AG Frankfurt a.M.: Kein „fliegender Gerichtsstand“ bei Urheberverletzungen im Internet
Das AG Frankfurt hat eine spektakuläre Entscheidung (Beschluss vom 21.08.2009 - 31 C 1141/09-16) zur Zuständigkeit der Gerichte bei Urheberrechtsverletzungen im Internet gefällt. Entgegen der bislang als herrschend und zumindest innerhalb der Gerichtsbarkeit unbestrittenen Ansicht, dass für Rechtsverletzungen im Internet grundsätzlich überall dort ein Gerichtsstand begründet ist, wo das rechtsverletzende Angebot abgerufen werden kann (sog. fliegender Gerichtsstand), geht das AG Frankfurt davon aus, dass der Handlungsort von Urheberrechtsverletzung im Internet regelmäßig allein am Wohnort des Verletzers liegt.
Die Entscheidung des AG ist ausführlich begründet. Dennoch muss die Rechtsauffassung des Gerichts als „abenteuerlich", ja wagemutig gelten. Zwar führt das Amtsgericht aus, es stelle sich der bisherigen Auffassung des BGH nicht entgegen, sondern setzte die Rechtsprechung des BGH nur „fort". Dennoch scheinen die vorgebrachten Argumente nur schwer vertretbar.
Bewertung:
Das Gericht stützt sich darauf, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet im Bezug auf den Gerichtsstand des § 32 ZPO allein auf den Handlungsort, also den Ort, an dem die Verletzung eingeleitet wird, und nicht auch auf den Erfolgsort abgestellt werden könne. Dies ergebe sich daraus, dass bereits das Einstellen beispielsweise eines Musiktitels im Internet, eine unrechtmäßige Verbreitung (§ 17 UrhG) und/oder ein unberechtigtes öffentliches Zugänglichmachen (§ 19a UrhG) darstellt und das Einstellen des Angebotes in das Internet, die Urheberrechtsverletzung damit unmittelbar bewirkt. Aus diesem Grunde aber falle die Begründung von Handlungs- und Erfolgsort notwendig zeitlich zusammen und die die Handlung vollende den Erfolg bereits vollständig. Der Rückgriff auf „andere" Erfolgsorte sei daher ausgeschlossen.
Im Übrigen führe die teleologische Auslegung der Zuständigkeitsregelungen zu der Ablehnung des fliegenden Gerichtsstandes im Falle von Urheberrechtsverletzungen im Internet.
Der allgemeine Gerichtsstand gemäß §§ 12, 13 ZPO setzte die Grundlage der örtlichen Zuständigkeit. Dabei verfolge der Gesetzgeber das Ziel, den Beklagten, der sich einem Prozessverhältnis im Gegensatz zum Kläger nicht entziehen kann, nicht dadurch zu benachteiligen, dass der Rechtsstreit an einen für ihn weit entferntem Ort stattfindet. Dieser Zweck würde - so das AG -durch die Annahme eines fliegenden Gerichtsstandes ausgehebelt, da dieser letztlich dazu führt, dass der Beklagte -nach Wahl des Klägers- überall in Deutschland in Anspruch genommen werden könnte.
Weiterhin seien die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit Ausfluss des Rechtes auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Die Zuständigkeitsregelungen sollen dem Beklagten eine gewisse Transparenz verschaffen, so dass er bei Kenntnis der für den Rechtsstreit maßgeblichen Tatsachen von vorneherein erkennen könnte, vor welchen Gerichten ein Rechtsstreit gegen ihn zulässigerweise anhängig gemacht werden könnte. Würde auf Urheberrechtsverletzungen im Internet der fliegende Gerichtsstand angewendet, wäre für den Beklagten unvorhersehbar, an welchem Gericht er hierfür in deliktische Verantwortung genommen werden könnte.
Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des AG Frankfurt eine Einzelfallentscheidung bleiben wird. § 32 ZPO spricht eine eindeutige Sprache, so dass für die restriktive Auslegung des Gerichts kein Platz bleibt.
Dr. Robert Kazemi