Bei Risiken und Nebenwirkungen Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker - auch bei "Schoeneberger Artischockensaft"
Diese allseits bekannte Klausel haben auch Reformhäuser zu beachten, was einem von ihnen zum Verhängnis wurde. Und zwar im Zusammenhang mit der Bewerbung von "Schoeneberger Artischockensaft".
Dies mag auf den ersten Blick etwas verwirrend wirken, spricht man einem im Reformhaus zu erwerbenden Saft aus Artischocken doch schon auf Grund seiner Freiverkäuflichkeit solche Risiken und Nebenwirkungen nicht zu. Ein Fehler, der auch europa- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, so der Bundesgerichtshof (BGH). Hintergund dieser Entscheidung ist die Bestimmung des § 4 Abs. 3 S. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG), wonach Jede Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) die aus Funk- und Fernsehen bekannte Klausel "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" enthalten muss. Zwar gilt dies nach § 4 Abs. 3 S. 4 HWG nicht für Arzneimittel, die für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind. Dies gilt, so formuliert der Jurist, aber nur grundsätzlich. Eine Ausnahme gilt dann, wenn in der Packungsbeilage oder auf dem Behältnis Nebenwirkungen oder sonstige Risiken angegeben sind.
So lag es auch bei dem hier streitgegeständlichem "Schoeneberger Artischockensaft", in dessen Packungsbeilage unter "Gegenanzeigen" zu lesen war: "Bekannte Allergie gegen Artischocke und andere Korbblütler. Bei Verschluss der Gallenwege oder Vorhandensein von Gallensteinen nur nach Rücksprache mit dem Arzt anwenden!". Ein Risikohinweis also. Warum der Hersteller des Artischockensaftes (ein Arzneimittel!) diese Hinweise aufgenommen hat, ist unbeachtlich, so der BGH. Auch dem Argument des auf Unterlassung in Anspruch genommenen Reformhausbetreibers, der anführte, dass der formelhafte Pflichthinweis vom Publikum nicht mehr ernst genommen werde, da er ihm fortwährend begegne und die Pflichtangabe daher einen schwerwiegenden und unverhältnismäßigen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit darstelle, folgte der BGH nicht. Das Gericht stellte vielmehr klar, dass der Pflichthinweis immerhin auf die Arzneimitteleigenschaft des beworbenen Mittels aufmerksam mache und damit "jedenfalls dazu geeignet ist, dem Kunden vor Augen zu führen oder zumindest in Erinnerung zu rufen, dass er sich über das Mittel anhand einer mitgelieferten Packungsbeilage informieren kann." Die ebenfalls geäußerten Bedenken in Bezug auf die Europrechtswidrikeit der Verpflichtung den streitgegenständlichen Pflichthinweis in jede Werbung außerhalb der Fachkreise aufzunehmen, teilt der BGH ebenfalls nicht. Zwar sehe die Richtlinie 2001/83/EG, die eine Vollharmonisierung der Arzneimittelwerbung bezweckt, eine derartige Einschränkung für frei verkäufliche Arzneimittel nicht vor, doch sei der Bundesgesetzgeber nicht an einer Verschärfung dieser Regelung gehindert.
Die Ansicht des Bundesgerichtshofs in diesem Punkte mag man - vor dem Hintergrund der aktuellen "Aufweichung" der Bestimmungen des HWG durch durch den Europäischen Gerichtshof (EugH) - nicht teilen wollen, sie stellt aber vorerst eine "abschließende", höchstrichterliche Klärung dar., die der BGH jüngst in seiner Entscheidung über die Werbung der Firma "Pfizer" bestätigt hat. Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass Wettbewerbskammern der Landgerichte, derartige Werbung ohne den Pflichthinweis auch weiterhin untersagen werden und Mitbewerbern damit das für den Werbenden kostspielige Mittel der Abmahnung weiterhin eröffnet ist. Jedem Reformhausbetreiber ist dementsprechend dringend anzuraten, sich vor einer Werbeaktion genau über das beworbene Produkt zu informieren oder seine Werbeanzeige vor Veröffentlichung durch einen im Wettbewerbs- und Heilmittelrecht erfahrenen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Sonst droht die Abmahnung!
Dr. Robert Kazemi