05
Jul 2009

BGH: Auch öffentlich zugängliche Datenbanken sind nicht gemeinfrei – Auslesen und Datenabgleich verboten

Wie oft findet man sie im Internet oder auf CD-ROMs, Datenbankwerke, die ihren Nutzern ermöglichen, einer Vielzahl von Informationen Herr zu werden, ohne sich „händisch“ durch sie hindurch klicken zu müssen.

Bei den Juristen sind es beispielsweise die Gerichtsdatenbanken, die es dem Anwalt ermöglichen durch einfache Eingabe einer Postleitzahl die für den jeweiligen Wohn- oder Geschäftssitz zuständigen Gerichte zu ermitteln, anstatt selber mühsam das zuständige Gericht zu ermitteln. In Zeiten, in denen Anwälte, anders noch als vor ein paar Jahren, deutschlandweit tätig sind, ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel.

Bei den Ärzten sind es beispielsweise die Arzneimitteldatenbanken, die nach Eingabe eines Wirkstoffs, einer Erkrankung oder einer Diagnose, gleich eine vorsortierte Auswahl passender Medikamente liefern.

Aber auch sonst, sind Datenbanken heutzutage im Wirtschaftsleben kaum noch wegzudenken. Sie erleichtern die Arbeit ihrer Nutzer erheblich.

So leicht die Arbeit mit einer fertigen Datenbank ist, so hoch ist in aller Regel auch der für ihre Herstellung aufzuwendende Programmier- und Rechercheaufwand. Welches Gericht ist für welche Postleitzahl zuständig, welches Pharmazeutikum hilft bei einer bestimmten Erkrankung? Diese Informationen zusammenzutragen und in einer „Datenbanksprache“ zu transformieren ist zeitaufwendig und in aller Regel auch kostenintensiv. Kein Wunder, dass sich einige diese „Mühen“ ersparen wollen, indem sie bestehende Datenbanken „auslesen“ und in eine eigene Datenbank übernehmen.

Diesem – in neuerer Zeit vermehrt festzustellendem – Treiben setzt das deutsche Urheberrecht eine klare Schranke. Es schützt auch den Datenbankhersteller als „Urheber“ seines Werkes (§ 87a UrhG, § 87b UrhG). Der Datenbankhersteller hat das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.

In einem jetzt durch den Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall, hatte sich der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat damit zu beschäftigen, welcher Schutz dem Datenbankhersteller gegen die Entnahme von Daten aus seiner Datenbank zur Verfügung steht (Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 191/05 – Elektronischer Zolltarif – PM / Urteil).

In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

„Der Klägerin stünden Datenbankherstellerrechte an der Datenbank "Tarife" zu, da sie nicht als amtliches Werk gemeinfrei sei und mit erheblichen Investitionen ständig von der Klägerin aktualisiert werde. Das Datenbankherstellerrecht hätten die Beklagten zwar nicht schon verletzt, indem sie die CD-ROM "Tarife" auf der Festplatte eines Computers speicherten. Denn dies sei von einer Einwilligung der Klägerin gedeckt, weil es zur bestimmungsgemäßen Nutzung der CD-ROM erforderlich sei. Eine Schutzrechtsverletzung der Klägerin liege aber vor, weil die Beklagten per Datenabgleich der CD-ROM "Tarife" Änderungsdaten entnommen und zur Aktualisierung ihres Wettbewerbsprodukts verwendet hätten. Die vom Berufungsgericht festgestellte Übernahme einzelner Daten aus der CD-ROM der Klägerin in das Produkt der Beklagten setze notwendig einen umfassenden Datenabgleich voraus. Schon die einmalige Entnahme aller geänderten Daten aus einer bestimmten Version der CD-ROM – durch Erstellung einer (ggfls. nur zwischengespeicherten) Änderungsliste oder unmittelbare Übernahme – beziehe sich auf einen qualitativ wesentlichen Teil der Datenbank. Deshalb stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, dass der rechtmäßige Benutzer qualitativ oder quantitativ unwesentliche Teile einer öffentlich zugänglichen Datenbank zu beliebigen Zwecken entnehmen könne.“

Die Entscheidung überzeugt. Hatte das Landgericht Köln (LG Köln - Urteil vom 26. November 2003 – 28 O 416/02) die Unterlassungsklage des Datenbankherstellers noch mit der Begründung abgewiesen, eine Verletzung des § 87 b Abs. 1 Satz 1 UrhG durch die Beklagten liege nicht vor, weil die Übernahme von behaupteten insgesamt neun Datensätzen im Verhältnis zu insgesamt 5 Millionen Datensätzen, aus denen die Datenbank der Klägerin bestehe, keinen wesentlichen Teil ausmache, hat der BGH nunmehr klagestellt, dass bereits die Entnahme einzelner Datenbestände aus einer Datenbank zu gewerblichen Verwendung gegen das Urheberrecht des Datenbankherstellers verstößt. Eine Entscheidung, die überzeugt und die Position der Datenbankhersteller erheblich verbessert. Nach Ansicht des BGH gilt das „Abgleich- und Entnahmeverbot“ auch dann, wenn die Datenbank kostenlos genutzt und zum privaten Gebrauch auch teilweise kopiert werden darf.

Ob dies auch für Datenbanken öffentlicher Institutionen gilt, hatte der BGH nicht zu entscheiden. Auch hier scheint – sollte nicht ausdrücklich etwas anderes ausgewiesen sein – das Recht des Datenbankherstellers zu überwiegen. Auch öffentliche Datenbanken sind mithin nicht grundsätzlich gemeinfrei.

Dr. Robert Kazemi

Update:

Zwischenzeitlich hat der BGH die vollständigen Entscheidungsgründe der Entscheidung verföffentlicht. Die Ausführungen des I. Senats sind lesenswert und geben einen vertieften Einblick über die oben bereits beschriebenen Wertungen des Gerichts.

Dr. Robert Kazemi

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