EuGH: Zur Koppelung des Warenabsatzes an die Gewinnspielteilnahme - Werbung mit der automatischen Teilnahme an einer Lotterie nach einer bestimmten Zahl von Einkäufen ist keine unlautere Geschäftspraktik
Nachrichten aus dem Glücksspielsektor betreffen in den vergangenen Monaten oftmals Fragen um den höchst umstrittenen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV); haben die Nachrichten europäischen Bezug kommen noch die europäischen Grundfreiheiten hinzu. Die nunmehr vorliegende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.01.2009 in der Rechtssache C-314/08 beschäftigt sich hingegen mit Fragen des Wettbewerbsrechts fernab des GlüStV. Die Entscheidung ist gleichsam nicht uninteressant.
Der Fall:
Die Warenhandelskette Plus betrieb im Jahr 2004 die Werbekampagne „Ihre Millionenchance", in deren Rahmen die Öffentlichkeit aufgefordert wurde, in den Läden von Plus verkaufte Waren zu erwerben, um Punkte zu sammeln. Mit der Ansammlung von 20 Punkten wurde die Möglichkeit erworben, kostenlos an den Ziehungen des Deutschen Lottoblocks teilzunehmen.
Die Wettbewerbszentrale sah diese Geschäftspraxis insoweit als unlauter im Sinne von § 3 in Verbindung mit § 4 Nr. 6 UWG an, als damit die Teilnahme der Verbraucher an einem Gewinnspiel vom Erwerb von Waren abhängig gemacht wurde, und beantragte beim Landgericht Duisburg, Plus diese Geschäftspraxis zu untersagen.
Nachdem Plus in erster und in zweiter Instanz verurteilt worden war, legte sie Revision zum Bundesgerichtshof ein.
In seiner Vorlageentscheidung äußerte der BGH Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der betreffenden nationalen Bestimmungen mit der Richtlinie 2005/29 insoweit, als sie ein allgemeines Verbot der Koppelung von Preisausschreiben und Gewinnspielen an einen Kauf vorsehen.
Die Entscheidung:
Der EuGH beantwortet diese Frage mit einem klaren JA. Er führt aus, dass, dass eine nationale Regelung wie die des § 4 Nr. 6 UWG, die Praktiken, mit denen die Teilnahme der Verbraucher an einem Gewinnspiel oder einem Preisausschreiben vom Erwerb von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen abhängig gemacht wird, grundsätzlich verbietet, nicht den Anforderungen der Richtlinie 2005/29 entspricht.
Zum einen sei nämlich nach § 4 Nr. 6 UWG jede geschäftliche Handlung verboten, mit der der Erwerb von Waren oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit der Teilnahme der Verbraucher an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel gekoppelt wird, wobei nur solche Handlungen ausgenommen sind, die ein Gewinnspiel oder Preisausschreiben betreffen, das naturgemäß mit der fraglichen Ware oder Dienstleistung verbunden ist. Eine derartige Praxis ist mit anderen Worten allgemein verboten, ohne dass anhand des tatsächlichen Kontexts des Einzelfalls geprüft werden müsste, ob die fragliche geschäftliche Handlung im Licht der in den Art. 5 bis 9 der Richtlinie 2005/29 aufgestellten Kriterien „unlauter" ist.
Indessen stehe fest, dass solche Praktiken, mit denen der Erwerb von Waren oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit der Teilnahme der Verbraucher an einem Gewinnspiel oder einem Preisausschreiben verbunden wird, nicht von Anhang I dieser Richtlinie erfasst werden, der die Praktiken, die allein ohne eine Einzelfallprüfung verboten werden dürfen, abschließend aufzählt.
Zum anderen widerspreche die Regelung des § 4 Nr. 6 UWG dem Inhalt von Art. 4 der Richtlinie 2005/29, der es den Mitgliedstaaten ausdrücklich untersagt, strengere nationale Maßnahmen beizubehalten oder zu erlassen, selbst wenn mit solchen Maßnahmen ein höheres Verbraucherschutzniveau erreicht werden soll.
Daher sei festzustellen, dass die Richtlinie 2005/29 einem Verbot von Geschäftsangeboten entgegenstehe, mit denen der Erwerb von Waren oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit der Teilnahme der Verbraucher an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel gekoppelt wird.
Bewertung:
Auch wenn das UWG seit 2004 einige zum Teil erhebliche Änderungen erfahren hat, ist die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG unverändert geblieben. Die Entscheidung des EuGH hat damit nach wie vor erhebliche Relevanz; hiernach kann die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG in der jetzigen Form nicht mehr angewandt werden, sie ist vielmehr im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Koppelungen von Gewinnspielen mit dem Warenabsatz sind damit auch in der Bundesrepublik nicht mehr grundsätzlich verboten. Derartige Praktiken sind zukünftig vielmehr am allgemeinen Maßstab der Generalnorm des § 3 UWG unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu beurteilen.
Hiernach ist entscheidend, ob die Koppelung der Teilnahme an einem Gewinnspiel an den Warenabsatz tatsächlich das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers in Bezug auf das jeweilige Produkt tatsächlich wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Dies wird bei Gewinnspielen - wie dem hier zu beurteilenden - kaum anzunehmen sein, denn hierfür ist die Teilnahme am Lottospiel wirtschaftlich nicht attraktiv genug.
Speziell in Deutschland stellt sich aber - nach Inkrafttreten des GlüStV - die Frage, ob eine Werbung - wie sie von PLUS durchgeführt wurde - nicht gegen die Bestimmung des § 5 GlüStV verstoßen, denn hiernach hat sich die „Werbung für die Teilnahme am Glücksspiel" auf reine Information zu beschränken. Der Unterzeichner selbst sieht eine derartig weitreichende Anwendung des GlüStV, dessen Wirksamkeit ebenfalls aus europarechtlichen Gesichtspunkten fraglich erscheint, jedenfalls kritisch.
Dr. Robert Kazemi