BAG: Kein Qualm am Spieltisch – Croupier hat Anspruch auf rauchfreien Arbeitsplatz
Muss der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter einen „rauchfreien“ Arbeitsplatz zur Verfügung stellen? Der Tisch-Chef am Roulette einer Berliner Spielbank meinte ja. Nachdem das Landesarbeitsgericht diese Auffassung noch nicht teilte, gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Croupier nunmehr recht (BAG, Urteil v. 19.05.2009, Az. 9 AZR 241/08).
Zum Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1978 bei der beklagten Spielbank beschäftigt. Seit 1999 wird er als Tisch-Chef am Roulette eingesetzt. Die Spielbank wird täglich von etwa 2000 Gästen besucht. Im gesamten Spielsaal herrscht kein Rauchverbot. Auch gibt es keine Roulettetische und andere Spieltische, an denen Spieler einem Rauchverbot unterliegen würden. Im Spielsaal befindet sich auch ein Barbereich, der räumlich nicht davon getrennt ist. Dieser wird von einem anderen Unternehmen betrieben. Der Kläger leidet nach eigenen Angaben seit dem Jahre 2000 an chronischer Bronchitis, Entzündungen der Augenschleimhäute sowie an Schwellungen der Nasenschleimhäute verbunden mit Luftnot und Schweißausbrüchen. Darüber hinaus sei er am Arbeitsplatz einer erhöhten Herz-Kreislauf-Belastung ausgesetzt. Die Beschwerden verschlimmerten sich zunehmend, wenn er seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkomme.
Daher forderte er einen „rauchfreien“ Arbeitsplatz.
Das BAG folgte nunmehr der Auffassung des Croupiers. Es stützt sich dabei maßgeblich auf die Vorschrift des § 618 BGB und die Bestimmungen des Nichtraucherschutzgesetzes.
„Der Anspruch des Klägers beruht auf § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 5 ArbStättV. In dem Spielsaal, in dem der Kläger tätig ist, wird eine Gaststätte iSv. § 1 Abs. 1 des Gaststättengesetzes betrieben. Dort ist es deshalb nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 NRSG verboten zu rauchen. Dieses Rauchverbot beschränkt die ua. von § 5 Abs. 2 ArbStättV geschützte unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Beklagten. Das Rauchverbot ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 hinsichtlich der Betreiber sog. Einraumgaststätten unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG und damit verfassungswidrig, jedoch nicht nichtig (- 1 BvR 3262/07, 402/08 und 906/08 - NJW 2008, 2409). Der Landesgesetzgeber hat bis 31. Dezember 2009 eine Neuregelung zu treffen. § 2 Abs. 1 Nr. 8 NRSG bleibt bis zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung wegen der hohen Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens anwendbar. Das Rauchen in Gaststätten ist in Berlin weiterhin untersagt“ heißt es in der Pressemitteilung des BAG.
Bewertung:
Die Vorschrift des § 618 BGB lautet:
„Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“
Die darin begründete Schutzpflicht wird durch die Arbeitsstättenverordnung konkretisiert. Deren § 3 verpflichtet den Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Arbeitsstätte den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihres Anhangs entsprechend so eingerichtet ist, dass von ihr keine Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Zu den Arbeitsstätten im Sinne von § 2 der Verordnung gehören unter anderem Arbeitsräume in Gebäuden. Für den Nichtraucherschutz enthält § 5 der Arbeitsstättenverordnung besondere Regelungen. Der am 25. August 2004 in Kraft getretene neue § 5 der Arbeitsstättenverordnung verpflichtet den Arbeitgeber, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten einer Arbeitsstätte wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt werden. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung wird dem Arbeitgeber durch diese Neuregelung ein weiterer Spielraum zur Verfügung gestellt. Als mögliche Maßnahme kommen etwa die Trennung von Rauchern und Nichtrauchern in verschiedenen Arbeitsräumen, der Einbau von Lüftungsanlagen, die Einrichtung von Raucherecken oder die Aufstellung von Rauchercontainern oder ähnliches in Betracht. Allerdings sind die in dieser Hinsicht an den Arbeitgeber gestellten Anforderungen in Räumen mit Publikumsverkehr durch § 5 Abs. 2 der Arbeitsstättenverordnung eingeschränkt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Arbeitgeber in bestimmten Einrichtungen dem Publikum das Rauchen nicht verbieten kann, ohne dass dies negative Auswirkungen auf seine unternehmerische Tätigkeit hätte. Obwohl ein Arbeitnehmer, der wegen seiner persönlichen gesundheitlichen Disposition gegen bestimmte Schadstoffe besonders anfällig ist, im Einzelfall besondere Schutzmaßnahmen verlangen kann, im Falle der Beeinträchtigung durch Tabakrauch die Gestaltung der Arbeitsräume durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der Zumutbarkeit so zu erfolgen hat, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht eintreten kann, endet der Nichtraucherschutz doch dort, wo die Möglichkeit zu rauchen zum unternehmerischen Angebot gehört. Maßnahmen des Raucherschutzes können nämlich in der Regel dann nicht verlangt werden, wenn sie zu einer Verhinderung bzw. Beeinträchtigung einer rechtlich zulässigen unternehmerischen Betätigung führen.
Dr. Robert Kazemi