtes Boot handelt, verkaufe ich es ohne jegliche Gewährleistung ..."
Nach Ende der Auktion und Lieferung des Bootes stellten die Käufer am Boot Schimmelstellen fest, die sie gegenüber der Beklagten bemängelten. Nachdem die Beklagte auf eine fehlende Kenntnis des Mangels und im Übrigen auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss hingewiesen hatte, ließen die Käufer das Boot begutachten. Noch am gleichen Tage erklärten sie den Rücktritt vom Vertrag, weil das Boot in seiner Holzsubstanz stark beschädigt und deshalb nicht mehr seetauglich war und im Hinblick auf geschätzte Reparaturkosten von 15.000 € einen wirtschaftlichen Totalschaden darstellte.
Die Entscheidung:
Aus der Auktionsbeschreibung - so der BGH - sei eine Eignung des Kajütboots zum Wasserwandern und damit eine Beschaffenheitsvereinbarung zu dessen See- und Wassertauglichkeit herzuleiten, die aufgrund des umfangreichen Pilzbefalls am hölzernen Bootskörper bei Übergabe des Bootes nicht mehr gegeben war.
Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB liege daher ein Sachmangel der Kaufsache vor, da dieser eine vereinbarte Beschaffenheit fehle.
"Dazu ist es nicht erforderlich, dass bestimmte Beschaffenheitsanforderungen ausdrücklich festgelegt werden. Eine solche Vereinbarung kann sich vielmehr auch aus den Umständen des Vertragsschlusses wie etwa dem Kontext der dabei geführten Gespräche oder den bei dieser Gelegenheit abgegebenen Beschreibungen ergeben. Insbesondere kann die für eine Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung auch konkludent in der Weise erzielt werden, dass der Käufer dem Verkäufer bestimmte Anforderungen an den Kaufgegenstand zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt. Ebenso ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass in Fällen, in denen der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in einer bestimmten Weise beschreibt und der Käufer vor diesem Hintergrund seine Kaufentscheidung trifft, die Erklärungen des Verkäufers ohne Weiteres zum Inhalt des Vertrages und damit zum Inhalt einer Beschaffenheitsver-einbarung werden (BT-Drucks. 14/6040, S. 212). So liegt es bei der erforderlichen Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles [...] auch hier. Das Berufungsgericht hat bei dieser Würdigung an eine in der Angebotsbeschreibung mehrfach zum Ausdruck gebrachte Eignung des Kajütboots zum ausgedehnten Wasserwandern angeknüpft. [...] Zudem liegt es auf der Hand, dass ein Kaufinteressent die für einen künftigen Gebrauch des Kajütboots zentrale Beschaffenheitsaussage einer See- und Wassertauglichkeit zur Grundlage seines Kaufentschlusses macht."
Für den festgestellten Mangel war der Verkäufer daher, trozt Gwährleistungsausschlusses, verantwortlich. Gleichwohl - so der BGH - waren die Käufer nicht zum sofortigen Rücktritt berechtigt. Insoweit sehe das Gewährleistungsrecht vielmehr ein sog. Recht zur zweiten Andienung ("Nachbesserungsrecht") des Verkäufers vor, welches hier nicht mit dem allein von Verkäuferseite behaupteten Argument des "wirtschaftlichen Totalschadens" übergangen werden könne. Nach zutreffender Ansicht des BGH, erfordert eine sofortige Rücktrittserklärung des Käufers, der sich auf eine wirtschaftliche Unmöglichkeit der Nacherfüllung durch den Verkäufer stützt, vielmehr eine darauf gerichtete Erklärung des Verkäufers. Der Verkäufer allein entsscheide, ob er von seinem Recht, bei vorliegen einer wirtschaftlichen Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung, auf sein Nachbesserungsrecht verzichten wolle oder nicht. Eine Antizipieren dieser Verkäuferentscheidung sei generell ausgeschlossen und der sofortige Rücktritt scheitere daher vorliegend an der nicht erfolgten Nachfristsetzung durch die Käufer.
Bewertung:
Die Entscheidung des BGH ist für alle ebay-Angebote von besonderer Bedeutung, stellt der BGH doch klar, wie schnell aus einer - den Verkauf fördernden - Artikelbeschreibung eine Beschaffenheitsvereinbarung werden kann, die dann von einem etwaigen Haftungsausschluss gerade nicht umfasst ist. Wer also beispielsweise ein ferngesteuertes Auto unter Ausschluss der Gewährleistung verkauft, in diesem Zusammenhang jedoch nicht einmal darauf verweist, dass die Fahrtauglichkkeit des Autos nicht festgestellt und/oder überprüft worden ist, der wird zukünftig wohl für eben diese Fahrtauglichkeit einstehen müssen. Es ist fraglich, ob eine derartige Einstandspflicht bereits durch den Hinweis auf eine nicht erfolgte "Testung" ausgeschlossen werden kann. Insoweit hatte der BGH ja gerade auch auf das Ansinnen des Käufers hingewiesen und dieses mit ins Kalkül genommen; jedenfalls dann, wenn der Test der Funktionstauglichkeit (wie im Falle des ferngesteuerten Autos) ohne großen Aufwand möglich erscheint, wird wohl nur ein konkreter Hinweis auf bestehende Funktionsmängel einen Haftungsausschluss rechtfertigen können. Hierauf sollten Verkäufer wie Käufer in Zukunft besonders achten.
Dr. Robert Kazemi